Wimbledon:Kerber ist kein One-Hit-Wonder mehr

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Ist jetzt wieder die Nummer zwei der Weltrangliste: Angelique Kerber. (Foto: Getty Images)

Die deutsche Tennisspielerin geht souverän mit ihrer Niederlage gegen Serena Williams im Wimbledon-Finale um. Denn sie weiß: "Ich bin jetzt wirklich angekommen."

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Die Minuten verrannen, diese eine Tür wollte und wollte nicht aufgehen, durch die die wichtigen Spielerinnen und Spieler stets kommen, wenn es etwas zu bereden gibt. Um 16.15 Uhr war eine deutsche Teilnehmerin als Gesprächspartnerin im "Main Interview Room" angekündigt, und nachdem sie zuvor mit leicht geröteten Augen den Centre Court im All England Club verlassen hatte, tauchte kurz die Befürchtung auf, dieses Match könnte doch ein paar tiefere Wunden hinterlassen haben.

Aber schon in dem Moment, als Angelique Kerber durch die ihr dann aufgehaltene Schwingtür trat, war klar: Sie sah sehr aufgeräumt aus, gefasst. Alles war nicht sehr gut. Aber gut.

Am Ende dieses Frauenfinales von Wimbledon wurde es nicht die ganz große deutsche Jubelgeschichte, aber auch die nur geringfügig kleinere verschaffte Kerber inneren Frieden. Die 28-Jährige, die im Januar ihr erstes Grand-Slam-Endspiel in Melbourne bei den Australian Open tatsächlich gleich gewonnen hatte, indem sie die Weltbeste - Serena Williams aus den USA - im dritten Satz mit Mut und taktischem Geschick ausmanövriert hatte, konnte diesmal ihre Niederlage verstehen. Das machte dieses 5:7, 3:6 in 1:21 Stunden gegen dieselbe Gegnerin auch erträglicher.

Wimbledon
:Wie Serena Williams mit Steffi Graf gleichzog

Gegen den wuchtigen Aufschlag der US-Amerikanerin findet Angelique Kerber im Wimbledon-Finale keine Antwort. Und plötzlich geht dann alles sehr schnell.

Nur einen Breakball lässt Williams zu - dann schlägt sie ein Ass

"Ich habe das Match nicht verloren, sie hat es gewonnen", sagte Kerber, die die erste deutsche Siegerin seit Steffi Graf in Wimbledon hätte sein können. Die 22-malige Grand-Slam-Gewinnerin hatte vor 20 Jahren ihren letzten ihrer sieben Titel in Wimbledon errungen. Williams zog ihrerseits mit der heute 47-Jährigen gleich: Nach zwei verlorenen Finals in Melbourne und Paris hatte es endlich für die 34-Jährige geklappt.

"Am Ende war es der Aufschlag, der der beste Aufschlag der Welt ist", so sah sie den feinen, kleinen Unterschied zu Williams. 13 Asse hatte diese geschlagen, überdies bei 43 ersten Aufschlägen 38 Mal den Punkt gemacht. Eine Szene im zweiten Satz zeigte anschaulich, wie machtlos in diesem hochklassigen und lange ebenbürtigen Finale Kerber letztlich doch war. Bei 3:3 und 30:40, Aufschlag Williams, hatte die Kielerin ihren ersten und einzigen Breakball.

Aber Williams donnerte den Ball unerreichbar in die rechte Ecke des Aufschlagfeldes. Und ließ gleich noch ein Ass folgen. Ein Raunen ging durch das Stadion. "Wenn das Spiel ohne Aufschlag stattgefunden hätte, wäre es vielleicht anders ausgegangen", erkannte Kerber. Sie lächelte. Denn es lag eben eine Erkenntnis in dieser Feststellung, die sie beruhigte, die sie auch "stolz" machte, wie sie zugab: Sie ist ja auf Augenhöhe der Weltbesten begegnet, die im Gegensatz etwa zu Melbourne diesmal ihre bekannte Stärke ausnutzen konnte.

An der Richtigkeit der Siegerin gab es keinen Zweifel. Und dennoch ist Kerber eine Siegerin - nicht zuletzt über sich selbst. 2011, nach einer Erstrunden-Niederlage gegen die Engländerin Laura Robson, hatte Kerber, gefrustet von der stagnierenden Karriere, tatsächlich den Schläger einige Wochen weggelegt. "Hier wäre fast alles zerbrochen", bekannte sie nun. Was ihr Wimbledon nahm, hat ihr Wimbledon wieder gegeben.

In der Weltrangliste wieder Zweite

"Ich bin jetzt wirklich angekommen", hielt Kerber fest. Nein, sie ist kein One-Hit-Wonder mehr, was ihr nach dem Coup von Australien von Schwarzmalern prophezeit wurde. "Ich weiß, dass ich nicht umsonst da oben stehe", sagte sie. Kerber rückt nun in der Weltrangliste wieder auf den zweiten Platz vor, den sie nach Melbourne schon inne hatte. Es wirkte in jedem Fall angemessen, dass Kerber die Hoffnung aussprach, sie wolle "noch einige Grand-Slam-Finals" erreichen.

Sie wisse für sich, wie sie nun mit Druck umgehen müsse, dieser Samstag hatte ihr ja gezeigt, dass sie sehr viel richtig gemacht hatte in der Herangehensweise in ein Finale, das sporthistorisch aufgeladen war. Kerber wäre erst die dritte Deutsche nach Cilly Aussem (ein Titel) und Graf (sieben) gewesen, die in Wimbledon siegte. Sie hat solche Gedanken weggeschoben, sie gab zu, dass sie "nicht kompliziert" denken wollte. Das wiederum zeigte, dass Kerber einfach vor allem eine professionelle Sportlerin ist, die weiß, was sie für den Erfolg tun muss.

Kerber, die lange etwas unterging in Tennis-Deutschland, obwohl sie vier Jahre lang Mitglied in den Top Ten war, verlässt London mit einem sehr beruhigenden Gefühl: "Für mich ist es wichtig, dass ich weiß, das ist mein Weg. Und den werde ich jetzt auch genauso weitergehen."

© SZ vom 10.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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