Formel 1:"Ferrari ist eine Macht"

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Geradeso rettete sich Sebastian Vettel vor den Silberpfeilen über die Ziellinie. Sein Jubel anschließend ist umso deutlicher. (Foto: Andrej Isakovic/AFP)
  • Sebastian Vettel gewinnt auch den zweiten Grand Prix der Saison und nährt Ferraris Hoffnung auf den ersten WM-Titel seit 2007.
  • Der Heppenheimer profitiert von Strategiefehlern der Konkurrenz, zeigt aber auch seine fahrerische Klasse.
  • Aufgrund eines Boxenunfalls kann Vettel seine Reifen nicht wechseln und fährt 39 Runden auf einem Set.

Von Elmar Brümmer, Sakhir/München

Wenn es um den Sieg geht, darf dafür auch mal gelogen werden in der Formel 1. Wohlwissend, dass der Funkverkehr aus dem Cockpit öffentlich ist und von der Konkurrenz mitgehört werden kann, tönte Sebastian Vettel zehn Runden vor Ende des Großen Preises von Bahrain: "Ich habe alles im Griff!"

Valtteri Bottas, der im Mercedes-Silberpfeil Runde für Runde aufrückende Verfolger, glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Erkannte er doch in jeder Kurve, dass dies nicht der Wahrheit entsprechen konnte. Der "Loria" getaufte Ferrari von Vettel schlingerte verdächtig. "Ich konnte das Auto kaum noch auf der Strecke halten. Wir haben etwas gemacht, was laut den Simulationen gar nicht möglich war", gestand Vettel nach seiner Zieldurchfahrt.

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39 Runden fuhr Vettel auf einem Satz Reifen (Typus weich), während seine Mercedes-Verfolger längst auf der passenderen Mischung (Typus hart) unterwegs waren. Ein, zwei Runden mehr, und der Finne hätte den Spitzenreiter einfach "aufgeschnupft", wie die leichteren Manöver im Motorsport genannt werden. Aber die Runden hatte Mercedes nicht mehr, und damit ergibt sich nach dem zweiten WM-Lauf der Saison ein neues Bild an der Spitze: Rot hat Silber nicht nur eingeholt, sondern vorerst überholt. Das Lob gebührt den Ferrari-Strategen, besonders aber dem Steuermann: Vettel, diesem Reifenflüsterer.

Sieg in Melbourne, Sieg in Bahrain - es ist 14 Jahre her, dass Ferrari ebenfalls mit zwei Triumphen in die WM-Saison starten konnte. Eine Parallele, die den Heppenheimer adelt: Mit seinem 49. Sieg in seinem 200. Formel-1-Rennen brillierte er im forsch-frechen Stil von Ferrari-Heros Michael Schumacher. Motto: Unmögliches möglich machen! Das war wie schon in Melbourne der Schlüssel zum Erfolg. Ähnlich wie beim Strategietrick in Australien konnte die Taktik in Bahrain jedoch nur deshalb aufgehen, weil ausgerechnet der lange Jahre für unfehlbar gehaltene Mercedes-Chefdenker James Vowles samt seinen Mitstreiter sich erneut am Computer verrechnete.

Aus Sorge um die Qualität der Reifen waren Bottas und WM-Titelverteidiger Lewis Hamilton zu lange zu konservative Runden-Sollzeiten vorgegeben worden. Wertvolle Zeit, die am Ende fehlte, als Ferrari sich gegen einen Sicherheitsstopp und für volles Risiko bei Vettel entschied. Hamilton will jetzt trotz einer imposanten Aufholjagd von Startplatz neun auf Finalplatz drei das Gespräch mit den Herrschaften am Mercedes-Kommandostand suchen: "Es geht eng zu, wir müssen bessere Arbeit abliefern. Wir können nicht behaupten, das bessere Auto zu haben. Ferrari ist eine Macht." In der WM liegt der Brite vor dem Großen Preis von China am Sonntag in Shanghai mit 33 zu 50 Punkten hinter Vettel. Die Machtverhältnisse in der Formel 1 haben sich, das zeigen die beiden vom Profil sehr verschiedenen Rennen, offenbar verändert - zu Gunsten des Herausforderers Ferrari. Und zu Gunsten Vettels, der aus den Triumphen neue Energie zieht.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff sieht sich bereits in der Rolle des Mahners. Er prognostiziert einen "gnadenlosen" Dreikampf zwischen Ferrari, Mercedes und dem Red-Bull-Team: "Das Pendel wird je nach Strecke ausschlagen." Wolff ärgert sich: "Wir haben zwei Mal sieben Punkte verschenkt. Punkte, die du liegen lässt, schmerzen besonders." Der Österreicher gestand, den Bahrain-Sieg in der zweiten Rennhälfte fast schon sicher geglaubt zu haben. Seine Mercedes-Piloten waren auf einer Ein-Stopp-Strategie unterwegs, Ferrari schien auf zwei Boxenstopps programmiert zu sein. Und das bei nur vier Sekunden Vorsprung auf Bottas und 20 auf Hamilton. Es sah aus, als bahne sich ein Doppelerfolg an, der alle Zweifel an der neuen Mercedes-Crew ausgeräumt hätte.

Ferrari blieben zunächst nur Verzweiflungstaten. So sollte Mercedes durch einen vorgezogenen Boxenstopp von Kimi Räikkönen in Runde 35 aus der Reserve gelockt werden. Das aber ging komplett schief. Der Finne bekam bereits grünes Licht zur Weiterfahrt, als der Mechaniker Francesco Cigarini am Hinterrad noch nicht einmal den Reifen heruntergezogen hatte. Räikkönens Auto erfasste Cigarini, dem dabei das Schien- und Wadenbein gebrochen wurde.

Sofort wurde der Italiener in ein Krankenhaus eingeliefert und operiert; Ferrari bekam für den Vorfall eine Geldstrafe von 50 000 Dollar aufgebrummt. Räikkönen wurde gestoppt, fortan musste sich Vettel allein dagegen wehren, von Botas und Hamilton in die Zange genommen zu werden. Er konnte es verhindern, was seinen Erfolg so wertvoll erscheinen lässt. Durch die Erstversorgung des am Boden liegenden Mechanikers war die Ferrari-Box mehr als zwei Runden lang blockiert - damit war die letzte Chance zum Wechsel auf die ultraschnellen Reifen dahin. Vettel blieb nur die Flucht nach vorn, so lange, so schnell, wie es die Reifen aushalten.

Fiat-Präsident Sergio Marchionne formulierte nach dem Unfall an der Ferrari-Box in seiner Glückwunschmail dann sogleich auch eine Mahnung: "Wir müssen einen hohen Grad an Konzentration wahren, präzise und mit Leidenschaft weiterarbeiten." Der Ferrari-Chef bescheinigt Sebastian Vettel aber vor allem, "wie ein echter Champion" gefahren zu sein.

Vettel selbst, der ewige Mahner, nimmt die Favoritenrolle noch nicht an: "Das Ziel ist es, auf dem Niveau weiterzufahren, aber es wird nicht einfacher. Ein bisschen fehlt noch, es liegt Arbeit vor uns." Zumindest sorgt der WM-Auftakt, bei dem Ferrari zwei drohende Niederlagen in Siege umwandeln konnte, für Zuversicht: "Unter solchen Bedingungen wie in Bahrain zu gewinnen, ist noch befriedigender." Das Fazit: Mercedes gerät noch stärker unter Druck, Ferrari sieht sich voll auf Kurs.

© SZ vom 10.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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