Fußball-EM:Spanien in Gala-Laune

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Spanischer Jubel, hier Nolito (links). (Foto: AFP)

Beim 3:0 gegen schwache Türken unterstreicht Spanien seine Ambitionen auf den EM-Titel. Es ist der bislang höchste Sieg des Turniers.

Von Javier Cáceres, Nizza

An einem Abend voller guter Nachrichten für die eigenen Interessen hat Titelverteidiger Spanien am Freitag mit einer Galavorstellung Hunger auf den dritten EM-Sieg in Serie bewiesen. Gegen eine defensiv vogelwilde türkische Mannschaft gelang dem Champion von 2008 und 2012 in Nizza der bislang höchste Erfolg bei diesem Turnier (3:0) und die vorzeitige Qualifikation für das Achtelfinale. Die Türken haben nach ihrer zweiten Niederlage nur noch geringe theoretische Chancen auf ein Weiterkommen.

Die wichtigste gute Nachricht aus spanischer Sicht war, dass der Triumph von den Stürmern herausgeschossen wurde, konkret: von Mittelstürmer Álvaro Morata von Juventus Turin (34./48.) sowie dem Shooting-Star von Celta de Vigo, Nolito (37.) Sie beendeten innerhalb weniger Spielminuten die Debatten, die in den vorangegangenen Tagen in den Medien der Heimat getobt hatten und um die Frage gekreist waren, ob Spanien in Frankreich wohl auch genug Torgefahr entfalten könnte.

Spanien hatte beim ersten EM-Auftritt gegen die Tschechische Republik (1:0) zwar spielerisch überzeugt. Entsprechend hatte Trainer Vicente Del Bosque auf die gleiche Elf vertraut, die gegen die Tschechen gewonnen hatte. Zum ersten Mal nach 52 Spielen (seit dem EM-Finale von 2012 gegen Italien) hatte er damit die gleiche Start-Elf aufgeboten. Das Tor gegen die Tschechen aber hatte ein Innenverteidiger erzielen müssen: Gerard Piqué.

Herrscher über Ball, Raum und Tempo

Dass nun die Stürmer trafen, bescherte Del Bosque eine gute Nachricht: Er kann nun auf 87 Siege als spanischer Nationaltrainer verweisen - so viele wie der Brasilianer Mario "Lobo" Zagallo und der Weltmeistertrainer von 1974, der Dresdner Helmut Schön. Nur die DFB-Trainer Joachim Löw (88) sowie der Weltmeistertrainer von 1954, Sepp Herberger (94), haben als Nationaltrainer mehr Siege verbucht als Del Bosque.

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Nach einer Anfangsphase, in der die Türken immerhin Verwirrung stiften konnten, erklärten sich die Spanier zu Herrscher über Ball, Raum und Tempo. Sergio Busquets, der Sechser des FC Barcelona, gab dem Spiel Struktur; Andrés Iniesta, David Silva und Cesc konkurrierten im Mittelfeld um die höchste Zahl an gefährlichen Pässe in die Spitze. Den Türken, die einen taktischen Standard namens Raumdeckung seltsam frei interpretierten, stieg das Wasser merklich bis zur Halskrause.

Nach dem ersten Versuch aus der Distanz von Morata, den Torwart Volkan Babacan abklatschte (7. Minute), und einer Hereingabe von Linksverteidiger Jordi Alba, die Verteidiger Hakan Balta an den Pfosten des eigenen Tores lenkte, kam wieder Piqué zu einem gefährlichen Kopfball. Nach knapp einer halben Stunde zielte der Außenbahnwühler Nolito aus 18 Metern nur knapp am rechten Pfosten des türkischen Tores vorbei.

Die Tore fielen dafür nach rund einer halben Stunde. In der 34. Minute flankte Nolito einen Ball in den Strafraum, der völlig ungedeckte Morata verlängerte ihn mit dem Kopf ins Tor. Drei Minuten später war es Cesc, der den Ball in den Strafraum lupfte - und in Nolito einen Abnehmer fand. Nach einem unbeholfenen Abwehrversuch von Innenverteidiger Mehmet Topal erwischte Nolito den Ball aus zwölf Metern zwar nicht richtig, Torwart Babacan war dennoch machtlos.

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Die Türken, die in der ganzen ersten Halbzeit nur durch einen Freistoß des Leverkusener Kunstschützen Hakan Calhanoglu Gefahr erzeugt hatten, schlichen geknickt in die Kabine. Falls sie in der Umkleide irgendeine Art von Hoffnung geschöpft haben sollten, war sie nach 48 Minuten völlig zerstört: Andrés Iniesta steckte den Ball durch, den Jordi Alba in Abseitsposition annahm und auf Morata weiterleitete, der nur noch einschieben musste.

Türken pfeifen Arda Turan aus

Das 3:0 war die Entscheidung - und animierte Del Bosque dazu, die Partie zum Testspiel umzufunktionieren. Erst kam Bruno, der Sechser vom FC Villarreal, für David Silva, später durfte Atlético Madrids Mittelfeldmotor Koke den Platz von Cesc einnehmen - und César Azpilicueta Linksverteidiger Alba ablösen. Die Spanier ließen weiter mit hoher technischer Qualität den Ball zirkulieren und kamen zu weiteren Chancen - umrahmt von einem besonderen Soundtrack.

Die türkischen Fans, die in Nizza in der Überzahl waren, erklärten Mittelfeldspieler Arda Turan vom FC Barcelona zum Sündenbock und pfiffen ihn bei jedem Ballkontakt aus. Turan, der schon gegen Kroatien enttäuscht hatte und von der türkischen Presse kritisiert worden war, antwortete mit Gesten, die sein Unverständnis verrieten, und verrichtete nur noch der Form halber seinen Dienst. Die meisten Fans bekamen das nicht mehr mit: Sie verließen das Stadion, noch ehe die Partie beendet war. Einige andere entluden ihren Frust durch das Zünden von Böllern.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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