Fußball: Champions League:Losen für Fortgeschrittene

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Dass Schalke 04 in einer eher einfachen Champions-League-Gruppe spielt, verdankt es auch einem weitgehend unbekannten Detail einer komplizierten Auslosungsprozedur. Dabei haben die TV-Sender ihre Finger im Spiel.

Johannes Aumüller

Es schien eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit zu sein, mit der sich Schalkes neuer Angreifer Raúl auf ein Duell mit seinem vormaligen Klub Real Madrid hätte freuen dürfen. Die Auslosung der Champions-League-Gruppenphase lief schon eine Weile; sechs der acht Mannschaften aus Topf drei waren bereits verteilt, nur noch der FC Schalke 04 und Ajax Amsterdam übrig. Auf einen von beiden wartete die eher leichte Gruppe B mit Olympique Lyon und Benfica Lissabon, auf den anderen die eher schwere Gruppe G mit Real und dem AC Mailand.

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"Losfee" Wesley Sneijder rührte in der Trommel, er zog eine Kugel, öffnete - "Ajax Amsterdam" stand auf dem Zettel. Doch noch ehe er in den benachbarten Glasbehälter Kugeln mit den Aufdrucken B und G werfen konnte, um für die Niederländer die Gruppe zu ermitteln, signalisierte der Computer bereits: Amsterdam muss in die Gruppe G, Schalke zu Lyon und Lissabon.

In dem Moment, als noch zwei Kugeln übrig waren, hatte die Wahrscheinlichkeit für ein Duell Schalke gegen Real Madrid also keineswegs bei 50 Prozent, sondern bei null gelegen. Doch kaum ein Fußball-Fan hatte das gewusst, weil die Auslosungsprozedur sich "nicht nur kompliziert anhört, sondern auch kompliziert ist", wie der zuständige Uefa-Funktionär zu Beginn der Übertragung scherzte, und zudem eine weitgehend unbekannte, aber ziemlich folgenreiche Regelung beinhaltet.

Anders als das 6-aus-49-Lotto ist die Auslosung eines Fußballwettbewerbs ja grundsätzlich kein Verfahren, in dem theoretisch alles passieren kann. Stattdessen existieren einige Los-Einschränkungen, um zu vermeiden, dass sich die besten Mannschaften zu früh gegenseitig ausschalten und dass Teams aus einem Land früh aufeinander treffen. Daher gibt es in der Auslosungsprozedur beispielsweise acht gesetzte Gruppenköpfe und werden die anderen Teilnehmer nach dem Uefa-Koeffizienten in drei Töpfe gruppiert.

Daneben allerdings hat sich die Uefa noch ein weiteres Kriterium ausgedacht, dass erheblichen Einfluss auf die Auslosung hat - die Aufteilung in sogenannte rote Gruppen (A bis D) und blaue Gruppen (E bis H). Die Idee: Wenn sich zwei oder mehr Mannschaften aus einem Land für die Gruppenphase qualifizieren, möchte die Uefa vermeiden, dass diese alle an einem Tag spielen. Von daher sollen sich die zwei, drei oder vier Teams eines Landes schön gleichmäßig auf rote und blaue Gruppen aufteilen.

Diese Informationen waren bekannt, als Wesley Sneijder bei der Auslosung Ajax Amsterdam zog, und doch kam die automatische Zuordnung der Niederländer in Gruppe G überraschend. Denn die beiden anderen deutschen Wettbewerbsteilnehmer waren bereits aufgeteilt, der FC Bayern in eine blaue Gruppe, Werder Bremen in eine rote. Eine niederländische Mannschaft war noch nicht gezogen. Insofern sah es so aus, als hätte Amsterdam sowohl zu Lyon und Lissabon (rote Gruppe B) als auch zu Madrid und Mailand (blaue Gruppe G) kommen können.

Ausschlaggebend für die letztliche Entscheidung war allerdings nicht Amsterdam, sondern die Tatsache, dass Schalke in die Lyon-Gruppe rutschen musste. Die Erklärung: Die Uefa entscheidet nicht nur, dass sich die Mannschaften eines Verbandes gleichmäßig auf rote und blaue Gruppen verteilen müssen, sie entscheidet bei den Ländern mit drei oder vier Teilnehmern auch, welche beiden Mannschaften ein sogenanntes "Pair" bilden und sich aufteilen müssen. Im Falle der deutschen Vereine bildeten der FC Bayern und der FC Schalke 04 ein solches "Pair", und weil Bayern bereits in einer blauen Gruppe war, musste Schalke in eine rote Gruppe. Die Uefa erklärte auf Nachfrage von sueddeutsche.de, am Tag der Auslosung sei diese Information zugänglich gemacht worden, weder auf ihrer Internetseite noch während der Übertragung teilte sie das aber mit.

Warum ausgerechnet Bayern und Schalke ein Paar bilden? Nicht entscheidend ist der naheliegende Hinweis, dass sich diese beiden Vereine direkt für die Champions League qualifizierten und Werder Bremen erst über die Qualifikation. Vielmehr spielen vor allem zwei Faktoren eine wichtige Rolle: die Heimstätte, weshalb zum Beispiel die im selben Stadion spielenden Klubs AC Mailand und Inter Mailand zwingend ein "Pair" bilden müssen, sowie die Fernsehrechte und die Fernsehrechteinhaber.

Die übertragenden Sender mehrerer europäischer Länder erklärten sueddeutsche.de, dass sie sich ein "Pair" wünschen dürfen, ihre Wünsche aber nicht bindend seien. Aber es stellt sich die Frage, wie viel einem Verband an der Umsetzung solcher Wünsche gelegen ist - angesichts der Millionen Euro, um die es bei den Übertragungsrechten geht?

In Deutschland überträgt Sat.1 jeden Mittwoch ein Spiel mit deutscher Beteiligung. Auf Nachfrage von sueddeutsche.de wollte sich der Sender nicht dazu äußern, welches "Pair" er sich gewünscht habe. Naheliegend ist aber folgender Gedanke: Sat.1 dürfte daran gelegen sein, dass der quotenträchtige FC Bayern ein Teil des Pairs ist. Denn dann besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Bayern die einzige deutsche Mannschaft in einer Gruppenfarbe ist und Sat.1 an den Mittwochsspieltagen der Münchner auch immer die Münchner zeigen kann - ohne die Fans anderer Vereine zu verärgern und in dem Wissen, dass nicht zugleich noch die Übertragung eines anderen Spiels mit deutscher Beteiligung auf dem Pay-TV-Sender Sky Zuschauer zieht.

Doch es hätte vor der Auslosung ja auch die Möglichkeit gegeben, das "Pair" Bayern/Bremen zu bilden. Und wenn das so gewesen wäre, hätte die Wahrscheinlichkeit für ein Duell zwischen Schalke und Real tatsächlich bei 50 Prozent gelegen, als Wesley Sneijder das Los Amsterdam zog.

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