Formel 1:Vettel gegen Mercedes, Teil zwei

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Wenige Wochen vor dem Saisonstart ist das Duell zwischen Mercedes und Ferrari schon entbrannt. Die Roten wollen eine Tragödie verhindern.

Von René Hofmann, München

Es kann Zufall sein. Aber derlei Zufälle sind in der Formel 1 äußerst selten. Das Datum, an dem Ferrari das neue Auto für Sebastian Vettel präsentieren würde, war lange bekannt. Kaum waren am 19. Februar die ersten Bilder des SF16-H und die dazugehörigen Einschätzungen des viermaligen Weltmeisters Vettel ("das Auto ist sehr schön") um die Welt gegangen, meldete sich die Konkurrenz zu Wort. Mercedes tat stolz kund: Sein neues Formel-1-Modell, der F1 W07 Hybrid, habe am Morgen bereits die erste Ausfahrt unternommen. Nico Rosberg und Lewis Hamilton hätten zusammen bereits 98,2 Kilometer absolviert. Ätsch, schon da! Die Botschaft erinnerte an die Geschichte vom Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel.

Mercedes gegen Ferrari: Auf diesen Zweikampf läuft die Formel-1-Saison 2016 hinaus. Das erste Rennen wird am 20. März in Melbourne gestartet. Das große Gegeneinander aber beginnt nicht erst mit dem ersten Großen Preis. Das Duell ist bereits voll entbrannt. Und den Ton geben die beiden obersten Konzern-Lenker vor, Fiat-Chef Sergio Marchionne, 63, und Daimler-Boss Dieter Zetsche, 62. In der Gazzetta dello Sport gab erst der eine eine Erklärung zur anstehenden Saison ab, dann der andere. "Wir müssen vom ersten Rennen an siegfähig sein", fordert Marchionne, "Siege sind für Ferrari ganz elementar". 2017 wäre das Team seit zehn Jahren ohne Fahrer-Titel. Das wäre "eine Tragödie", findet Marchionne.

Wirklich freundschaftlich wird der Titelkampf nicht ablaufen

Viel höher lässt sich die Erwartungshaltung kaum schrauben. Vordergründig ganz Sportsmann wünscht Zetsche sich, "dass es zu einem starken Duell kommen wird: Ein Kampf zwischen unseren Marken wäre für den Erfolg der Formel 1 ideal". Aber so harmonisch, wie das klingt, geht es nicht immer zu. Bereits zum Jahreswechsel hatte Marchionne durchblicken lassen, dass er bei Begegnungen an der Rennstrecke mit Zetsche zuletzt durchaus "etwas Arroganz" gespürt habe. Jede Wette: Wirklich freundschaftlich wird der Kampf um die Krone nicht laufen. Dafür geht es um zu viel.

Mercedes strebt den dritten Titel in Serie an. Die Firma hat lange gewartet und viel investiert, um an die Spitze zu kommen. Die Mannschaftsführer Toto Wolff und Niki Lauda können sich sicher sein, dass sich ihr Rennstall in Top-Form befindet. Beide sind erfahren genug, um zu wissen: Ewig lässt sich eine solche Form nicht konservieren. Lewis Hamilton, 31, und Nico Rosberg, 30, befinden sich auf dem Zenit ihrer Rennfahrerkunst. Das Binnenverhältnis zwischen dem Briten und dem Deutschen ist kompliziert. Jede Kleinigkeit kann das mühevoll ausbalancierte Mobile durcheinanderwirbeln. Und wenn 2017 tatsächlich neue Regeln kommen, könnte es mit der Dominanz vorbei sein.

Bei Ferrari ist die Ausgangslage auf den ersten Blick einfacher: Sebastian Vettel, 28, hat sich mit drei Siegen in seinem ersten Jahr in Rot den Status der Nummer eins erobert. Kimi Räikkönen, 36, fährt quasi auf Bewährung. Sein Kontrakt wurde lediglich um ein Jahr verlängert - und bereits bei der Gelegenheit ließ er im vergangenen Sommer durchblicken: Mit einer Stallorder habe er im Prinzip kein Problem. Für die Jagd auf den Fahrer-Titel kann es ein Vorteil sein, wenn ein Team alles auf einen Fahrer setzt. Für die Jagd auf den Konstrukteurs-Titel aber sind zwei Punktesammler auf Augenhöhe besser. Da lauert Frustpotential. Und nicht nur da.

In der vergangenen Saison ging es bei den Roten zu wie in den Flitterwochen: Alle waren froh, endlich zueinander gefunden zu haben; alle hatten sich lieb. 2016 könnte die Beziehung vor der ersten Bewährungsprobe stehen - wenn die ersten Enttäuschungen kommen. Ende des Jahres werden zwei Drittel der mit Sebastian Vettel zunächst verabredeten Vertragslaufzeit schließlich auch schon wieder vorbei sein.

Rot gegen Silber: Das bedeutet aber nicht nur Lewis Hamilton und Nico Rosberg gegen Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen. Beide Teams haben ihr Gebiet im Winter entscheidend erweitert. Mercedes beliefert den Rennstall Manor mit Motoren und hat dort seinen Zögling Pascal Wehrlein, den amtierenden Meister der DTM, strategisch klug platziert. Der 21-Jährige bleibt formal ein Mercedes-Angestellter, und mit der Aussicht, selbst irgendwann einmal ins Werksteam aufrücken zu können, dürfte klar sein, wo Wehrlein im Falle eines Falles seinen Rennwagen hinlenkt.

Ferrari hat allerdings auch einen Gesandten im Feld platziert. Die Italiener beliefern das neue, in den USA beheimatete Team Haas mit Motoren und anderen wesentlichen Teilen und haben in einem Cockpit einen ihrer bisherigen Markenbotschafter untergebracht, den Mexikaner Esteban Gutiérrez, 24. Auch der zweite Haas-Fahrer, der Franzose Romain Grosjean, 29, hegt noch Hoffnungen, irgendwann bei Ferrari landen zu können. Um die großen Planeten kreisen also einige nicht zu unterschätzende Satelliten.

In der vergangenen Woche fanden die ersten Testfahrten statt. Vier Tage lang ging es in Barcelona rund. Nach dem ersten Vergleich durften sich beide Favoriten als Sieger fühlen: Ferrari, weil Sebastian Vettel an den ersten beiden Tagen der Schnellste war und zum Abschluss Kimi Räikkönen mit der Tagesbestzeit noch einmal ein Ausrufezeichen setzte. Mercedes, weil sein neues Auto lief und lief und lief. Der F1 W07 Hybrid funktionierte so ausdauernd, dass Lewis Hamilton und Nico Rosberg sich am Steuer abwechseln mussten.

An den ersten vier Testtagen hatten die beiden im vergangenen Jahr 2285 Kilometer zurückgelegt. Schon das war ein herausragender Wert gewesen. In diesem Jahr kamen sie auf mehr als 3142 Kilometer. Das sind zehn Renn-Distanzen. "Der beste Test, den ich je erlebt habe", resümierte Lewis Hamilton, der Titelverteidiger.

© SZ vom 28.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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