Ferrari in der Formel 1:Ende der signalroten Aristokratie

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Sebastian Vettel: bei Ferrari angekommen (Archivfoto). (Foto: imago sportfotodienst)

Neuer Präsident, neuer Teamchef, neuer Cheftechniker, neue Testfahrer, neue Sponsoren: Der angeschlagene Formel-1-Rennstall Ferrari baut alles um, damit Sebastian Vettel die Jagd auf seinen fünften WM-Titel gelingt.

Von René Hofmann, Maranello

Die Christbaumkugeln sind immer noch rot. Aber sonst? Kulturbruch ist ein großes Wort, wenn es bloß um ein bisschen Sport geht. Hier aber trifft es zu. Vor einigen Tagen hat Maurizio Arrivabene, der neue Chef des Formel-1-Teams von Ferrari, seinen Mitarbeitern einen Brief geschrieben. Wie es sich gehört, wünschte er darin allen "Buon Natale" und erinnerte daran, dass zu dieser Zeit alle besonders freundlich zueinander sein sollten. Das Schreiben enthielt aber auch eine Mahnung: "Nächstes Jahr müssen wir besser werden!"

Nur Vierter der Hersteller-Wertung. Abgehängt von Mercedes, Red Bull und Williams. Erstmals seit 1993 wieder ein Jahr ohne Sieg. Am 22. November endete die Saison. Seit dem 23. November hat Arrivabene, 57, das Sagen in der Gestione Sportiva. Und seitdem ist viel passiert. Fernando Alonso ging, Sebastian Vettel kam als neuer Chefpilot. Chefdesigner Nikolas Tombazis und Technikchef Pat Fry wurden abgelöst. Als Ersatz wurde von Mercedes Jock Clear abgeworben, der Renningenieur von Weltmeister Lewis Hamilton. Reifen-Analyst Hirohide Hamashima wurde ersatzlos entlassen. Dafür wurde der Franzose Jean-Éric Vergne engagiert. Der 24-Jährige fungiert künftig als Test- und Simulator-Fahrer. Einen Job, den er sich mit Esteban Gutiérrez, 23, teilt. Aus dessen Heimat Mexiko konnte das Team, das als einziges vom ersten WM-Rennen an bei der Formel 1 mitmischte, eine Reihe neuer Sponsoren gewinnen. Der Rennwagen, der Ende Januar vorgestellt werden soll, wird also etliche neue Aufschriften tragen. Selbst der Pressesprecher wechselt.

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Für einen Rennstall, der sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stets rühmte, eine "dynamische Stabilität" zu pflegen, ist das ziemlich viel Dynamik und ziemlich wenig Stabilität. Und ein Umbruch, der einige Erklärungen erfordert, wofür Maurizio Arrivabene und der neue Firmen-Präsident Sergio Marchionne, 62, einen traditionsreichen Anlass wählten: den Weihnachtsempfang, zu dem die Firma etliche Dutzend Motorsport-Journalisten lädt.

Zu den Zeiten von Luca Cordero di Montezemolo, den Marchionne im Herbst absetzte, war die Veranstaltung zweigeteilt. Zum Lunch empfing il presidente die ausländischen Gäste. Zum Dinner waren die Italiener dran. Bei beiden Gelegenheiten fuhr sich der Adelige oft durchs Haar. Bevor Fragen erlaubt waren, hielt er erst einmal einen Monolog. Egal, wie die Ergebnisse auch gewesen waren. Unterhaltsam war das Treffen immer.

All das wäre nicht weiter erwähnenswert, aber der Kontrast zu dem Debüt-Auftritt der neuen Machthaber fiel dann doch gewaltig aus - und aus den Unterschieden ließ sich so einiges darüber lesen, wie das Team ausgerichtet sein soll, mit dem Sebastian Vettel in den kommenden Jahren seinen fünften WM-Titel jagt. Die Ära aristokratischer Zurückhaltung ist vorbei, so viel ist klar. Marchionne wird auch im Helikopter eingeflogen. Aber Arrivabene und Marchionne kommen nicht im feinen Tuch. Sie tragen Pullover. Statt zwei opulenten Mahlzeiten gibt es eine 45-minütige Fragestunde vor zwei Christbäumen in der rot gefliesten Garage an der Teststrecke.

Und statt Monologen klare Ansagen. Ja, ihm sei schon in dem Moment, in dem er das Ruder in der Firma an sich riss, klargewesen, dass er im Rennteam viel verändern müsse, sagt Marchionne. 2015 werde ein weiteres schwieriges Jahr, sagt Arrivabene, zu groß sei der Rückstand auf Mercedes. Bis Ende des kommenden Jahres solle dieser aber aufgeholt sein. Leicht werde das nicht. Denn: Der Bau des Rennwagens sei in Verzug. Aufgrund von Entscheidungen, die Leute getroffen hätten, die nun nicht mehr in der Firma seien, sagt Marchionne: Ein unverhohlen unfreundlicher Gruß an den geschassten Marco Mattiachi ist das, der gerade einmal von April bis November den Teamchef geben durfte.

Giftige Botschaft in süße Worte gehüllt

Ein anderer Ehemaliger bekommt auch wenig Freundliches nachgerufen: Fernando Alonso. Bei ihm aber macht sich Teamchef Maurizio Arrivabene zumindest die Mühe, die giftige Botschaft in süße Worte zu hüllen. Die Zusammenarbeit mit Sebastian Vettel wurde zwar schon vor Arrivabenes Ankunft verabredet. Aber der Marketing-Experte, dessen Job es bisher war, darauf zu achten, dass die Interessen eines Zigaretten-Herstellers als Ferrari-Sponsor gut berücksichtigt wurden, ist sich sicher: Der 27 Jahre alte Deutsche bringe "Erfahrung und Enthusiasmus" mit - "und den Willen, für ein Team zu arbeiten, das Ferrari heißt".

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Bei seinem Vorgänger Alonso, 33, war das offenbar nicht immer der Fall. "Die Fahrer sind die Stars der Show. Aber letztlich sind sie auch nur Angestellte", sagt Arrivabene sibyllinisch. Hinter den Kulissen hat er mit Marchionne zuletzt hart daran gearbeitet, dass sich die Rahmenbedingungen ändern. Dass der Motor die ganze Saison über verbessert werden darf. Und dass es 2016 vielleicht ganz andere Triebwerke gibt. Dann wäre Ferrari seinen aktuell größten Nachteil los. Bis März reicht dafür die einfache Mehrheit in den entscheidenden Gremien.

"Die Regeln müssen einfacher werden", fordert Marchionne denn auch nicht ganz ohne Eigennutz, "die aktuellen lesen sich, als seien sie von ein paar Betrunkenen an einem Tresen geschrieben worden." Die Form mag sich geändert haben. Doch die Schärfe mancher Forderung, die aus Maranello dringt, und der Stolz, mit der sie vorgetragen wird, ist so gut wie gleich geblieben.

© SZ vom 23.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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