Fußball-WM 2006:Das Märchen vom Sommermärchen

Lesezeit: 2 min

DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach sitzt am 29.06.2006 in Berlin während einer Pressekonferenz im Olympiastation neben Franz Beckenbauer. (Foto: Bernd Settnik/dpa)
  • Die Vergabe der Fußball-WM 2006 an Deutschland soll nur durch Schmiergelder an Wahlmänner zustandegekommen sein.
  • Der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus soll das Geld zur Verfügung gestellt haben, das auf ein schwarzes Konto eingezahlt worden sein soll.
  • Später habe er das Geld zurückgefordert.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war anders als andere Turniere. Es galt als Sommermärchen, weil alles passte: ein gastfreundliches Land, begeisternde Spiele, tolle Stimmung, bestes Wetter. Jetzt liegen Hinweise vor, dass die Vergabe der WM nach Deutschland gekauft worden sein könnte. Ist das Sommermärchen also ein Märchen?

Schon lange gibt es Hinweise, dass bei den Turnieren in Frankreich (1998) und in Südafrika (2010) Schmiergeld geflossen sei. Auch die kommenden Weltmeisterschaften in Russland (2018) und in Katar (2022) stehen unter Verdacht. Nun meldet der Spiegel, das deutsche Bewerberkomitee für 2006 habe eine schwarze Kasse mit umgerechnet 6,5 Millionen Euro eingerichtet. Gefüllt habe diese Kasse im Jahr 2000 der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus. Angeblich hätten hochrangige deutsche Fußballfunktionäre davon gewusst. Das Geld soll eingesetzt worden sein, um sich Stimmen der asiatischen Vertreter im Fifa-Exekutivkomitee zu sichern. Die Fifa-Exekutive hatte 2000 Deutschland den Zuschlag erteilt. Der Spiegel berichtet weiter, Dreyfus habe später das Geld zurückgefordert. Die Rückzahlung sei auf Wegen geschehen, die den Fall als dubios erscheinen lassen.

Vier Stimmen aus Asien waren entscheidend

Sollte der Vorwurf einer schwarzen Kasse und eines angeblichen Stimmenkaufs stimmen, hätte der deutsche Fußball eine Affäre neuer Dimension. Verglichen damit wäre selbst der legendäre Skandal um gekaufte Bundesligaspiele in den siebziger Jahren fast eine Provinz-Geschichte. Der WM-Fall wirft viele Fragen auf.

Die Geschichte soll so gehen, dass Dreyfus dem deutschen Bewerberkomitee vor der Entscheidung über die WM-Vergabe eine Summe in Höhe von 10,3 Millionen Franken zur Verfügung gestellt hat. Diese Summe soll weder im Haushalt des Bewerberkomitees noch, später im Haushalt des Organisationskomitees aufgetaucht sein. Was dann bei der Abstimmung am 6. Juli 2000 passierte, ist bekannt: Deutschland gewann ganz knapp gegen Südafrika mit 12:11 Stimmen. Vier Stimmen aus Asien hatten den Sieg ermöglicht. Nord-und Südamerika hatten hinter der südafrikanischen Bewerbung gestanden, Europa hinter der deutschen. Im letzten Wahlgang hatte ein Funktionär aus Neuseeland nicht mit abgestimmt.

Seitdem über Korruption und Fußball, über Fifa und Mafia und über das Verschieben bei der Vergabe solcher Turniere diskutiert wird, ist auch der Zuschlag für Deutschland ein Thema. Deutsche Unternehmen machten große Geschäfte in und mit Ländern, in denen wichtige Mitglieder der Fifa-Exekutive zu Hause waren. Das galt vor allem für Staaten in Asien. Diese Vorgänge waren schon bisher für den ein oder anderen Beobachter als Indizien für unsaubere Vorgänge. Diese Geschäfte müssen aber nicht viel bedeuten. In der globalen Welt ist oft alles mit allem verbunden.

Dreyfus soll das Geld zurückgefordert haben

Die Geschichte im Spiegel, die den Verdacht einer Manipulation bei der Vergabe der WM 2006 aufwirft, ist aus zwei Gründen ernst zu nehmen. Zum einen spielt Dreyfus die Rolle eines großen Strippenziehers. Er war damals zwar krank, aber immer noch Chef von Adidas und als millionenschwerer Erbe einer Handels- und Reederdynastie hätte er die Mittel gehabt, um aus seiner eigenen Kasse eine größere Summe vorzustrecken. Auch im späteren Steuerfall Uli Hoeneß war Dreyfus früh mit Geld behilflich.

6,7 Millionen Euro im Jahr 2005
:DFB berichtet von Merkwürdigkeiten bei Zahlung an Fifa

Es herrscht Aufregung wegen einer Zahlung an die Fifa kurz vor der WM 2006: Der DFB gibt bekannt, dass 6,7 Millionen Euro womöglich zweckentfremdet worden sein könnten.

Dreyfus, der 2009 starb, soll das angeblich den Deutschen geliehene Geld ein paar Jahre vor seinem Tod zurückgefordert haben. Die Summe soll 6,7 Millionen Euro betragen haben. Das Geld sei dann als deutscher WM-Beitrag auf ein Fifa-Konto in Genf geflossen und von dort auf ein Konto von Dreyfus weitergeleitet worden. Der DFB teilte am Freitag mit, eine solche Summe sei im Jahr 2005 an die Fifa geflossen und "möglicherweise nicht dem angegebenen Zweck entsprechend" verwendet worden. Gedacht gewesen sei das Geld für ein Fifa-Kulturprogramm. Der Vorgang werde seit Sommer dieses Jahres untersucht. Auch wenn die Zahlung möglicherweise nicht für den angegebenen Zweck verwendet worden sei, stehe sie aber in keinem Zusammenhang mit der WM-Vergabe.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: