Fußball:Deutsche Olympia-Auswahl formt sich

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Von links nach rechts: Sven Bender, Lars Bender und Nils Petersen (Foto: N/A)

Unter komplizierten Bedingungen hat der DFB seine U23-Auswahl für Olympia zusammengestellt. Die drei Kaderplätze für ältere Profis sind wohl besetzt.

Von Christof Kneer, München

Als ihn die Nachricht von Antonio Rüdigers Kreuzbandriss erreichte, da ahnte Horst Hrubesch schon, dass diese Verletzung am Ende auch ihm weh tun könnte. Noch nie hing ja im deutschen Fußball alles so sehr mit allem zusammen wie in den vergangenen Wochen: Jedes Spiel und jeder Vereinswechsel und jede Blessur hatten das Potenzial, die wunderbar gründlichen deutschen Planungen auf das Niederträchtigste zu hintertreiben.

Da hatte sich der Trainer Hrubesch also gerade hingesetzt und den Namen "Jonathan Tah" als Abwehrchef in seinen Olympiakader hineingeschrieben, und dann verletzte sich Rüdiger im EM-Quartier der A-Nationalelf, und dann bestellte Joachim Löw also Tah als Ersatz ein - und schon konnte Hrubesch den Namen "Tah" wieder streichen. Denn darauf hatte sich der Deutsche Fußball-Bund ja mit sich selbst geeinigt: dass kein Spieler erst die EM in Frankreich und dann noch das Olympische Turnier in Brasilien (5. bis 21. August) bestreiten soll.

An diesem Donnerstag wird Hrubesch, 65, jene 18 Spieler bekanntgeben, mit denen er in zwei Wochen nach Rio aufbrechen wird. Der Kader wird wie ein ganz normaler Kader aussehen, Tor, Abwehr, Mittelfeld, Sturm, auf den ersten Blick wird dem Kader keiner ansehen, wie viele Telefonate, Mails und gefahrene Kilometer er gekostet hat.

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Flick sagt, dass "wir immer noch eine Top-Mannschaft nach Rio schicken können"

"Es ging von Anfang an darum, die Wünsche aller Beteiligten zu berücksichtigen", sagt DFB-Sportdirektor Hansi Flick, "wir wissen natürlich, dass Olympia mitten in die Vorbereitungszeit der Vereine fällt." Flick kennt inzwischen jede Topfpflanze in jedem Büro jedes Bundesligamanagers beim Namen, er ist seit Frühjahr unterwegs, um sämtliche Interessen zusammenzuführen. Flick wehrt sich vehement gegen Gerüchte, wonach es dabei zu ausdauernden Kampfhandlungen gekommen sei. Er lobt vielmehr die "herausragende Kommunikation" mit den Klubs.

Das ist ja sein großes Thema: Flick ist leidenschaftlich davon überzeugt, dass sich die immer mehr auseinanderdriftenden Bedürfnisse von Vereinen und Verbänden nur im Dialog lösen lassen. Das war in jüngerer Vergangenheit nicht immer so, und so ist auch von den Klubs zu hören, dass sich die Debattenkultur durch den seriösen Schaffer Flick massiv verbessert habe.

Hansi Flick hat im Zuge seiner Touren durchs Bundesligaland schon auch Vereinsmanager getroffen, denen der Olympia-Auftritt des DFB ungefähr so wichtig war wie ihre Topfpflanze, es waren allerdings nicht sehr viele, und so kann der Sportdirektor nun am Tag vor der offiziellen Nominierung voller Überzeugung sagen, dass "wir immer noch eine Top-Mannschaft nach Rio schicken können"; obwohl man aus denen, die abgesagt haben oder absagen mussten, mindestens noch mal eine Top-Mannschaft bauen könnte.

Für den Rechenweg, der am Ende zu diesem Kader führte, hätte man idealerweise mehrere Semester Höhere Mathematik gebraucht, dennoch gehen sie beim DFB davon aus, dass ihnen die Quadratur der Ringe einigermaßen gelungen ist.

Beim Rechenweg war zunächst zu berücksichtigen, dass laut Reglement nur Spieler in Frage kommen, die nach dem 31.12.1992 geboren sind (plus drei Ältere); weiterhin galt, dass kein Spieler EM und Olympia bestreiten soll, womit Joshua Kimmich, Leroy Sané, Julian Weigl und Jonathan Tah schon mal aus der Wertung fielen; zusätzlich haben DFB und Vereine die Faustregel vereinbart, dass kein Klub mehr als zwei Spieler abstellen muss; auch brauchen Vereine ihre Kandidaten nicht rauszurücken, wenn im August noch Qualifikationsspiele für internationale Wettbewerbe anstehen (etwa Gladbach und Mo Dahoud); und auch auf Spieler, die gerade den Verein gewechselt haben, verzichtet der DFB, um ihnen die Integration in den neuen Klubs zu erleichtern - deshalb fehlen Hrubesch auch Stürmer Timo Werner (von Stuttgart nach Leipzig), Mittelfeldspieler Yannick Gerhardt (Köln/Wolfsburg) oder der ehemalige U 21-Kapitän Kevin Volland (Hoffenheim/ Leverkusen), der ansonsten einen der drei Seniorenplätze abbekommen hätte.

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Und schließlich mussten Flick und Hrubesch noch eine Sonderkategorie für Spieler eröffnen, die wegen Blinddarm-Operationen krankgeschrieben sind; in diese Kategorie fällt Wolfsburgs Maximilian Arnold.

Bevor Fragen kommen: Ja, es bleiben immer noch genügend gute Spieler übrig, der Torwart Horn, die Abwehrspieler Süle und Klostermann, die Mittelfeldspieler Meyer und Goretzka, die Offensivspieler Brandt und Selke, aber aus Stabilitätsgründen haben sich Hrubesch und Flick offenbar entschieden, die drei Zusatzplätze an drei sagenhaft ältere Herren zu vergeben, die immerhin schon 27 sind. Neben den Bender-Zwillingen Lars und Sven, deren Namen bereits seit einiger Zeit gehandelt werden, ist die Wahl nach SZ-Informationen auch auf den Freiburger Nils Petersen gefallen, was angesichts der aktuellen Debatten eine hübsche Pointe ist.

Nils Petersen ist das, was Joachim Löws Elf nach allgemeiner Einschätzung bei der EM gefehlt hat: Petersen ist ein echter Neuner - und taugt als kleine Reminiszenz an den bisher letzten Auftritt einer deutsche Olympia-Elf. Im Jahr 1988 gewann das DFB-Team mit dem echten Neuner Jürgen Klinsmann in Seoul die Bronzemedaille.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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