Fußball: Wettskandal in Italien:Schlafmittel vom Ersatztorwart

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Italiens einstiger Nationalstürmer Giuseppe Signori steht im Zentrum eines gewaltigen Wettskandals, der auch die Serie A betrifft. 23 Klubs sind involviert, 16 Spieler, Klubfunktionäre und Betreiber von Wettbüros wurden festgenommen. Besonders hart könnte es zwei Aufsteiger treffen.

Birgit Schönau, Rom

"Habt Mitleid", sagte Giuseppe Signori, als er von zwei Polizisten in Zivil zum Verhör abgeführt wurde. Habt Mitleid - das wäre Signori nie herausgerutscht, als er noch einer der besten Torjäger Italiens war, mit 188 Treffern in der SerieA. 200 Tore sollten es eigentlich werden, um eine halbe Milliarde Lire hatte Giuseppe "Beppe" Signori mit einem Journalisten gewettet, dass er auch das noch schaffen werde.

Im Zentrum des Wettskandals: Giuseppe Signori (in der Bildmitte). (Foto: Getty Images)

Der Spieler verlor diese Wette, andere hat Signori gewonnen. Jene mit dem Stück Kuchen zum Beispiel, das auf einem Weg von 30 Schritten gegessen werden musste. Das schien so einfach zu sein, Signori bot eine Riesensumme dafür, aber der Einzige, der es schaffte, war immer nur er selbst.

Als er noch bei Lazio Rom spielte, hatte er einen Spielsaal in seiner Villa, die Chips am Roulettetisch trugen die Nummer 11. Wie Signoris Trikot bei Lazio, die Nummer 10 beim FC Bologna ergatterte er später beim Kartenspiel. Er kickte bis er 38 wurde, er zockte weiter.

Heute ist Signori 43, seit Mittwoch steht er unter Hausarrest als schillerndster Drahtzieher in einem Wettskandal, der mindestens 18 verschobene Spiele der gerade abgeschlossenen Saison von Italiens erster bis dritter Liga umfasst. Und er sagt: "Habt Mitleid". Als wäre sein Panini-Abziehbild des ewigen Lausbubs mutiert zu einer Dostojewski-Figur.

Signori ist laut der Staatsanwaltschaft von Cremona, die die Ermittlungen in ganz Italien leitet, der Anführer der "Bolognesi", also der Zocker aus Bologna, die gemeinsam mit den "Zigeunern" aus Chiasso, den "Mailändern" und einer Bande aus Bari die Spiele manipuliert haben sollen.

23 Klubs sind involviert; 16 Spieler, Klubfunktionäre und Betreiber von Wettbüros wurden am Mittwoch festgenommen, gegen weitere 18 wird ermittelt, darunter gegen Cristiano Doni, Kapitän der gerade in die SerieA aufgestiegene Mannschaft von Atalanta Bergamo. Der Aufstieg von Atalanta wie auch des AC Siena steht damit zur Disposition, überhaupt steht der Fahrstuhl von oben nach unten und von unten nach oben erst einmal still.

Vermutlich ist es kein Zufall, dass die Razzia bei den Wettbetrügern am Tag nach dem Plädoyer der Ankläger im Prozess gegen den ehemaligen Juventus-Turin-Generaldirektor Luciano Moggi erfolgte. Fünf Jahre Haft fordert der Staatsanwalt für den Manipulator vom Rekordmeister, ins Gefängnis gehen aber wird Moggi, 74, wohl nie. Es ist alles verjährt, aber nichts ist vorbei. Nun warten die nächsten Spielbetrüger auf Prozesse.

Die "Zigeuner" mit ihren Verbindungen zur osteuropäischen Unterwelt und die "Bolognesi" um Signori waren die Geldgeber, in Mailand und Bari standen ehemalige und aktuelle Spieler bereit mit ihren Verbindungen. Profis wie der Torhüter Marco Paoloni vom Drittligisten Cremonese, der die Untersuchung ins Rollen gebracht hat. Als am 14.November 2010 Cremona die Mannschaft aus dem süditalienischen Pagani empfing, hatte Ersatztorwart Marco Paoloni Weisung, das eigene Team verlieren zu lassen.

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Doch zur Pause führte Cremona 2:0. Da griff der sinistre Schlussmann zum letzten Mittel - er füllte ein Schlafmittel in die Wasserflaschen der Teamkollegen. Taumelnd sicherte sich Cremona dennoch den Sieg, obwohl die Hälfte der Mannschaft über Gleichgewichtsstörungen und Schläfrigkeit klagte. Einer der Spieler hatte später auf dem Heimweg einen Autounfall, er war am Steuer eingeschlafen. Der Umsicht des Mannschaftsarztes ist es zu verdanken, dass das Betäubungsmittel gefunden wurde.

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Paoloni wurde kurz darauf nach Benevent verkauft - nicht, weil man ihn verdächtigte, sondern wegen erwiesener Leistungsschwäche. Aber auch als Zocker hatte der Torwart keinen Erfolg. Zuletzt wurde Marco Paoloni gar von seinen Wettkumpanen bedroht, er sollte Schadensersatz leisten. Wegen falscher Programmierung der Teamkollegen.

Die Zockerbande verwaltete angeblich bis zu fünf Spiele zeitgleich, auf einzelne Duelle setzte allein Signori bis zu 150.000 Euro. Auch die SerieA wurde angezapft. Dabei endete Brescia - Bologna am 2. April planmäßig 3:1, Inter Mailand - Lecce am 20. März aber kostete die Wetter viel Geld, weil die kontaktierten Lecce-Spieler nicht wie geplant mindestens drei Inter-Tore kassierten. Inter gewann nur 1:0 und Signori verlor 60.000 Euro.

"Wetten bedeutet für mich immer neue Herausforderungen", hatte Signori einmal gesagt: "Man braucht immer Ziele, um nicht in einem langweiligen Leben zu verflachen." Von einem der festgenommen Spieler wird berichtet, er habe ständig Geld gesetzt, sogar auf die Nummernschilder der Autos, die an seiner Mailänder Wohnung vorbeifuhren. Gerade oder ungerade, Schnickschnackschnuck. Immer neue Herausforderungen.

Atalantas Kapitän Cristiano Doni stand schon einmal unter Zocker-Verdacht, seither hob er nach jedem Tor das Kinn, wie um zu sagen: Ich kann den Kopf hoch tragen! Doni ist 38, er streitet alles ab. Wie alle, auch Signori. Aber Beppe Signori, der Mann, der knapp die Marke 200 verfehlte, weiß, dass das Spiel aus ist. Rien ne va plus. Nur Mitleid.

© SZ vom 03.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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