Fußball-Wettskandal:Ende des Aussitzens

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Allein in diesem Jahr sollen 32 Spiele in Deutschland manipuliert worden sein. Nun müssen DFL und DFB einschreiten - sonst geht der Fußball kaputt.

Thomas Kistner

Sie ist erschütternd, die Dimension des Wettskandals. 200 Spiele sollen nur dieses Jahr manipuliert worden sein, 32 in Deutschland, zwölf in der Europa League - die Dimension zeigt, wie mühelos sich trotz aller Frühwarnsysteme betrügen lässt. Und auch, dass die zwei Wettaffären um Robert Hoyzer (2005) und den Chinesen Lim (2006) nichts an der Mentalität geändert haben - der Mentalität der Akteure im Kickergeschäft.

Das Frühwarnsystem des DFB hat keine untypischen Wettmuster festgestellt. Spiele wurden dennoch verschoben. (Foto: Foto: dpa)

Die Quittung ist jetzt Negativwerbung ohnegleichen, Prozesse und eine Flut sportlicher Entscheide, die statt auf dem Rasen am grünen Tisch getroffen werden. Denn auch laufende Wettbewerbe sind ja betroffen. Zur Dimension der Affäre gehört, dass dies nur des Eisbergs Spitze ist. Was ist in den Jahren zuvor abgelaufen, als es noch gar keine Aufpasser gab beim europäischen Verband Uefa, und keine Watchdog-Mentalität bei staatlichen Ermittlern?

Der Fußball hat das Problem kolossal unterschätzt, wie der Sport all seine Systemfehler (siehe: Strukturzwang Doping) gern wegschiebt. Noch am Donnerstag hatte der Deutsche Fußball-Bund dargelegt, seine Frühwarnsysteme hätten keine Unregelmäßigkeiten gezeigt. Am Freitag kam der Keulenhieb aus Bochum. Fehlt nur noch, dass die Funktionäre wie früher ihre Erleichterung kundtun, dass die Bundesliga nicht betroffen ist.

Was damals noch half, bei den Affären kurz vor der WM in Deutschland, taugt nicht mehr. Es geht nicht um die Bundesliga, es geht um den Fußball. Und in dem wird betrogen - was mancher kaum glauben mag, weil doch Fußball seit dem Sommermärchen in halbreligiöse Sphären entschwebt ist. Nun muss er vor der Reaktion des Volkes bangen.

Die Fälle Lim und Hoyzer waren damals flott vom Tisch. In letzterem hatte die DFL gar monatelang Hinweise von Wettanbietern auf absolut untypische Wettmuster ignoriert. Fragt sich, ob den damals eilig abgearbeiteten Vorgängen überhaupt nachgegangen wurde, besonders denen um die Berliner Bandenszene?

DFB und DFL müssen jetzt rigoros gegen Sünder durchgreifen, von Sperren über Punktabzüge bis hin zu Zwangsabstiegen. Das hat Italien 2006 im Fall Juventus Turin mitleidlos vorexerziert. Und es gehören scharfe Anti-Korruptions-Regeln in Spielerverträge und Satzungen. Die Zeit des Aussitzens ist vorbei.

© SZ vom 21.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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