Früherer FC-Bayern-Trainer:Trapattoni wird melancholisch

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Ein zuckersüßes Lächeln und viele Anekdoten: Giovanni Trapattoni, 77, hat ein Buch schreiben lassen. (Foto: imago)

Der frühere Trainer des FC Bayern stellt in München seine Biografie vor: Dabei geht es kurz um seine berühmte Wutrede, vor allem aber um die komplizierte Sprache des Fußballs.

Von Sebastian Fischer

Wenn er diesen einen Namen sagt, klingt er immer noch genau wie früher. Niemand kann ihn so sagen wie er, der Zischlaut, ein hartes "T", ein weich gerolltes "R", ein langes "U". "Struuunz", sagt Giovanni Trapattoni, "war immer verletzt." Dann lächelt er ein zuckersüßes Lächeln.

Donnerstagmittag, ein Hotel in München, der Maestro ist mal wieder zu Besuch. Die weißen Haare sind elegant gescheitelt, er trägt einen Maßanzug zum rot-weißen Hemd. Seine Augen sehen müde aus, doch beim Reden werden sie wach. Trapattoni soll über das Buch sprechen, das er gemeinsam mit einem italienischen Journalisten über sein Leben geschrieben hat. "Ich habe noch nicht fertig" heißt die deutsche Version, obwohl nur ein paar Sätze von seiner berühmten Wutrede 1998 handeln, in der er Thomas Strunz vorwarf, immer verletzt zu sein und "schwach wie eine Flasche leer" zu spielen. Die Rede, verrät er im Buch, war nicht spontan, sondern genau so geplant.

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Trapattoni, 77, ist einer der erfolgreichsten Trainer der Fußballgeschichte, mit dem FC Bayern gewann er Meisterschaft und Pokal, doch in Deutschland ist seine Rhetorik bekannter als jeder seiner Titel. Und deshalb geht es bei seinem Besuch am Donnerstag vor allem um die besondere, manchmal wunderbare Beziehung zwischen Fußball und Sprache.

Trapattonis Kenntnis des Deutschen ist verblasst, er antwortet auf Italienisch mit Dolmetscherin, nur ein paar Sätze auf Deutsch. Damals, 1998, verstanden ihn seine Spieler nicht immer. Doch wie wenige andere Trainer beherrschte er die universelle Sprache des Fußballs.

Von all den Anekdoten, die er in all den Jahren gesammelt und in seinem Buch aufgeschrieben hat, klingt eine besonders schön. Sie handelt vom Sommer 2000, Deutschland blamierte sich bei der Europameisterschaft, und Deutschland wollte ihn, Trapattoni, als neuen Trainer der Nationalmannschaft, so steht es auf Seite 219: "Die Ersten, die auf mich zukamen, waren wieder die Deutschen."

Was es denn mit dieser Geschichte auf sich habe, wird Trapattoni gefragt. Er hat seine Handflächen beim Reden stets nach oben gedreht, die Finger gespreizt vor seiner Brust wie ein Kellner, der ein edles Tablett vor sich herträgt. Doch jetzt wedelt er mit dem Zeigefinger. Ein Angebot, Bundestrainer zu werden? "Stimmt nikt", sagt Trapattoni auf Deutsch, es sei nur ein unverbindliches Gespräch am Telefon gewesen.

Fußball und Sprache: Es ist eben manchmal kompliziert.

Trapattonis Münchner Geschichten sind keine 20 Jahre her, doch sie klingen wie Erzählungen aus einer längst überholten Zeit. Sie handeln von Mario Basler, der vom Feiern in Nachtklubs müde trainiert, oder von Franz Beckenbauer, der den Vertrag mit Trapattoni bei "diversen Halben" verhandelt. München war für ihn, der zuvor mit Juventus Turin und Inter Mailand gewonnen hatte, was es zu gewinnen gab, das Tor zur Welt, seine erste Station im Ausland. Danach trainierte er die italienische Nationalmannschaft, Benfica Lissabon, Stuttgart, Salzburg. Doch irgendwann auf seiner Reise durch Europa klang die Fußballsprache für ihn nicht mehr vertraut. Als irischer Nationaltrainer akzeptierte er 2013 seine Vertragsauflösung, als er die WM-Qualifikation verpasste.

Der Fußball ist anders heute, nicht mehr das Spiel, das Trapattoni kennenlernte, kannte und lehrte. "Die Kommunikation vereint die Spielarten, die Konzepte. Es gibt nicht wie früher einen deutschen Fußball oder einen Fußball des Ostens. Es gibt nichts mehr zu verbergen und nichts mehr zu entdecken", sagt Trapattoni; er sagt es mit dem romantischen Blick eines Melancholikers, der gerade das Entdecken am Fußball liebte.

In München ist jetzt wieder ein Italiener Trainer; einer, der bislang für seine Titel bekannt ist, nicht für seine lustigen Worte. Carlo Ancelotti, sagt Trapattoni, "weiß genau, was dem FC Bayern guttut". Ein Rat noch: "Carlo, mach weiter so." Dann muss er weiter, fast zwei Stunden hat er gesprochen, fährt zur Säbener Straße, um Ancelotti zu besuchen. Am Freitagmorgen fliegt er zurück nach Mailand.

Und dann? Hat er wirklich noch nicht fertig, wie ja das Buch verspricht? Zwei Angebote aus Afrika habe er abgelehnt, zu gefährlich, das wollte auch seine Frau Paola nicht. Doch er habe noch Ziele, fühle sich nicht alt. Er sei noch immer Trainer, sagt er. Dann lächelt er wieder sein zuckersüßes Lächeln und wiederholt einen Halbsatz aus seiner Rede von damals, 1998. Giovanni Trapattoni, ein Trainer, "nicht ein Idiot".

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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