Formel 1:Die Ferrari-Dominanz folgt einem langen Plan

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Sebastian Vettel vorne, der Rest dahinter - so sah es in Monaco oft aus. (Foto: Getty Images)
  • Beim Grand Prix von Monaco fragt sich die Formel-1-Szene, wie Sebastian Vettel derzeit so schnell sein kann.
  • Bei Ferrari hat man schon vor langer Zeit überlegt, wie man das neue Auto entwickeln kann.
  • Mercedes kann derzeit nicht mithalten - es herrscht Frust.

Von Philipp Schneider

Unten am Hafen hängen in Monte Carlo die überlebensgroßen Transparente mit den Bildern der Grand-Prix-Sieger aus den vergangenen 75 Rennen. Stirling Moss in seinem Maserati. Graham Hill mit seinem Lotus. Alain Prost und der McLaren. Auch Nico Rosberg hängt dort. Der Weltmeister, der keine Lust mehr hatte auf Formel 1, und der jetzt lieber im Sakko durch die Startaufstellung in Monte Carlo läuft und seine ehemaligen Kollegen interviewt.

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Das Bild vom Rennfahrer Rosberg baumelt gleich hinter dem Motorhome von Mercedes, in dessen Obergeschoss Toto Wolff sich ein gemütliches Büro eingerichtet hat. Ein flauschiger Teppich liegt dort auf dem Boden, es gibt eine kleine Sitzgruppe. Der Motorsportchef muss ja auch auf Reisen Gäste empfangen, weil viele von ihm erfahren möchten, warum Mercedes die Formel 1 nicht mehr dominiert. In jener Saison, die auf den Winter folgte, in dem der für die Entwicklungsarbeit zuvor nicht unwichtige Rosberg sein Team abrupt verlassen hatte.

Und wieso der SF70-H von Sebastian Vettel nach sechs Rennen, in denen die Formel 1 schon auf sehr unterschiedlichen Streckentypen unterwegs war, inzwischen überlegen erscheint. Erst Recht, nachdem die Scuderia in Monte Carlo den ersten Doppelsieg seit sieben Jahren feiern durfte und die Mercedes-Piloten Valtteri Bottas und Lewis Hamilton nur Vierter und Siebter wurden. Also, wieso? "Unseres Wissens hat Ferrari sehr früh mit der Entwicklung des Autos begonnen - im Dezember 2015", sagt Wolff. "Wir erst im März 2016. Ferrari hat damals schon über 50 Prozent seiner Ressourcen auf das neue Auto gesetzt."

Die Formel 1 durchläuft immer wieder mal Zyklen, in denen ein Team technisch so überlegen ist, dass es kaum zu besiegen ist. Oft werden diese Phasen jäh beendet, wenn sich die Rennserie ein neues Reglement verpasst. So wie in diesem Jahr. So war es schon bei Vettel und Red Bull 2013, als neue Motorenregeln eingeführt wurden, und bei Michael Schumacher und Ferrari 2004, als die Konkurrenz plötzlich auf überlegenen Reifen fahren konnte.

"Unter einem neuen Reglement ist die Lernkurve in den ersten Wochen natürlich extrem steil", sagt Wolff. "Ferrari hat vielleicht 16 Wochen Vorsprung. Und in dieser Zeit findest du Abtrieb, der in Summe vier, fünf Zehntel ausmachen kann. Das ist für uns die wesentliche Erklärung, dass Ferrari so gut ist wider Erwarten."

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Wider Erwarten. Darüber, dass Ferrari so viel Abtrieb gefunden hat, schwingt bei Wolff kein Vorwurf mit. Im Gegenteil. Wenn er darüber redet, dass sich die Scuderia schon 2015 auf dieses Jahr konzentriert hat, sagt er: "Das haben wir vielleicht 2013 ähnlich gemacht, um uns auf 2014 vorzubereiten." Auf 2014 folgten für Mercedes drei Weltmeistertitel. Zwei gewann Hamilton, einen holte Rosberg.

Das Rennen in Monte Carlo, dieser verwinkelte Stadtkurs, auf dem die Formel 1 ihren Langsamkeitsrekord aufrechterhält, ist so speziell, dass die Ingenieure aus den gewonnenen Daten kaum allgemeingültige Schlüsse ziehen können. Dennoch stand Mercedes auch im Fürstentum wieder vor einem ähnlich großen Rätsel wie zuletzt in Sotschi, als Hamilton nur Vierter wurde. Die Stuttgarter bekommen ihre Reifen im Gegensatz zu Ferrari nicht zu jeder Zeit und unter allen Bedingungen auf die optimale Betriebstemperatur.

In Russland waren die Gummimischungen von Bottas, warum auch immer, acht Grad Celsius wärmer als die von Hamilton. Acht Grad Temperaturunterschied bedeuten eine Welt in der Formel 1. Auch in Monte Carlo kamen beide Ferraris wieder wunderbar zurecht, sie durften von ganz vorne starten. Bottas dagegen wurde nur Dritter, mit dem selben Setup wie Hamilton, für den es nur zu Platz 14 in der Qualifikation genügte. Damit war das Rennen für den Briten, der nun in der WM-Gesamtwertung 25 Punkte hinter Vettel liegt, schon vor dem Start gelaufen.

Ein Rückstand, der für Hamilton nun irgendwie auch Anlass war, seine bisherige Kommunikationsstrategie gegenüber Vettel zu überdenken. "Es ist klar, dass Ferrari seine Nummer eins gewählt hat und alles dafür tut, damit Sebastian so viele Punkte wie möglich bekommt", sagte Hamilton mit leicht spitzem Ton nach dem Rennen über die Taktik der Scuderia. Die Italiener hatten den an der Spitze des Feldes rollenden Kimi Räikkönen als erstes in die Box zum Reifenwechsel bestellt. Vettel blieb draußen, übernahm die Führung, fuhr ein paar extrem schnelle Runden - und behielt so die Führung, als er nach seinem Reifentausch auf die Piste bog.

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Diese Taktik wäre allerdings nicht einmal dann verboten gewesen, wenn Vettel nicht wesentlich schneller gewesen wäre als Räikkönen. Warum also war der Finne, der nach der Zieldurchfahrt noch etwas wortkarger und schlechter gelaunt war als gewöhnlich, nicht ein bisschen flotter gerollt? "Ich würde mich zu 100 Prozent genauso fühlen, aber es gab keinen Plan für eine Teamorder", versicherte Vettel. Und Wolff meinte: "Sie sind jetzt da, wo wir waren. Sie werden Erster und Zweiter und müssen erklären, warum der richtige Mann gewonnen hat." Auch hier, kein Vorwurf vom Mercedes-Boss. Ferrari hat 16 Wochen Vorsprung. Die gilt es nun aufzuholen.

© SZ vom 30.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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