Freiburg vorm Europa-League-Auftakt:Verunsichert in die Prüfung

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Fallou Diagne (l.): jongliert den Ball so hübsch wie man es noch aus der vorigen Saison von den Freiburgern gewohnt war (Foto: Christof Koepsel/Getty)

Der SC Freiburg darf nach Jahren der Abstinenz wieder in der Europa League antreten. Vom Auftakt gegen Liberec erhofft sich die Mannschaft ein Spiel, das ihr auch für die Bundesliga weiterhilft - nach schmerzhaften Weggängen muss sich das Team erst noch finden.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Die Infrastruktur entspricht jetzt den strengen Uefa-Normen. Aus 10 000 Stehplätzen haben fleißige Hände in den vergangenen Tagen 4000 Sitzplätze gezaubert, Plastikschalen wurden an-, Wellenbrecher abgeschraubt. Eine sechsstellige Summe soll der Umbau im nun auf 18 000 Plätze geschrumpften Stadion kosten. Dass der Platz "eindeutig abschüssig" ist, wie der Mainzer Nicolai Müller jüngst feststellte, hat aber niemand moniert.

Während im Stadion des SC Freiburg also die letzten Schönheitsoperationen für den Start in die Europa League vollzogen wurden, riskierte Oliver Baumann bei einer Pressekonferenz schon mal ein paar forsche Töne: "Ich denke, dass man uns schon als Favorit in der Gruppe H sehen kann", sagte der Torwart. Dort spielen außer Slovan Liberec, dem Auftaktgegner am Donnerstag, noch der FC Sevilla und GD Estoril Praia aus Portugal. Torwart Baumann ist sowieso der Meinung, dass "man sich um den SC keine Sorgen machen muss".

Diesen Satz hat er allerdings am Samstag gesagt, nachdem sein Team in der Bundesliga verdientermaßen 1:2 in Augsburg verloren hatte. Zwei Punkte aus vier Spielen bedeuten den vorletzten Tabellenplatz. Doch die nackten Zahlen sind gar nicht die Hauptsorge der SC-Verantwortlichen, die die Bewertung einer Partie bekanntlich selbst in besseren Zeiten primär von der Spielweise abhängig machen. Doch auch der Blick aufs Spielfeld spendet derzeit wenig Trost.

In der vergangenen Saison glich der SC fehlende individuelle Klasse noch durch seine Spielweise aus: Die Räume waren eng, die Konter schnell, die Laufwege zuweilen wie aus dem Lehrfilm von SC-Dauer-Tribünengast Jogi Löw. Und heuer? Wer die fünf Pflichtspiele inklusive des mühsamen Weiterkommens im DFB-Pokal gegen Neustrelitz beobachtete, sah eine verunsicherte Elf. Die Zugänge blickten zuweilen hilflos zur Trainerbank, Stabilitätsfaktoren wie Kapitän Julian Schuster brachen gleich mit weg.

Das Hauptproblem scheint derzeit in der fehlenden Routine des Teams zu liegen. Manche Spieler, die den Klub zu Saisonbeginn verlassen haben, kannte Trainer Christian Streich von Kindesbeinen an. Sie alle hatten seine Spielphilosophie tief verinnerlicht. "Es wird noch eine Zeit dauern, bis alle Neuen sich an die Automatismen gewöhnt haben", glaubt Streich, an dem die vergangenen Wochen nicht spurlos vorübergegangen sind.

In Augsburg sah man einen Mann, der sich erkennbar zusammenreißen musste, um die Fragen der Journalisten zu beantworten. Dass er von einigen fernen Beobachtern offenbar als Sprücheklopfer und Dauer-Pointenlieferant gesehen wird, hat Streich schon immer überrascht. Nun scheint er regelrecht unter den SC-Pressekonferenzen zu leiden. Auch weil er findet, dass jeder Gedanke über die Außendarstellung ablenkt von dem, was er für vordringlich hält - das Feilen an einem Kader, dem auch Sportdirektor Klemens Hartenbach durchaus etwas zutraut: "Wir sind sicher, dass wir eine Mannschaft haben, die in ein paar Wochen auch wieder positiv überrascht. Wir müssen nur schauen, dass bis dahin der Abstand zu den Konkurrenten nicht zu groß wird." Auf der Basis einer "soliden Grundordnung" sollen nach und nach die "Automatismen greifen", die den SC im Sommer auf Platz fünf landen ließen: "Gegen Liberec sollten wir jetzt ein Spiel zeigen, das uns für die Bundesliga Selbstvertrauen gibt."

Zumindest in der Defensive stimmt die Statik schon, Fortschritte im Vergleich zu den ersten Saisonspielen sind nicht zu übersehen. Und beim Einüben des laufintensiven Freiburger Spiels kommen nun selbst Zugänge mit, die im Trainingslager schon nach der Vormittagseinheit zu kollabieren drohten. Spieler wie Admir Mehmedi, Mike Hanke oder Gelson Fernandes haben sowieso schon gezeigt, dass sie gute Käufe waren.

Und dann wäre da noch der 14-malige tschechische Nationalspieler Vladimir Darida, der bisher wegen leichter Blessuren geschont werden musste. Von dem offensiven Mittelfeldmann, der als "kreativ", "torgefährlich" oder einfach gleich als "Granate" gepriesen wird, erhofft sich der Verein einiges. Er ist der lebende Beweis, dass so eine Europa-League-Teilnahme doch auch etwas für sich hat. Es ist schließlich noch gar nicht lange her, da galt ein Transfer in Freiburg als unerschwinglich, wenn mehr als 200 000 Euro aufgerufen wurden. Darida soll vier Millionen Euro gekostet haben.

© SZ vom 19.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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