Fußball-EM:Schon die Alten Griechen konnten Packing

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Theodoros Zagorakis, Stelios Giannakopoulos und Traianos Dellas - Griechenlands Europameister von 2004 hätte meisterhafte Packing-Raten gehabt. (Foto: REUTERS)

Das neue Analyse-Dings der ARD soll über "überspielte Gegner" informieren. Dabei deckt es unter anderem ganz alte Taktik-Mechanismen auf: Die Variante hoch und weit feiert eine Renaissance.

Von Sebastian Fischer

Bislang hat wohl noch niemand nachträglich die "Packing-Rate" von Traianos Dellas und Michalis Kapsis errechnet, doch sie würde bestimmt alle Rekorde brechen. Packing, das ist das neue Analyse-Dings, ohne das kein Fußballgespräch mehr auskommt (jedenfalls nicht in der ARD) - das sog. Tool misst die Summe der Gegenspieler, die ein Fußballer überspielt, und somit dessen Effektivität. Dellas und Kapsis, das waren die Innenverteidiger des griechischen Nationalteams 2004. Sie verbarrikadierten sich damals im eigenen Strafraum, holzten die Bälle über die Köpfe aller Gegner hinweg nach vorne - und Außenseiter Griechenland wurde Europameister. Zwölf Jahre später, das ist einer der Trends dieser EM in Frankreich, geschieht Ähnliches.

Termine der Fußball-EM in Frankreich
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Die Erweiterung des Teilnehmerfelds auf 24 Mannschaften ist von vielen Seiten kritisiert worden. Doch der Teil der Kritik, der durch den neuen Modus eine "Verwässerung" (DFB-Manager Oliver Bierhoff) der fußballerischen Qualität befürchtet hat, darf nach den ersten Spielen guten Gewissens relativiert werden. Denn die EM-Neulinge und Außenseiter halten mit - dank Griechen-Taktik 2.0.

Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass zu Beginn eines Turniers abwartend gespielt wird und wenige Tore fallen. Doch Disziplin und Geschick etwa der isländischen Abwehr sind beachtlich, genau wie Einfallslosigkeit gegnerischer Offensivspieler. Die maximalen Packing-Werte erzielt nicht etwa stets einer der gepriesenen Offensiv-Virtuosen, sondern zum Beispiel Leonardo Bonucci, solider Fließbandarbeiter in der italienischen Altherren-Abwehr. In einem genialen Moment überspielte er gleich zehn Belgier, bevor Emanuele Giaccherini den Ball ins Tor schoss. Sein wunderbarer Pass wurde zwar begünstigt vom hilflosen Abwehrspieler Toby Alderweireld, doch er wird trotzdem einer der schönsten der EM bleiben.

Griechenlands Geist ist in Frankreich dabei

Die Zuschauer stört der Defensivfußball offensichtlich nicht, sie schalten am Fernseher so oft ein wie noch nie. Es hat ja auch etwas von Spektakel, wie Cristiano Ronaldo an einer isländischen Abwehrmauer so sehr verzweifelt, dass er sich darüber beschwert. Den verzweifelten Ronaldo hat die Welt übrigens 2004 kennengelernt. Er weinte, damals noch ein schmächtiger Dribbler, bittere Tränen nach dem Finale - gegen die Griechen.

Die sind diesmal nicht dabei, doch ihr Geist weilt in Frankreich. Und dass die Außenseiter bisweilen auch in der Offensive glänzen können, wie die Slowaken am Mittwoch gegen Russland bewiesen, dürfte auch im Sinne von Otto Rehhagel sein, dem Trainer der Griechen 2004. Er wehrte sich schon damals gegen die Darstellung, seine Spieler seien bloß stupide Verteidiger. Einer der berühmten Appelle des Trainers Rehhagel war unmissverständlich. Er lautete: "Attack, attack! Go!"

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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