Formel 1: der Titelkampf:Alle im Griff

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Schumachers Erbe: Nach seinem Sieg von Singapur hat Fernando Alonso den WM-Titel als Ziel. Er hat sich im ersten Ferrari-Jahr als Führungskraft etabliert - das zahlt sich im Titelkampf aus.

Elmar Brümmer

Der Sprung aufs Siegertreppchen war gewaltig hoch, und oben angekommen, fehlte Fernando Alonso fast die Kraft, die mächtige Trophäe zu stemmen, die es für den Sieger des Formel-1-Rennens in Singapur gibt. Nur müde brachte der Spanier die glänzende Skulptur über seinen Kopf in die Streckung. Der Große Preis von Singapur ist besonders anstrengend. Weil er auf einem Stadtkurs ausgetragen wird und es deshalb fast zwei Stunden dauert, bis die Fahrer 61 Runden absolviert haben. Und weil der Grand Prix in der Nacht unter Flutlicht gefahren wird.

In Singapur fuhr Fernando Alonso "das perfekteste Rennen seiner Karriere", glaubt der Ferrari-Teamchef. (Foto: Getty Images)

Für Ferrari-Pilot Alonso war die Rundfahrt in dem Stadtstaat dieses Mal noch aus einem anderen Grund aufreibend: 61Runden lang wurde er in der quälend schwülen Hitze von Sebastian Vettel im Red Bull verfolgt. 61 Runden blieb Alonso fehlerfrei. "Das perfekteste Rennen, das Fernando je gefahren ist", lobte Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali.

Der Kraftakt glückte genau zur richtigen Zeit. Von den jüngsten fünf Rennen hat Alonso drei gewonnen. Bei den ausstehenden vier Auftritten kann jeder Fahrer maximal noch 100 Punkte gewinnen. Im entscheidenden Moment wirkt der 29-jährige Alonso damit wieder wie zu seiner bislang besten Zeit in den Jahren 2005 und 2006, als er zweimal zum Champion gekürt wurde: topfit. Vermutlich sogar Titel-fit. Das Renn-Quintett liest sich vor dem Großen Preis von Japan in zwei Wochen in Suzuka so: 1. Mark Webber/Red Bull/202 Punkte, 2. Alonso/191, 3. Lewis Hamilton/McLaren/182 Zähler, 4.Sebastian Vettel/Red Bull/181 Punkte, 5. Jenson Button/McLaren/177.

Teamkollege als Helfer

Öffentlich beschreibt Alonso die Situation nüchtern: "Jeder von uns Fünf kann zweimal gewinnen, dann sieht die Welt schon ganz anders aus. Oder zweimal ausscheiden - dann ist der WM-Zug abgefahren." Dabei zeigt schon der erste Blick auf die nüchterne WM-Tabelle, dass er mit einem nicht unwesentlichen Vorteil in das Ausscheidungsfahren geht: Alonso ist der einzige, der ohne Angst vor seinem Teamkollegen ins Finale startet. Felipe Massa, der zweite Ferrari-Fahrer, ist mit 128 Punkten weit zurück.

Zu welchen Ausfallerscheinungen zu viel Druck führen kann, führte in Singapur Lewis Hamilton vor: Er wollte zu viel. Es kam zu einer Kollision mit Mark Webber, der am Ende hinter Sebastian Vettel Dritter wurde. Hamilton fiel aus, wie zwei Wochen zuvor in Monza. Ob das seinem Pech geschuldet ist oder seiner Penetranz? "Jeder hat seinen Stil", meinte Vettel, "Lewis sticht manchmal wie das Messer in die Kurven".

Zu ähnlich gewagten Aktionen ließ sich Alonso bei den jüngsten Rennen nicht mehr hinreißen. Nach einigen Patzern in der ersten Saisonhälfte - in Malaysia erlaubte er sich einen Fahrfehler, in Monte Carlo zerstörte er sein Auto im Training -, hat Alonso nun zu Konstanz gefunden. Und wie ihm ist das auch dem Team gelungen. In dieser Zuverlässigkeit sieht Ferrari-Manager Domenicali den Schlüssel für den Ausgang der WM. Obwohl Alonso im ersten Jahr bei der Scuderia ist, gibt er schon jene Führungspersönlichkeit, die dem Rennstall seit dem Abschied von Michael Schumacher gefehlt hat. Alonso ist ein Egoist. Aber wenn es zielführend erscheint, kann er auch den Teamplayer geben.

Sebastian Vettel verfolgte den Spanier 61 Runden lang - doch Alonso pilotierte seinen Ferrari fehlerfrei durch den Stadtkurs von Singapur. (Foto: AP)

Und er vermittelt der angespannten Mannschaft aus Maranello in kritischen Situationen das Gefühl, dass zumindest er alles im Griff hat. Stoisch nahm Alonso in Singapur während des Rennens die Meldung eines Problems bei der Motorensteuerung hin. Der Fahrer beruhigte den Kommandostand, nicht umgekehrt. Diese Abgeklärtheit war der Hauptgrund für Ferrari, sich im vergangenen Winter die Dienste des ehemaligen Renault-Piloten zu sichern. Eine Fähigkeit, die sich nun auszahlen soll.

Lob vom Chef

"Ich glaube, dass sich jetzt viel in den Köpfen der Fahrer und der Menschen, mit denen sie direkt zusammenarbeiten, abspielen wird", sagt Ensemble-Chef Domenicali, "natürlich ist das Auto weiterhin entscheidend, aber wir wissen: Wenn es so eng ist und es entscheidende Momente wie im Qualifying und im Rennen von Singapur gibt, dann macht der Kopf den Unterschied aus". Vorteil Alonso? "Wir verlassen uns auf ihn", sagt der Ferrari-Mann.

© SZ vom 28.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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