Bundestrainer:Löw hat scho' au' noch was vor beim DFB

Fünf Tage nach dem EM-Aus erneuert Joachim Löw sein Ja-Wort: Er bleibt Bundestrainer - mindestens bis 2018. Für die Zukunft gibt es einen klar umrissenen Arbeitsauftrag.

Von Christof Kneer

Natürlich hätte man sich nach dem Halbfinale auch aufs Pressepodium setzen und scharfkantig in die Runde schauen können. Man hätte sagen können, dass die Niederlage gegen Frankreich schmerzhaft sei und man dem Gastgeber trotzdem herzlich gratuliere, aber schon im nächsten Atemzug hätte man entschlossen aufs nächste Turnier verweisen können. In der reichgefüllten Floskelschublade hätte man auf die Schnelle sicher was Passendes gefunden, Blick nach vorne richten, voll auf die WM fokussieren, neue Reize setzen, so was eben.

Die Medien hätten dann dieses schöne Bild vom deutschen Bundestrainer aus Marseille in die Welt transportiert: Höflicher Mann, guter Verlierer, sendet trotzdem Kampfansage an Konkurrenz. Fazit: Wer die WM 2018 in Russland gewinnen will, muss erst mal an diesen Deutschen vorbei. Deren Trainer hat nämlich schon Witterung aufgenommen.

Im Grunde ist es ja recht erfreulich, dass es sich bei Joachim Löw nicht um José Mourinho handelt, Mourinho würde man nicht so gern haben wollen als Bundestrainer. Vielleicht hätte Mourinho jemanden beleidigt im Presseraum in Marseille, oder er hätte eine beeindruckende Verschwörungstheorie entworfen, die wochenlang die Welt beschäftigt hätte. Löw ist kein Provokateur, aber auch er hat Deutschland beschäftigt, wenn auch nur fünf Tage lang.

Das Zögern des Bundestrainers war wie eine feierliche Einladung für alle Medien

Am Dienstag bestätigte der DFB nun also offiziell, woran niemand gezweifelt hat: dass Löw seinen bis 2018 laufenden Vertrag erfüllen wird. Dass er nicht zurücktritt, was ohnehin sehr unwahrscheinlich war. Und dass ihn niemand rauswirft, was noch sehr viel unwahrscheinlicher war.

Joachim Löw, dieser Anti-Mourinho, ist mit den Jahren ein pragmatischer und durchaus auch mal kämpferischer Trainer geworden, aber er ist keiner, der im Angesicht einer Niederlage das Visier aufklappt. Und nach Turnieren zieht er sich sowieso immer erst mal zum Grübeln und Zaudern zurück, und er will dann meist ein bisschen gebeten werden, um aus seinem Versteck wieder herauszukommen. Nach Niederlagen wie jener gegen Frankreich kann das zu öffentlichen Reflexen führen, die seinem Arbeitgeber nicht gefallen können.

Warum sollte er sich zurückziehen?

Löws Zögern hat der Öffentlichkeit wieder Raum für Notizen gelassen, und so haben sie beim DFB übers Wochenende lesen müssen, dass Löw seine Zukunft demonstrativ offen gelassen habe - eine feierliche Einladung für alle Medien. Sie hatten nun einen erstklassigen Anlass, um sich Gedanken über Löws mögliche Sünden bei der EM zu machen, und weil vieles an diesem schönen Spiel Geschmackssache ist, sind sie natürlich fündig geworden: zu oft das System gewechselt; zu wenig Selbstkritik; zu lange Leine im Turnier; zu wenig trainiert. Für manches lässt sich der ein oder andere Beleg finden, anderes ist rein parteiische Stilkritik, aber nichts davon hat sich im Spiel seiner Elf wirklich abgebildet.

Marcus Sorg soll nicht die U 21 übernehmen, sondern in Löws Trainerteam bleiben

Es gab, mit anderen Worten, einfach keinen Grund, um diese Elf einem anderen Menschen anzuvertrauen. Und genauso wenig Gründe gab es für Löw, sich verzagt, verwundet oder verzweifelt zurückziehen.

Man darf davon ausgehen, dass sie ihren Trainer im Verband nun sanft aufgefordert haben, diese bemerkenswert überflüssige Debatte schnell abzuräumen. Er sehe "nach wie vor großes Potenzial" im Team, ließ Löw am Dienstag in einer Verbandsmitteilung ausrichten, "ich bin sicher, unsere Mannschaft wird uns noch viel Freude bereiten, so dass auch meine Freude weiterhin ungebrochen groß ist, mit diesen Spielern zu arbeiten und sie mit Blick auf die WM 2018 weiter zu entwickeln". Im Übrigen war es dem DFB ein Anliegen, auf ein vorausgegangenes Telefonat mit dem neuen Verbandschef Reinhard Grindel zu verweisen, der in dem Kommuniqué mit dem schönen Satz "Jogi Löw ist der beste Trainer für diese Mannschaft" zu Wort kommt.

Löw wird nun mit einem klar umrissenen Arbeitsauftrag in den nächsten Turnierzyklus starten, er wird versuchen, die Spannung von Beginn an hoch zu halten und seiner Elf beizubringen, dass Fußball noch mehr Spaß macht, wenn man die eigene Überlegenheit auch mal im gegnerischen Strafraum auslebt. Nach SZ-Informationen wird Löw den Auftrag mit dem EM-erprobten Trainerstab angehen können: Marcus Sorg, der im September die U 21 übernehmen sollte, wird neben Thomas Schneider als zweiter Assistenztrainer in Löws Team bleiben. Für die U 21 wird sich der DFB einen neuen Trainer suchen.

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