Fifa-Untersuchung zu Katar und Russland:Ermittler Garcia will gegen Ethikbericht vorgehen

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  • Die offizielle Untersuchung der doppelten WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 endet mit Entlastung für die Bewerber.
  • Chefermittler Michael Garcia hat Zweifel und will gegen die Fifa vorgehen.
  • Die Ethikhüter fordern eine weitreichende Reform des Vergabeprozesses - der Verband diskutiert Änderungen.

Ermittler sprechen Russland und Katar frei

Die Fifa hat sich also geschüttelt, sie hat intern den Laden auseinander genommen und ein wenig aufgeräumt. Herausgekommen ist ein Protokoll, das so gut wie alles in bester Ordnung erscheinen lässt. Das verblüfft nun doch, schließlich hatte es einen ganzen Haufen an Vorwürfen und belastenden Erkenntnissen gegeben. Die offizielle Untersuchung der Bewerbungsprozesse für die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 ist ins Leere gelaufen. Die Ethikkommission des Weltverbandes fand keine Beweise, die eine erneute Ausschreibung und Vergabe der kommenden beiden Endrunden rechtfertigen würden - der deutsche Richter Joachim Eckert, Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer, sprach jedoch mehrere "Tadel" aus.

"Die Untersuchungskammer hat weder Vergehen noch Verstöße gegen die maßgebenden Bestimmungen und Regelungen festgestellt", heißt es in der von Eckert unterschriebenen Stellungnahme. Der Münchner Richter hatte den Untersuchungsbericht von Chefermittler Michael J. Garcia seit Anfang September ausgewertet und regte unter anderem eine Reform des Vergabeprozesses für künftige WM-Turniere an.

Wie die Fifa reagiert

Von Seiten des Verbandes heißt es in einem ersten Statement: "Die Fifa begrüsst die Tatsache, dass der Fall bis zu einem bestimmten Grad abgeschlossen ist, nachdem der Vorsitzende der rechtsprechenden Kammer heute mitgeteilt hat, dass 'die Beurteilung des Bewerbungsverfahrens für die Weltmeisterschaften 2018/2022 für die Fifa-Ethikkommission abgeschlossen ist'." Beim Weltverband freue man sich, "die Vorbereitungen für Russland und Katar fortzusetzen, die bereits weit fortgeschritten sind."

Die Bedenken und Änderungsempfehlungen wegen des Vergabeverfahrens "erkennt" der Verband laut eigener Aussagen "an" - auch wenn er noch im gleichen Satz darauf hinweist, "dass der Vorsitzende der rechtsprechenden Kammer das Bewerbungsverfahren als 'durchdacht, robust und professionell' bezeichnet hat." Konkret will die Fifa künftig nicht mehr das Exekutivkomitee den Ausrichter bestimmen lassen, sondern den gesamten Fifa-Kongress. Weitere Anpassungen werden "im Rahmen der internen Überprüfung des Bewerbungsverfahrens für die WM 2026" derzeit diskutiert.

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Wie es jetzt weiter geht

Die endgültige Entscheidung liegt in den Händen des Exekutivkomitees um Präsident Joseph S. Blatter - die "Weltregierung des Fußballs" wird aber heilfroh sein, sich nun nicht mehr mit den Korruptionsvorwürfen befassen zu müssen. Die massive Kritik an beiden Turnieren wird allerdings kaum abnehmen. Erst am Mittwoch hatte die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International dem Wüstenstaat Katar erneut ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt - immer wieder schockieren Berichte von unmenschlichen Arbeitsbedingungen am Persischen Golf die Weltöffentlichkeit.

Russland 2018 war zuletzt im Zuge der Ukraine-Krise und des Hardliner-Kurses von Präsident Wladimir Putin auch von deutschen Politikern infrage gestellt worden. Die Endrunden in vier und acht Jahren waren am 2. Dezember 2010 erstmals im Doppelpack vergeben worden. Schon damals gab es für dieses Verfahren massive Kritik, weil so Absprachen und Stimmentausch Tür und Tor geöffnet wurden. Von den 22 stimmberechtigten Mitgliedern des Fifa-Exkos sind noch zwölf im Amt, aus Deutschland votierte Franz Beckenbauer (bis 2011 im Exko).

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Wie die Fahnder vorgegangen waren

Auch aufgrund der wachsenden öffentlichen Kritik beauftragte der Weltverband 2012 den früheren "Mafia-Jäger" Garcia mit der Aufklärung der Korruptionsvorwürfe. Der frühere US-Staatsanwalt, dem exzellente Kontakte zum FBI nachgesagt werden, hatte insgesamt 75 Zeugen befragt und über 200.000 Seiten Material gesichtet. In Deutschland sorgte vor allem die Sperre für Beckenbauer für Aufsehen.

Der "Kaiser" war wegen "mangelnder Kooperation" von der Fifa während der WM in Brasilien provisorisch gesperrt worden. Erst anschließend hatte er die Fragen Garcias beantwortet, die Sperre wurde daraufhin zügig aufgehoben. Beckenbauer hatte erklärt, die in "Juristen-Englisch" gestellten Fragen nicht richtig verstanden zu haben. Eine Befragung auf Deutsch sei abgelehnt worden.

Welche Hintergründe zu den Ermittlungen führten

Am 5. September hatten Garcia und dessen Stellvertreter Cornel Borbély ihren Untersuchungsbericht an Eckert weitergeleitet. Der deutsche Richter betonte zwischenzeitlich, "nur vier Personen" hätten das Ergebnis der Untersuchung gesehen. Ob und in welchem Umfang mögliche Ermittlungen des FBI, das laut Medienberichten sogar einen Spitzel ins Fifa-Exko eingeschleust hatte, der Ethikkommission zugänglich gemacht wurden, ist offen.

In den öffentlichen Fokus gerückt war die Untersuchung kurz vor der WM 2014 in Brasilien, als britische Zeitungen seitenweise vermeintliches Beweismaterial veröffentlichten. Die Schlüsselfigur in den "Katargate"-Berichten war der frühere Fifa-Funktionär Mohamed Bin Hammam (Katar), der bereits 2011 überführt worden war, sich im Präsidenten-Wahlkampf gegen Blatter Stimmen gekauft zu haben. Die Trennung der Beweise für diese Bestechung und für den vermeintlichen Stimmenkauf für die WM-Vergabe galt als schwerste Aufgabe der Ethikkommission. Am Ende reichte aber offenbar das belastende Material nicht aus, um eine Neuvergabe der WM-Endrunden in die Wege zu leiten.

Kritik von Ermittler Garcia und Transparency

Die Reaktionen auf den Bericht fallen teilweise drastisch aus. Der vom Weltverband eigens beauftragte Sonderermittler Garcia will etwa gegen den Abschlussbericht vorgehen. In einem Statement am Donnerstag bemängelte der frühere FBI-Direktor mehreren Medien zufolge "zahlreiche unvollständige und fehlerhafte Darstellungen der Tatsachen und Schlussfolgerungen" und kündigte eine Berufung an.

Die Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk sieht dagegen eine "Kommunikationskatastrophe". "Die Fifa erhält keine Glaubwürdigkeit, wenn nur 42 Seiten von mehreren 100 veröffentlicht werden", sagte Schenk, die bei Transparency International Deutschland die Arbeitsgruppe Sport leitet. Sie forderte erneut die vollständige Offenlegung des gesamten Berichts, der bisher nur in Teilen bekannt ist. "Die Fifa hat viel zu spät eine Untersuchung eingeleitet. Und für die Glaubwürdigkeit der Fifa wäre es besser gewesen, dies in völlig unabhängige Hände zu geben", bemängelte Schenk.

Sie habe zwar den Eindruck, Garcia habe seine Arbeit unter den gegebenen Bedingungen gut gemacht habe. "Aber es hat sich auch gezeigt, das man bei privaten Untersuchungen nicht an alle Fakten herankommt." Schenk rechnet nicht mehr damit, dass sich an den WM-Gastgebern noch etwas ändert: "Ich denke, dass man Russland und Katar abhaken muss."

Die Zusammenfassung des deutschen Juristen Hans-Joachim Eckert als Vorsitzender der Fifa-Ethikkommission zeige, dass der ganze Bewerbungsprozess bei WM-Vergaben "nicht ausreichend transparent und unabhängig ist". Die rechtssprechende Kammer der Fifa hatte die WM-Gastgeber Russland und Katar vom Vorwurf der Korruption freigesprochen.

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Entschiedene Gegentöne sind auch aus England zu vernehmen: Der Fußball-Verband FA hat die Kritik der Ethikkommission an seiner gescheiterten Bewerbung für 2018 zurückgewiesen. "Wir akzeptieren keine Kritik an der Integrität der englischen Bewerbung oder an daran beteiligten Personen", schrieb die FA in einer Stellungnahme: "Wir haben eine transparente Bewerbung durchgeführt und mit den Ermittlern vollständig kooperiert." In der Auswertung ist unter anderem die Rede von höchst zweifelhaften Verbindungen der englischen Bewerbung zum früheren Fifa-Funktionär Jack Warner (Trinidad und Tobago), der 2011 vom Weltverband der Korruption überführt worden war.

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