Fußball-Bundesliga:Prominenz in der Warteschlange

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Hat sich zu seiner Rückkehr bislang nicht geäußert: Trainer Thomas Schaaf. (Foto: dpa)

Die Trainerpossen bei Schalke und Hannover sind Beleg dafür, wie sehr sich der Markt verändert hat. Von Schaaf über Labbadia bis Stanislawski sind zwar prominente Namen zu haben, doch nur wenige passen ins aktuelle Anforderungsprofil.

Von Christof Kneer

Es ist den Trainern der Fußball-Bundesliga auch im Jahr 2013 nicht schlecht gegangen. Sie waren zur besten Sendezeit im Bild, meistens gut angezogen - und das alles in einer Branche, die nicht für einen flächendeckenden tariflichen Mindestlohn streiten muss. Wer aber bisher der Meinung war, Fußball-Trainer seien heillos überbezahlt, der hat seine Meinung jetzt womöglich ändern müssen.

Denn jener Teil des Gehaltes, der direkt aufs Schmerzensgeldkonto umgeleitet wird, ist offenbar weit größer als gedacht. Die meisten Härten dieses Jobs sind bekannt: dass man täglich vor dem Rauswurf steht, dass man ständig neue, interessante Schimpfwörter kennen lernt und dauernd die alberne Frage hört, ob man die Spieler noch erreicht. Viel demütigender ist aber, dass man sich mitunter von seinen Vorgesetzten unterstützen lassen muss. Diese Art der Unterstützung hat kurz vor Weihnachten ein neues Niveau erreicht.

Die Unterstützung des Hannoveraner Klubchefs Martin Kind für seinen Trainer Mirko Slomka hört sich zum Beispiel so an: Das Vertrauen in Slomka sei noch vorhanden, so Kind, "aber die Niederlage in Freiburg und Slomkas Versprechungen, er würde es in den Griff kriegen, machen mich nachdenklich". Zum Ex-Bremer Thomas Schaaf gab es offenbar bereits Kontakt, der sagte jedoch ab. Vor Weihnachten werde keine Entscheidung mehr fallen, so Kind deshalb, aber er habe den Sportdirektor Dufner "gebeten, Namen und Profile von anderen Trainer aufzuschreiben, wir beschäftigen uns natürlich jetzt auch mit dem Markt". Er schließe "eine Trennung nicht aus, im Moment würde ich 60:40 sagen".

Trainersuche in der Bundesliga
:Schaaf sagt Hannover 96 ab

Überall, wo derzeit ein Trainerposten vakant scheint, wird Thomas Schaaf gehandelt. Neuer Coach in Hannover will der Ex-Bremer jedoch nicht werden: Laut 96-Präsident Martin Kind hat Schaaf bereits abgesagt.

Für Slomka enthalten diese Sätze eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte: Er ist zu 60 Prozent entlassen. Die gute: Er kann zu 40 Prozent beruhigt in den Weihnachtsurlaub gehen.

Ob es dem Kollegen Jens Keller besser geht, ist Geschmackssache. Er hat die Vertrauensfrage zwar überstanden, sein Arbeitgeber Schalke 04 gab vor Heiligabend via Twitter bekannt, man werde es "mit Jens Keller mit Beginn der Rückrundenvorbereitung konsequent anpacken". Flankiert wurde dieser sog. Vertrauensbeweis aber mit ein paar Sätzen vom Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, die sich Keller eher nicht in die Bewerbungsmappe heften sollte. In einer "Positiv-Negativ-Analyse" seien alle Themen "konstruktiv-offen besprochen worden", so Tönnies, es sei "klar festgehalten worden, was es zu verbessern gelte". Die Unterredung sei "vernünftig, sachlich und kritisch beleuchtend" gewesen, "ab sofort werden die Dinge umgesetzt".

Das ist vielleicht das Schlimmste für die Trainer: dass sie diese Politfloskeln ertragen müssen, von "zeitnahen, ergebnisoffenen Analysen" und "nachhaltigen Gesprächen". Meistens bedeutet das nichts anderes, als dass sie ergebnisoffen gewinnen müssen, weil sie sonst nachhaltig rausgeschmissen werden.

Und wenn sie dann doch bleiben dürfen wie jetzt in Schalke, dann hören sie den Aufsichtsratschef später sagen: "Wir wollen Kontinuität." Sie hören ihn nicht sagen: "Wir wollen Jens Keller."

Natürlich unterscheiden sich die Trainergeschichten aus Hannover und Schalke in ihren Motiven und in ihrer Fallhöhe; in Hannover geht es um einen Trainer, der schon mal fast beim FC Bayern war und der nicht ernsthaft dementieren kann, dass er sich auch die Nationalmannschaft zutrauen würde; in Schalke geht es um einen Trainer, dem sie vom ersten Tag an weniger zugetraut haben, als man einem Schalker Cheftrainer eigentlich zutrauen sollte. Eines haben beide Trainergeschichten aber gemeinsam, es ist etwas, was tief in die Liga hinein weist: Dass die Klubs die Entlassungen abgesagt oder vertagt haben, hat auch damit zu tun, dass sie nicht genau wissen, wer es sonst machen sollte.

Das allein wäre noch keine neue Erkenntnis. Im Winter quälen sich die Klubs ja traditionell bei der Trainersuche, weil der Trainermarkt im Winter so leer ist wie ein Christbaumverkauf nach Weihnachten. Die neue Erkenntnis ist aber, dass in diesem Winter auf einmal eine ganze Reihe luxuriöser Modelle herumstehen. Und dass sie trotzdem keiner haben will.

Elf des Spieltags
:Aus der Kurve ins Tor und zurück

Der 18-jährige Marius Gersbeck steht plötzlich nicht mehr im Hertha-Fanblock, sondern sichert einen Sieg in Dortmund. Jürgen Klopps Mannschaft beendet das Jahr so katastrophal, dass nur Vorfreude auf 2014 bleibt. Und "Fips" bejubelt im fernen Marokko die Bundesliga-Ergebnisse. Die Elf des Spieltags.

"Ganz ehrlich", hat jüngst ein Ligamanager gesagt, es gebe gerade namhafte Trainer, die zu haben seien, aber ob er wirklich einen davon holen solle? Tatsächlich ist die Warteschlange prominent besetzt wie selten: Babbel. Labbadia. Fink. Stanislawski. Schaaf. Büskens. Meier. Kurz. Wiesinger. Frontzeck. Sie haben alle schon ihre Erfolge gehabt, aber mit wenigen Ausnahmen (Wiesinger) hatten sie auch schon so viele Chancen, dass die Manager ihnen im Moment offenbar keine weitere geben wollen. Als der VfB Stuttgart einen Trainer suchte, fand er ihn in der hauseigenen B-Jugend (Thomas Schneider); als der 1. FC Nürnberg einen Trainer suchte, wurde er nach gründlicher Fahndung im nahen Ausland fündig (Gertjan Verbeek/Niederlande).

Selten war so anschaulich zu erkennen, dass Trainer, die nie ein Länderspiel bestritten haben, das Anforderungsprofil verändert haben. Die Klubs orientieren sich an so unterschiedlichen Charakteren wie Jürgen Klopp, Thomas Tuchel, Christian Streich und inzwischen auch Markus Weinzierl, Jos Luhukay oder Markus Gisdol. Wenn schon keinen Guardiola, dann wollen sie alle zumindest so einen haben: einen Trainer, der im Idealfall einen akademischen Zugang zum Spiel mit (leiserem oder lauterem) Temperament vereint, der schon mal ein Nachwuchsinternat betreten hat, vielleicht mit einer Jugendelf deutscher Meister oder wenigstens schon mal in Mainz war.

Auch Holländer und Alpenländer (wie Kölns Österreicher Peter Stöger) werden zurzeit gern genommen; sie können so was Ähnliches wie Deutsch, vor allem aber gelten sie als unverbraucht. Sie tragen keinen "Frisch entlassen"-Stempel auf der Stirn, jedenfalls keinen aus der Bundesliga - was sie in den Augen der Manager attraktiver macht als jene Jungs, die sich in der Warteschlange mit Witzeleien über ihre Abfindungen die Zeit vertreiben.

Was dieser Trend für Hannover und Schalke bedeutet? Beiden wird eine Sympathie für den Warteschlangensteher Schaaf nachgesagt, beide prüfen aber auch die trendige Variante; in Hannover beobachten sie offenbar das Paderborner Trainertalent André Breitenreiter, Schalke wird Interesse an Streich und Tuchel unterstellt. Natürlich nur für den Fall, dass Jens Keller in der Positiv-Negativ-Analyse nicht doch noch nachhaltig überzeugt und ergebnisoffen einen neuen Vertrag unterschreibt.

© SZ vom 24.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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