Formel 1:Ferraris düstere Zeiten

Lesezeit: 3 min

Zu schwerfälliger Motor: Der Spanier Fernando Alonso in seinem Ferrari. (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty)

Vor dem Heim-Rennen in Monza fürchtet Ferrari die erste sieglose Formel-1-Saison seit 1993. Einzig Fernando Alonso bietet Hoffnung auf gute Resultate - dadurch wächst auch dessen Macht.

Von Elmar Brümmer, Monza

Auf der Einladungsliste von Ferrari für dieses Rennwochenende steht auch ein gewisser Stefano Domenicali. Der Große Preis von Italien, das war jahrzehntelang ein Fixtermin in seinem Kalender. Vermutlich mit Rotstift eingetragen, denn Monza, das ist ein Heimspiel, der große Mythos, Ausnahmezustand für jeden Ferrarista. Domenicali ist seit April Privatier, als er - offiziell aus freien Stücken - seinen Abschied als Teamchef genommen hat.

Deshalb wird er sich das Ganze wohl aus der Ferne angucken, irgendwo. Doch seine Scuderia beschäftigt ihn immer noch: "Dem Team könnte es nicht schaden, die Abgeklärtheit wieder zu finden." Das klingt harmonisch harmlos, ist in der Realität aber wohl eher eine kleine Gemeinheit.

"Es wird ein extrem schwieriges Wochenende"

Die Suche nach einem neuen Erfolgsrezept ist der Job seines Nachfolgers Marco Mattiacci, und der 43-Jährige, gelernter Automobil-Manager und Rennsport-Novize bis vor fünf Monaten, wird an diesem Wochenende erstmals richtig spüren, was ihm Firmenpräsident Luca di Montezemolo da aufgehalst hat. Ferrari hält sich gerade noch so auf Platz drei der Konstrukteurs-WM, Fernando Alonso ist WM-Vierter, Kimi Räikkönen gar nur Zehnter.

Natürlich zählt in Monza nur der Sieg, aber auf der Höchstgeschwindigkeitspiste, auf der die Rennwagen bis zu 360 km/h schnell werden können, könnte sich der zu schwerfällige Motor im Heck besonders nachteilig auswirken. "Es wird ein extrem schwieriges Wochenende", sagt Mattiacci. Die Saison, die die erste seit 1993 ohne Ferrari-Sieg werden könnte, hat er prinzipiell schon verloren gegeben. Er kämpft für ein Erfolgsteam der nahen Zukunft und drückt seine Mission poetisch aus: "Ferrari aus der Dunkelheit führen." Die letzten WM-Titel liegen sechs bzw. sieben Jahre zurück.

Zur Linderung hat der neue Teamchef einen Drei-Jahres-Plan ausgerufen, verspricht komplett veränderte Strukturen, und alle Kritiker an der langfristigen Planung belehrt er schon vorab: "Die Formel 1 ist nicht wie der Fußball, wo man schnell zwei Spieler und den Trainer austauscht und alles läuft besser."

Rosberg und Hamilton in der Formel 1
:Beste Feinde

Zu Saisonbeginn gaben sich Lewis Hamilton und Nico Rosberg noch als Freunde. Nach dem Crash beim Großen Preis von Belgien bezichtigen sich die Mercedes-Titelkandidaten nun wechselseitig der Kopflosigkeit, Unzurechnungsfähigkeit - und der Lüge.

Von René Hofmann

Immerhin hat er schon den unglücklichen Motorenchef Luca Marmorini geschasst, aber momentan geht es eher darum, seinen Paradefahrer Fernando Alonso zu halten. Sonst müsste er sich auf dem Fahrermarkt auch noch völlig neu orientieren - und in der Kategorie, in der der Spanier fährt, könnten in naher Zukunft höchstens Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton die Lücke schließen.

Das weiß Alonso natürlich, weshalb er sich immer noch ein Hintertürchen aufhält, wenn er bekräftigt, bei Ferrari zu bleiben ("ich will so viele Jahre wie notwendig weitermachen"). Sein Glaubensbekenntnis versieht er stets mit der Einschränkung "momentan". Eine angebliche Ausstiegsklausel Alonsos, falls dieser zum 1. September 25 Punkte hinter dem WM-Führenden liegen würde (tatsächlich ist es gerade das Vierfache!), wurde flugs dementiert. Dennoch sind die Gerüchte um den 33-Jährigen ein Signal an die Ferrari-Führung, ihm entweder noch mehr Geld oder noch mehr Macht zu geben.

Diese Art Poker beherrscht, wer durch die harte Schule bei Flavio Briatore gegangen ist. Für Monza sei keine Ankündigung vorgesehen, behauptet Mattiacci, der Fahrer aber bestätigt zumindest mal Verhandlungen. Ein Rentenvertrag für Alonso über 2016 hinaus wäre eine gute Nachricht, die er und die große Ferrari-Anhängerschaft gerade besonders gut gebrauchen könnten. Das dürfte allerdings eine Stange mehr Geld kosten, denn McLaren soll Alonso angeblich 32 Millionen Dollar für einen Wechsel geboten haben.

Heimlicher Teamchef in Maranello

Der Spanier gibt zumindest zu, dass ihn das Interesse anderer Top-Teams "stolz" mache, und die Zahl ist eine gute Verhandlungsbasis, um sein Ferrari-Salär zu verbessern. Was die Pläne für einen runderneuerten Rennwagen für die nächste Saison angeht, weiß der Fahrer aus Erfahrung: "Im Herbst ist jeder optimistisch. Aber alles, was zählt, ist doch, wie gut ein Auto zum Saisonstart dann tatsächlich ist."

Alonso ist momentan die einzig greifbare Hoffnung auf gute Resultate. Für viele ist er deshalb schon jetzt der heimliche Teamchef in Maranello. Die Abhängigkeit von ihm ist besonders groß, weil Partner Kimi Räikkönen in seinem Rückkehrjahr bis auf den vierten Platz zuletzt in Spa nur enttäuscht hat und als unsicherer Kandidat für die Zukunft gilt.

Grundsätzlich ist die erste Aufgabe von Marco Mattiacci aber, die Grüppchenbildung in der Rennfabrik aufzubrechen, die gerade für eine bessere Zukunft umgebaut wird. Einzelne Abteilungen in Maranello haben mehr gegen- als miteinander gearbeitet. "Wir werden danach ein anderes Team sein", sagt Mattiacci über seine Umbaupläne: "Unser Problem sind nicht die neuen Regeln in der Formel 1. Es ist die Zeit, die man benötigt, um eine so große Lücke zu schließen."

© SZ vom 05.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: