Fußball:Von Lewandowski im TV-Studium gelernt

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"Ich habe jetzt eine Idee und spiele mit mehr Spaß": Freiburgs Maximilian Philipp. (Foto: Patrick Seeger/dpa)
  • Dass sich der SC Freiburg in der Bundesliga so gut schlägt, hat auch mit der Entwicklung von Maximilian Philipp zu tun.
  • Der Abstieg in die zweite Liga sei im Nachhinein ein Glücksfall gewesen, sagt er.
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Von Matthias Schmid

Maximilian Philipp weiß bis heute nicht, wer oder was die Salzmänner sind. Sein Trainer Christian Streich scheint allerdings ein Freund dieser tibetischen Hirtennomaden zu sein, die auf einem Hochplateau im Himalaya leben und sich jedes Jahr im Frühjahr auf den langen und beschwerlichen Weg zu den Salzseen begeben. "Meine Spieler sind gelaufen wie die Salzmänner", hat Streich zuletzt nach dem Heimsieg des SC Freiburg gegen Eintracht Frankfurt frohlockt. Auf Yaks, einer Rinderart, schleppen die sogenannten Drokpas nach strengen Riten das weiße Gold drei Monate durchs Hinterland. Vielleicht, sagt Philipp lächelnd der SZ, "sollte ich mir mal eine Dokumentation darüber anschauen."

Dass er und seine Mitspieler in ihren Spielen fast so viele Kilometer wie die Salzmänner zurücklegen, will Philipp nicht als besonderen Freiburger Spielstil verstanden wissen. Die ganze Rennerei sei nicht Grundlage ihres für einen Aufsteiger durchaus passablen Saisonstarts in der Fußball-Bundesliga, sagt der Stürmer, vielmehr habe der Bewegungsdrang pragmatische Gründe. "Wir laufen so viel, weil wir erst einmal unser Tor verteidigen und keinen Gegentreffer hinnehmen wollen."

In seinem Premierenjahr sei er zu verkrampft gewesen, sagt Philipp

Das gelingt im Vergleich zur direkten Konkurrenz bisher ganz ordentlich, in den ersten sechs Saisonspielen sind den Gegnern neun Tore gelungen. Weil die Freiburger selbst sieben schossen, findet sich der Klub mit drei Heimsiegen und drei Auswärtsniederlagen auf dem zehnten Rang wieder. "Es hätte aber noch besser für uns aussehen können", sagt Philipp, "wenn wir nicht ein paar individuelle Fehler zu viel gehabt hätten. Vor allem in den Auswärtspartien." Der 22-Jährige ist ein selbstkritischer Typ, der sich auch nicht davon ablenken lässt, dass er drei der sieben Tore erzielt hat. "Ich habe noch keines vorbereitet", hebt er stattdessen lieber hervor, er ist niemand, der mit frechen Sprüchen auffallen möchte und sich zu wichtig nimmt.

Bescheidenheit und Ehrgeiz sind Attribute, mit denen sich Philipp identifizieren kann, seit er als 14-Jähriger bei Hertha BSC aussortiert worden ist, weil die Berliner ihn für zu schmächtig hielten. Sein Trainer Christian Streich lebt diese Eigenschaften täglich vor. "Die Menschlichkeit" des Trainers beeindrucke ihn am meisten, erzählt Philipp. Er kritisiere ihn und seine Mitspieler häufig, direkt und bisweilen auch schroff. "Das ist aber nicht gespielt bei ihm", fügt der gebürtige Berliner hinzu, "das ist authentisch, weil er uns nicht wie Arbeitskollegen behandelt, sondern wie Familienmitglieder und uns zu besseren Fußballern entwickeln will."

Streich und Philipp verbindet eine enge Beziehung. Der Fußballlehrer war es auch, der Philipp vor zwei Jahren aus dem Freiburger Regionalligateam in den Erstligakader befördert hat. Obwohl er in 25 Spielen auflief, sieht er seine Premierensaison in der Bundesliga heute ziemlich kritisch. "Das war schwach von mir. Ich war viel zu verkrampft, weil ich unbedingt in der Startelf stehen wollte", erinnert sich Philipp an die Saison, an deren Ende der Abstieg stand. Er wollte keine Fehler machen, einfach spielen und beraubte sich deshalb seiner herausragenden Stärken.

Er ist ein Spieler, wie ihn Bundestrainer Joachim Löw so liebt, leicht und trickreich, er kann aus dem zentralen Mittelfeld in Hochgeschwindigkeit mutig auf die Abwehr zulaufen, im Eins-gegen-eins seinen Gegner ausdribbeln oder mit einem feinen Pass den besser platzierten Mitspieler einbeziehen. Dass er in dieser Spielzeit drei Tore geschossen und keines vorbereitet hat, erstaunt ihn deshalb selbst am meisten. "Ich sehe mich eher als Vorlagengeber", sagt Philipp, der zuletzt seine Berufung für die U21 wegen einer Erkältung stornieren musste.

Im Nachhinein hat sich der einjährige Aufenthalt in der zweiten Liga als glückliche Fügung erwiesen, um sich von seinen inneren Fesseln zu befreien. Er tritt nun sehr viel selbstsicherer auf, hat diese Selbstverständlichkeit, die er für sein bisweilen anarchisches Spiel braucht. "Wir haben uns alle in der zweiten Liga weiterentwickelt und sind auch als Mannschaft gewachsen, in der jeder für jeden rennt", sagt Philipp und fügt hinzu: "Und ich habe jetzt eine Idee und spiele mit mehr Spaß."

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Ganz nebenbei haben die Freiburger ihr intensives Laufspiel vor dem eigenen Tor so verfeinert , dass sie vor dem gegnerischen Tor nicht mehr erschöpft und ausgemergelt wie die Salzmänner nach ihrer langen Reise ankommen. "Wir haben inzwischen genügend Kraft für den Abschluss", sagt Philipp. Er ist fest davon überzeugt, dass die Freiburger den Abstieg verhindern werden und er auch in der nächsten Saison seinen Helden aus der Jugend bei der Arbeit begegnen wird - Spielern wie Xabi Alonso zum Beispiel oder Philipp Lahm. "Es ist schon der Wahnsinn, dass ich mit denen auf dem Platz stehen darf", sagt Philipp.

Um ihre Laufwege zu studieren oder sich abzugucken, wie Robert Lewandowski zum Beispiel seinen Körper einsetzt, um den Ball abzuschirmen, oder wie Marco Reus beim Schuss seinen Fuß hält , guckt er sich seit einer Weile zu Hause noch mal ausgewählte Spiele in voller Länge in der Wiederholung an. Philipp macht das gerne, aus freien Stücken, wie er betont, das Selbststudium ist ihm wichtig geworden, weil er ein kompletterer Fußballer werden will und gelernt hat, dass schon kleine Änderungen eine große Wirkung entfalten können.

"Früher habe ich mir nur die Tore in der Zusammenfassung angeschaut", gibt Philipp zu. Und wenn dann nebenbei noch Zeit bleibt , will er sich demnächst die Dokumentation über die Salzmänner ansehen. Dann wird er seinen Trainer noch besser verstehen können.

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