Fifa:WM mit 48 Mannschaften - ein billiger Trick

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Fifa-Präsident Gianni Infantino. (Foto: AFP)

Mit der Aufstockung der Weltmeisterschaft versucht die Fifa-Führung, an Stimmen und Geld zu kommen. Damit schadet Präsident Infantino dem Turnier und dem Fußball.

Kommentar von Martin Schneider

In den siebziger Jahren saß der Fifa-Präsident João Havelange in seinem Büro und dachte nach. Weltmeisterschaft schön und gut, überlegte er und kratzte sich vermutlich an seiner Glatze, aber das muss irgendwie profitabler werden. Außerdem stand bald eine Wiederwahl an und er brauchte noch Stimmen. Ich hab's, rief er plötzlich. Heureka. Einfach mehr Mannschaften bei der WM mitspielen lassen. Nicht mehr bloß 16, sondern gleich 24 Nationalteams. Mehr Spiele, mehr Zuschauer, mehr Sponsoren- und Fernsehgelder. Und alle Länder, die die Chance haben, sich für die zusätzlichen Plätze zu qualifizieren, werden ihn bestimmt wählen, dachte Havelange. Und so spielten bei der WM bald 24 Mannschaften mit.

In den neunziger Jahren saß dann der baldige Fifa-Präsident Sepp Blatter in seinem Büro und dachte nach. Weltmeisterschaft schön und gut, überlegten er und Havelange und kratzten sich vermutlich an ihren Glatzen, aber das muss irgendwie profitabler werden. Außerdem stand bald eine Wiederwahl an, und Blatter brauchte noch Stimmen. Ich hab's, rief er plötzlich. Heureka. Einfach mehr Mannschaften bei der WM mitspielen lassen. Nicht mehr bloß 24, sondern gleich 32 Nationalteams mitspielen lassen. Mehr Spiele, mehr Zuschauer, mehr Sponsoren- und Fernsehgelder. Und alle Länder, die die Chance haben, sich für die zusätzlichen Plätze zu qualifizieren, werden ihn bestimmt wählen, dachte Blatter. Und so spielten bei der WM bald 32 Mannschaften mit.

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:Fifa-Chef schlägt WM mit 48 Teams vor

"Mehr Länder und Regionen in der ganzen Welt wären dann glücklich", sagt Infantino. Deutschland dürfte allerdings nicht dazu gehören.

Im Jahr 2016 saß dann der Fifa-Präsident Gianni Infantino in seinem Büro und dachte nach. Weltmeisterschaft schön und gut, überlegte er und kratzte sich vermutlich an seiner Glatze, aber das muss irgendwie profitabler werden...

Der billigste Trick der Sportfunktionärs-Geschichte

Man kann in dieser Reihe nicht nur die Zahlen für Teilnehmer und Jahre austauschen, sondern auch statt dem Weltfußballverband Fifa den europäischen Fußballverband Uefa einsetzen - es ist immer das Gleiche. Die Aufstockung von Turnieren zur Umsatzsteigerung und um Stimmen von kleineren Nationen zu fangen, ist ein Treppenwitz der Sportfunktionärs-Geschichte. Nur, dass Gianni Infantino diesmal die WM gleich um 16 Mannschaften auf 48 aufstocken will - vermutlich ist da die Verhandlungsmasse miteingerechnet, um dann doch nochmal zu reduzieren. Der geplante Modus: Die 16 besten Mannschaften der Qualifikation sind gesetzt, die 32 restlichen Teilnehmer spielen drei Tage vor dem eigentlichen Turnier K.o.-Spiele, um die weiteren 16 Teams zu ermitteln, die dann wohl in der bisherigen Gruppenphase aufeinandertreffen. Wie das im Detail funktionieren soll, ist unklar.

"Mehr Länder und Regionen in der ganzen Welt wären dann glücklich", sagt Infantino. Das mag stimmen. Die 16 Nationen, die sich zusätzlich für ein großes Turnier qualifizieren könnten, und sei es nur für die maximal zwei Playoff-Spiele, mögen sich darüber freuen. Nur: Die WM verträgt keine Aufblähung mehr. Aus sportlichen Gründen nicht. Und logistisch schon gar nicht.

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:48 Teams zur WM: Was halten Sie von Infantinos Vorschlag?

Ab der WM 2026 plant Fifa-Chef Gianni Infantino, mehr kleinere Nationen mittels Playoffs an der Endrunde der Fußballweltmeisterschaft teilnehmen zu lassen. Sein Fazit: mehr Spiele mit Finalcharakter, mehr Einnahmen.

Schon bei der Europameisterschaft im Sommer mit 24 Teams war ein Großteil der Spiele auf sehr bescheidenem Niveau. Da es immer noch eine Sportveranstaltung ist, bei der laut Definition die beste Nationalmannschaft der Welt gesucht wird, muss man sich fragen: Was bewertet man höher? Den folkloristischen Wert, wenn Teams wie Irland oder Nordirland dabei sind? Oder den sportlichen Wert, wenn solche Mannschaften auch den zwanzigsten Ball hoch und weit nach vorne bolzen? Bei der vergangenen WM-Quali knapp gescheitert sind zum Beispiel Jordanien, Usbekistan, Venezuela, Panama, Burkina Faso, Äthiopien oder Rumänien. Sollen die künftig bei der WM mitspielen?

Logistisch ist die Veranstaltung sowieso schon viel zu groß. Wer einmal in einer südafrikanischen Arena nach der WM stand, der sah, welch unfassbare Geldverschwendung die Stadien in Polokwane, in Durban oder selbst in Kapstadt waren. In Brasilien änderten sich die Namen (Manaus, Cuiabá, Fortaleza), aber die Idiotie, solche Monster für drei, vier Spiele zu bauen, blieb die gleiche. Weniger Stadien und weniger Gigantismus wäre mit 16 zusätzlichen Teilnehmern aber nicht drin.

Nur mal angenommen, man gäbe Infantino recht und sagt: Klar würden sich diese kleinen Nationen freuen. Wieso zieht man dann die Grenze bei 48? Teams wie Peru, Oman, Malawi, Neukaledonien oder Österreich, die bei der vergangenen WM-Qualifikation in der zweiten Reihe standen, hätten schließlich auch das Recht, sich zu freuen.

80 Spiele nach dem neuen Modell

211 Mitglieder hat die Fifa. Es wäre also noch Platz für mindestens zwei Expansionsrunden. Der Fifa-Präsident nach Infantino könnte eine WM mit 96 Teilnehmern fordern. Dann würde sich vielleicht auch der Traum jedes Funktionärs erfüllen: die Qualifikation von China. Mit 1,3 Milliarden Menschen könnten die Fifa-Sponsoren eher etwas anfangen als mit 300 000 Isländern, auch wenn sie noch so schön in die Hände klatschen.

80 Spiele würden im neuen, von Infantino angeregten Modell gespielt werden, nochmal 16 mehr als bisher. Der Fußball-Fan, das weiß man aus diversen Spieltagszerstückelungen aus Spanien, England oder auch Deutschland, lässt prinzipiell vieles mit sich machen. Die Fifa erzielte mit der umstrittenen WM in Brasilien Rekordgewinne, das Interesse am Fußball steigt stetig und wo es nicht steigt, bleibt es absurd hoch. Die Rechnung von Infantino und der Fifa geht aber nur dann auf, wenn das so bleibt. Und bisher war der Fußball so stark, dass nicht mal die Fifa ihn kaputt bekommen hat.

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