Formel 1:Schumacher wendet sich von Ferrari ab

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Der Formel-1-Rekordsieger beendet nach 14 Jahren die Beziehung mit dem italienischen Team - am Telefon. Montezemolo bestätigt Mercedes-Gerüchte.

René Hofmann

Luca di Montezemolo ist schon lange bei Ferrari. Inzwischen hat er Routine darin, schlechte Nachrichten geschickt zu verpacken. Das erste Formel-1-Rennen, das er für Ferrari besuchte, war 1973 der Große Preis von England. Die Autos, die die Firma nach Silverstone geschickt hatte, waren schlecht. Richtig, richtig schlecht.

Ende einer Partnerschaft: Ferrari-Chef Montezemolo (l.) un Michael Schumacher nach dem Ferrari-Heimrennen in Monza 2006, das Verhältnis ist nun abgekühlt. (Foto: Foto: dpa)

Schon am ersten Trainingstag fuhren sie weit hinterher. Montezemolos Aufgabe war es, das Resultat dem Firmenpatriarchen Enzo Ferrari zu übermitteln. Der damals 25-Jährige rief also den presidente an, und der war maßlos enttäuscht. Ferrari verfügte: "Packt sofort ein und kommt heim!"

Der stolze Italiener wollte nicht, dass die britischen Gegner, die er abschätzig garagisti nannte, seine Autos in einer so jämmerlichen Form sahen. Für Montezemolo aber wäre eine vorzeitige Abreise beim Debüt eine kaum mehr gutzumachende Demütigung gewesen, und so redete er und redete, bis er den Impresario umgestimmt hatte.

Ausgerechnet zu Mercedes!

In dieser Woche muss Montezemolo, inzwischen selbst schon lange Ferrari-Präsident, erneut eine schlechte Nachricht verkünden. Michael Schumacher, der erfolgreichste Fahrer, den Ferrari und die Formel 1 hervorgebracht haben, der bekannteste und lange teuerste Sohn der Familie, wendet sich nach 14 Jahren ab. Schlimmer noch. Er läuft höchstwahrscheinlich zum direkten Rivalen Mercedes über.

"Er hat mir gesagt, dass es eine sehr, sehr große Möglichkeit gibt, dass es so kommt", sagt Montezemolo. Ausgerechnet zu Mercedes! Die Firma und ihre Autos strahlen Kühle aus, Perfektion. Größer könnte der Kontrast kaum sein. Ferrari - das steht für alles andere als Kühle und Perfektion, und hat Schumacher nicht immer gesagt, er fühle sich gerade deshalb in Maranello so wohl?

Auf der Ferrari-Homepage wird er bereits als Verräter beschimpft. In das Bild passt, dass beim neuen Mercedes-Grand-Prix-Team Ross Brawn das Zepter schwingt - noch ein Überläufer. Brawn wirkte bei Ferrari als Technik-Direktor und Chefstratege, als Schumacher von 2000 bis 2004 zu seinen fünf Titeln in Rot raste. Die besten Pferde stellen sich gegen den Stall, in dem sie groß wurden. Seit Dienstag weiß Montezemolo, dass es so kommen wird. Da rief Schumacher ihn an. Nein, es ist wirklich keine gute Nachricht, aber Montezemolo schafft es doch, sie nett zu verpacken. Er schimpft nicht über Schumacher. Stattdessen erzählt er eine Geschichte.

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Ferrari hat als erstes Formel-1-Team sein neues Auto für die kommende Saison vorgestellt. Mit dem F10 will die Scuderia nach einem enttäuschenden Jahr wieder zurück an die Spitze fahren.

Es gebe da einen Rennfahrer. Irrwitzig talentiert, wahnsinnig erfolgreich. 40 oder 41 Jahre sei er nun alt. Ein Deutscher, der lange schon mit Ferrari verbunden sei. Überraschend, wie aus dem Nichts, sei plötzlich dessen Zwillingsbruder aufgetaucht, von dem man nie etwas geahnt habe. Dieser sähe genauso aus, spräche genauso, sei ebenfalls erstaunlich fit und wirke wahnsinnig entschlossen. Aber: Es sei eben bloß der Zwillingsbruder. "Ich bin selbst gespannt, wie es sein wird, wenn ich ihm in echt gegenübertrete", kokettiert Montezemolo.

Ein Zwillingsbruder - die Geschichte ist gut, weil sie viel sagt, ohne die Dinge wirklich auszusprechen. Im August, als Felipe Massa in der Qualifikation zum Großen Preis von Ungarn eine abgerissene Dämpferfeder ein Loch in den Schädel schlug, hatte Montezemolo selbst Schumacher zu einem Comeback-Versuch überredet. Lange hat er dafür nicht gebraucht. Nach fünf Minuten war Schumacher von der Idee begeistert, er trainierte wie selten zuvor, doch Übungsrunden in einem zwei Jahre alten Auto zeigten: Es ging doch nicht. Die Nackenverletzung, die er sich bei einem Motorrad-Sturz zugezogen hatte, war noch nicht vollständig ausgeheilt.

Zweifel am dauerhaften Können

Nach der Absage ließ Montezemolo den Testfahrer Luca Badoer in den Ferrari, später dann Giancarlo Fisichella. Beide bekamen den störrischen Wagen nicht in den Griff. Als Massa so weit genesen war, dass sich abzeichnete, dass er wieder Rennen bestreiten könnte, entschied Montezemolo: Der Brasilianer bekommt 2010 wieder einen Ferrari. Als zweiter Fahrer kam der Spanier Fernando Alonso an Bord. Kimi Räikkönen, dessen Kontrakt noch ein Jahr gültig gewesen wäre, wurde abgefunden. Jetzt ist Schumacher wieder fit. Aber jetzt hat Ferrari keinen Platz mehr für ihn. Dafür Mercedes.

Montezemolo sagt es nicht, aber es ist deutlich zu hören, dass er darüber nicht glücklich ist. Eigentlich schätze er ja Typen, die sich im fortgeschrittenen Alter neue Herausforderungen suchen, sagt der 62-Jährige, aber, was diesen Zwillingsbruder des berühmten Rennfahrers zu einer neuen Karriere treibe, habe er noch nicht ganz verstanden. Ein Comeback für ein paar Rennen wäre perfekt gewesen, aber eine ganze Saison...? Deutlicher lässt sich der Zweifel, ob Schumacher es tatsächlich noch dauerhaft kann, unausgesprochen nicht formulieren.

Im September waren sich die beiden noch einig, Schumachers Vertrag als Ferrari-Botschafter, Berater und Entwickler von Serienfahrzeugen zu verlängern. Und jetzt das. Auf der Rennstrecke endet ein solch abrupter Richtungswechsel im Kiesbett. "Wir haben auch vor ihm gute Autos gebaut", erklärt Montezemolo fast trotzig. Ob er den verlorenen Sohn denn wieder in die Arme schließen würde, wenn seine Sternfahrt fehlschlägt? Die Frage stelle sich nicht, erwidert Montezemolo: "Wir haben den Original-Michael und werden ihn immer behalten. Am Zwillingsbruder haben wir keinerlei Interesse."

© SZ vom 19.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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