Fußball-Bundesliga:Laute Pfiffe gegen den BVB

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Mit Pfiffen bedacht: die Dortmunder Spieler nach dem 1:1 gegen Augsburg. (Foto: dpa)
  • Das kümmerliche 1:1 gegen Augsburg frustriert den BVB.
  • In der Tabelle sind Bayern und Leipzig längst enteilt.
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Von Felix Meininghaus, Dortmund

Bei Borussia Dortmund hatten sie alles dafür getan, um die Fans in vorweihnachtliche Stimmung zu versetzen: Kurz vor dem Anpfiff des letzten Auftritts des Jahres 2016 inszenierte der Klub die Vertragsverlängerung des angeblich von Real Madrid (und anderen europäischen Schwergewichten) umworbenen Julian Weigl mit großem Brimborium: Der Nationalspieler verkündete von der Videoleinwand, wie sehr er sich freue, bis 2021 in Schwarz-Gelb antreten zu dürfen. Das Volk jubelte, doch so erhaben sollte die Stimmung nicht bleiben.

Dafür war das 1:1 (0:1) gegen den FC Augsburg viel zu dürftig, der Auftritt vor mehr als 80 000 Besuchern viel zu trist. Das Unentschieden sorgte für Frust, weil die Borussia auf der Stelle tritt. Laute, deutlich vernehmbare Pfiffe nach dem Schlusspfiff, das hat es im größten Stadion der Republik schon lange nicht mehr gegeben. Schließlich sind sie in Dortmund erfolgsverwöhnt, im ganzen Jahr 2016 hat es in wettbewerbsübergreifend 25 Partien vor heimischer Kulisse keine einzige Niederlage gegeben. Das ist ein beeindruckendes Arbeitszeugnis, das es in der 107-jährigen Vereinsgeschichte noch nicht gegeben hat.

Tuchel fehlten "Biss, Struktur, Energie"

Solche Zahlen bedeuten jedoch noch lange nicht, dass alles in Ordnung. Im Gegenteil: Vier Unentschieden in Serie reichen bei weitem nicht, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Die führenden Teams aus Leipzig und München sind so weit enteilt, dass sie nur noch mit dem Fernglas auszumachen sind. Zum gleichen Zeitpunkt der letzten Saison hatte der BVB elf Pluspunkte mehr gesammelt, die nun fehlen, um ganz vorne mitzumischen. Trainer Thomas Tuchel sprach von einer "Ausbeute, die dazu einlädt, enttäuscht zu sein".

Es gelingt dem runderneuerten Ensemble einfach nicht, sein üppig vorhandenes Potenzial mit Konstanz und Souveränität auf den Platz zu bringen. Tuchel vergleicht die Auftritte seiner Mannschaft mit einer sich ständig wiederholenden Wellenbewegung, die 90 Minuten gegen biedere Augsburger verdeutlichten ziemlich genau, was der 43-Jährige meint: "Wir zeigen immer wieder, was wir wollen", sagte Tuchel: "Biss, Struktur, Energie, aber in der deutlichen Mehrzahl der Spiele haben wir Phasen, in denen wir genau das vermissen lassen." Das führt dazu, dass die Geduld des ehrgeizigen Schwaben immer wieder so arg strapaziert wird, dass es kaum auszuhalten ist.

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Julian Weigl sprach davon, man habe sich vom tiefstehenden Gegner "einschläfern lassen". Die größte Dortmunder Baustelle ist zweifellos die Hintermannschaft, die sich mit teilweise hanebüchenen Fehlern immer wieder in die Bredouille bringt. Sage und schreibe sieben Mal in Serie mussten die Dortmunder in den vergangenen Wochen einem 0:1-Rückstand hinterherlaufen, auch gegen den FC Augsburg, für den Dong-Won Ji (33.) traf. So waren sie gezwungen, viel Energie aufzuwenden, anstatt sich darauf besinnen zu können, ihr eigenes Spiel zu entwickeln.

Ein Beispiel für all die Unpässlichkeiten ist Marc Bartra. Der mit vielen Hoffnungen vom FC Barcelona verpflichtete Spanier irrlichtete beim Augsburger Führungstreffer so planlos über den Rasen, dass ihn sein Trainer in der Halbzeit erlöste. Tuchel spricht von einem "Anpassungsprozess", der 25-Jährige sei "die Intensität, die in der Bundesliga in Training und Spiel gefordert wird, nicht gewohnt". Dazu kämen Sprachprobleme.

Doch auch im Spiel nach vorn läuft nicht alles rund, obwohl der BVB in der Offensive mit so viel Talent gesegnet ist wie kaum ein anderer Verein in Europa. Aber es gelingt längst nicht immer, das üppig vorhandene Potenzial auf den Rasen zu bringen, weil sich die jungen Spieler oftmals selbst im Weg stehen. Auch das, was im Spiel nach vorne fehlt, wurde gegen Augsburg exemplarisch vorgeführt: Dortmund hatte zwar gut 70 Prozent Ballbesitz, doch was nutzt das, wenn das Aufbauspiel so schlampig ist, dass es viel zu selten gelingt, die technische Klasse und das raketenartige Tempo zu inszenieren, mit dem die Borussia jeden Gegner aushebeln kann? Nur Ousmane Dembélé traf gegen Augsburg kurz nach der Halbzeit (47.) immerhin zum Ausgleich.

Auch Götze und Schürrle enttäuschen

Vor allem Mario Götze und André Schürrle sind in der Vorrunde deutlich hinter den Erwartungen geblieben. Dabei sollten die beiden Königstransfers, die für weit mehr als 50 Millionen (26 Millionen Götze, 30 Millionen Schürrle) verpflichtet wurden, dem Dortmunder Spiel die Impulse verleihen, die den Unterschied ausmachen. Doch die genialen Momente, die sie sich in Dortmund von den beiden Protagonisten, die 2014 gemeinsam das WM-Finale von Rio entschieden, erhofft haben, sind bislang ausgeblieben. Götze und Schürrle waren in der Hinrunde nicht mehr als ein Versprechen, das noch nicht eingelöst worden ist.

Insofern stehen sie beispielhaft für eine Mannschaft, die auf der Suche nach sich selbst ist. Borussia Dortmund bleibt - neben RB Leipzig - das spannendste Projekt, das die Bundesliga derzeit zu bieten hat. Mit allen Möglichkeiten, aber auch mit allen Unwägbarkeiten. "Wir brauchen Konstanz und Ausstrahlung", sagte Tuchel, bevor er sich in die Winterpause verabschiedete: "Wir werden nicht locker lassen, daran zu arbeiten. Wir haben eine große, große Aufgabe vor uns."

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