Formel 1:Valtteri Bottas - angreifen oder zerbrechen

F1 Grand Prix of Mexico

"Ich bin nicht bereit, auf meinem Weg zu stoppen": Valtteri Bottas, hier noch im Dress des Williams-Rennstalls, genießt seinen Auftritt beim Mexiko-Grand-Prix.

(Foto: Clive Mason/AFP)
  • Der Finne Valtteri Bottas übernimmt künftig das Mercedes-Cockpit neben Lewis Hamilton.
  • Der 27-Jährige, vormals bei Williams, gilt als still und schnell.
  • Manch einer seiner Vorgänger ist am Duell mit Lewis Hamilton psychisch fast zerbrochen.

Von Elmar Brümmer

Für Finnen gibt es in der Formel 1 mehrere Möglichkeiten, Profil zu gewinnen. Die einfachste und zugleich schwierigste: Weltmeister werden. Das gelingt ihnen oft im Rallye-Sport, weil die vereisten Straßen daheim das natürliche Trainingsgebiet sind, und auf der Rundstrecke klappt es auch ganz gut. Keke Rosberg hat 1982 als Erster seiner Nation den WM-Pokal gewonnen. Er inszenierte sich als Asphalt-Cowboy, Zigarette im Mundwinkel, den Overall weit offen.

Mika Häkkinen, der Champion von 1998 und '99, war mit seinem schüchternen Lächeln genau der Richtige für eine Charmeoffensive, Arbeitgeber Mercedes machte ihn zur Hauptfigur einer Diesel-Werbekampagne. Kimi Räikkönens Markenzeichen war das Schweigen, und das änderte sich auch nach seinem Zufalls-Titel mit Ferrari 2007 nicht. Den wohlmeinenden Tipp eines Ingenieurs über Boxenfunk konterte er mal mit dem Spruch: "Lass mich in Ruhe. Ich weiß, was ich tue." Den Satz gibt es als Fan-Artikel, gedruckt auf T-Shirts und Kapuzenpullis.

Wo sich Valtteri Bottas einreihen wird, der bei Mercedes der Nachfolger des zurückgetretenen Weltmeisters Nico Rosberg wird, ist noch nicht klar. Seine neun Podiumsplatzierungen für das Williams-Team in 77 Rennen haben dem 27-Jährigen das Lob der Fachwelt eingetragen, ansonsten ist er in nichts auffällig geworden. Höchstens durch die Hochzeit mit Emilia Pikkarainen, einer Olympia-Schwimmerin. Ansonsten entspricht Bottas dem Finnen-Klischee. Er ist still und er ist schnell.

Es könnte trotzdem etwas dauern, bis er sich für Werbefilmchen oder Kapuzenpulli-Aufdrucke aufdrängt. Es sei denn, er schafft auf Anhieb das, was Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff von ihm erwartet: Lewis Hamilton unter Druck zu setzen. So wie ein Silberpfeil-Cockpit der größte Traum in der Formel 1 ist, zumal als Last-Minute-Schnäppchen, so ist es die größte Strafe, den Briten als Teamkollegen zu haben. Nico Rosberg ist fast dran zerbrochen und hatte nach seinem ersten WM-Titel keine Kraft mehr, die Karriere fortzusetzen.

Hamilton hatte bei McLaren-Mercedes bereits einmal einen finnischen Teamkollegen, Heikki Kovalainen. Die Bilanz war vernichtend für den Skandinavier, in den Jahren 2008/2009 gelangen dem Briten der Titelgewinn und sieben Siege, Kovalainen nur ein einziger Sieg. Von Bottas wird erwartet, dass er deutlich mehr Punkte beisteuert, damit Mercedes zum vierten Mal in Serie die Konstrukteurswertung gewinnt. "Ich weiß, dass ich künftig das Auto habe, um siegen zu können", sagt Bottas. Er will sich nicht von vorneherein mit der zweiten Geige zufriedengeben.

Bottas weiß um Risiko und Chance

Neues Team, neue Arbeitsabläufe, neuer Druck. Beim offiziellen Dienstantritt in der Teamzentrale im mittelenglischen Brackley wurde der Rosberg-Erbe am Montagnachmittag mit Applaus empfangen, er war aufgeregt und noch etwas verlegen: "Man weiß erst so richtig, dass man Mercedes-Fahrer ist, wenn man den Vertrag unterschrieben hat." Respekt ist keine so schlechte Ausgangsbasis, er weiß: "Das sind große Fußstapfen, in die ich trete."

Valtteri Bottas weiß um Risiko und Chance, und der Mann mit der Startnummer 77 (Hamilton: 44) dokumentiert diese Bereitschaft seit Weihnachten, als sich sein Wechsel vom Mercedes-Kundenteam Williams in den Werksrennstall abzeichnete, in den sozialen Netzwerken. Die sind bisher eigentlich Hamiltons Territorium. Bottas' Botschaften sind daher auch eine Kampfansage. Zum Beispiel jene regelmäßigen Bilder aus dem Fitnessstudio, an dessen Wand steht: "Ein Sieger ist ein Träumer, der nie aufgegeben hat." Nichts anderes als diesen Traum verfolgt Bottas: erster Grand-Prix-Einzelerfolg, erster Titel. Er hat zunächst ein Rennjahr dafür Zeit. Genug, um sich zu bewähren und zu etablieren. Aber auch genug für den großen Angriff? Es ist das, was Wolff, der Bottas bis zu dessen Wechsel mit seiner Fahreragentur betreut und vermarktet hatte, sich erhofft.

Bottas soll den Rennwagen entwickeln und sich selbst

Bottas, ein feiner Techniker, soll den Rennwagen entwickeln und zugleich sich selbst. Bereit für das Mannschaftsspiel ist er. Sein Grundprinzip lautet: "Das Einzige, was man als Fahrer wirklich beeinflussen kann, ist die eigene Leistung. Kümmere dich darum und gebe alles für den Rennstall, denn allein erreichst du nichts." Bottas sagt, dass er jetzt schnell viel lernen müsse, bis er mit seinen Ingenieuren auf einer Wellenlänge funke. Druck ist bei ihm etwas Hausgemachtes: "Aber ich habe großes Vertrauen in meine Fähigkeiten."

Vor zwei Jahren wurde Bottas bereits als Nebenmann für Sebastian Vettel bei Ferrari gehandelt, doch den Zuschlag erhielt Räikkönen. "Es braucht so viel, um in der Formel 1 Erfolg zu haben", weiß der Mann mit den eisblauen Augen und dem stechenden Blick, "aber ich bin nicht bereit, auf meinem Weg zu stoppen." Er lebt sie vom ersten Tag an, die Rolle als Antreiber.

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