FCN-Pleite gegen Leverkusen:In Nürnberg schwindet der Glaube

Bundesliga: 1. FC Nürnberg - Bayer Leverkusen

Blindflug Richtung zweite Liga? Nürnbergs Niklas Stark (oben) über Stefan Kießling.

(Foto: AFP)

So steigt der Club aus der Fußball-Bundesliga ab: Beim 1:4 gegen Leverkusen zeigt der 1. FC Nürnberg nur in der ersten Halbzeit ernsthaftes Bemühen, den Klassenerhalt zu schaffen. Weil in der Abwehr weiterhin fürchterliches Chaos herrscht, hat Bayer leichtes Spiel.

Von Jonas Beckenkamp

Sie haben schon vieles probiert in Nürnberg, wo dem Fußball immer auch ein wenig Fatalismus inne wohnt ("Der Club is' a Depp"). Aber den Glauben geben die Franken nicht auf, auch wenn es in der Bundesliga schlecht um den 1. FC Nürnberg steht. Platz 17, den Abstieg vor Augen, eine verunsicherte, von Ausfällen geplagte Mannschaft - da mussten vor dem Spiel gegen Bayer Leverkusen besondere Hoffnungsspender her: In der Gemeinde Elbersroth in Mittelfranken trällerte an diesem Sonntag der kirchliche Orgelspieler in der Auferstehungsfeier die FCN-Hymne "Die Legende lebt." Der Allmächtige sollte es also richten, damit Nürnberg doch erstklassig bleibt.

Doch oben im Himmel scheint die Stoßgebete keiner erhört zu haben. Der Club verlor wieder ein Heimspiel: Nach 90 anfangs kurzweiligen Minuten stand auf der Anzeigentafel im Stadion die niederschmetternde Oster-Botschaft eines 1:4 (1:1) gegen Leverkusen. Wieder hatten die Nürnberger engagiert gespielt, hatten einen Treffer erzielt (Marvin Plattenhardt, 26.) und lange nicht den Glauben verloren - doch die Gegentore von Emir Spahic (16. und 80. Minute), Sebastian Bönisch (48.) und Roberto Hilbert (85.) wogen zu schwer.

"Der Sieg geht in der Höhe in Ordnung, weil wir uns viel mehr Chancen herausgespielt haben", sagte Bayer-Sportchef Rudi Völler, "wir sind froh, dass wir wieder besser in Schuss sind. Für uns wird wichtig, den vierten Platz zu verteidigen, deswegen bleiben wir jetzt erst einmal auf dem Boden." FCN-Keeper Raphael Schäfer zeigte sich enttäuscht. "Wir haben sehr viel investiert, aber wir haben dem Gegner die Tore geschenkt. Am Ende haben wir heute nicht mehr an uns geglaubt", so der Kapitän der Nürnberger, "Wir haben derzeit nicht die Qualität, um zu gewinnen. In den entscheidenden Momenten machen wir zu viele Fehler. Wir machen die Tore nicht, im Gegenzug kriegen wir das 1:2 - so läuft es dann halt."

Dem FCN fehlen Kraftgeber

Es war ein Ergebnis, das passte zum Saisonverlauf des 1. FC Nürnberg. Der Werdegang des Teams gleicht einer wackeligen Achterbahnfahrt. Nach einer sieglosen Hinrunde folgten vier Erfolge aus fünf Partien - ehe dann in acht Spielen nur ein Dreier gelang. Entsprechend verunsichert ging die Elf von Trainer Gertjan Verbeek zu Werke, zumal mit Markus Feulner (Oberschenkelverletzung) und Adam Hlousek (Gelbsperre) erneut zwei gesetzte Kraftgeber fehlten.

Die Personal-Engpässe führten auf dem Feld dazu, dass der Club sich weniger zutraute als sonst. Verbeeks Offensiv-Philosophie hatte zuletzt nicht immer funktioniert und so bemühten sich seine Männer zunächst um Zusammenhalt im Zentrum. Leverkusen kontrollierte den Ball, während der FCN mit Verteidigen beschäftigt war. Das ging nicht lange gut. Nach einer abgewehrten Ecke fand sich Spahic in passender Position, ein Pressschlag wirbelte die Kugel in die Luft, was der Bosnier im Bayer-Trikot zu einem wuchtigen Volleyschuss nutzte. Weil Nürnbergs Keeper Raphael Schäfer zu spät reagierte, stand es 0:1 (16.), noch ehe die Fans ihre Drei im Stadion-Weckla überhaupt heruntergeschluckt hatten.

Resignation macht sich breit

Den Franken blieb allein ihr Glaube, dieses Spiel noch zu drehen und das klappte trefflich. Von Verzweiflung war wenig zu sehen, vielmehr ging es flott nach vorne. Die Protagonisten des Nürnberger Überfallspiels: Hiroshi Kiyotake als Ideengeber und Josip Drmic als Rennsemmel in der Spitze. Nach einem Foul am Schweizer Torjäger gab es einen Freistoß, den Plattenhardt an allen vorbei ins Tor schnibbelte (26.). Wer demnächst im Fußball-Lexikon unter dem Wort "tückisch" nachschlägt, dürfte dieses Geschoss dort prominent platziert finden.

Das 1:1 hauchte der Partie Leben ein - die Nürnberger hatten den Rückstand aus den Knochen geschüttelt, Bayer wunderte sich über die Ereignisse. Chancen ergaben sich trotzdem auf beiden Seiten: Bönisch drosch nach einem Kuddelmuddel im FCN-Strafraum das Leder Richtung Elbersrother Kapelle, Kiyotake kam dem Torerfolg bei einem strammen Rechtsschuss schon näher - es war ein ausgeglichener Wettkampf unter ähnlich anfälligen Kontrahenten. Den nächsten Wackler erlaubte sich nach dem Wechsel die Bayer-Abwehr.

Ein langer Ball und plötzlich fanden sich erst Drmic und dann Kiyotake frei vor dem Tor wieder. Beide scheiterten am reaktionsschnellen Keeper Bernd Leno. Wie es besser geht, zeigte Leverkusen im Gegenzug: Nach einem Standard passte Ömer Toprak überlegt zu Bönisch und der Pole schob ebenso überlegt zum 1:2 ein (48.) - in der Nürnbergs Defensive herrschten abermals Zustände wie bei der Ostereier-Suche im Kinder-Ferienlager. Ein ähnliches Comeback wie in der ersten Hälfte schaffte Verbeeks Elf diesmal nicht, was auch ein Verdienst der Leverkusener war. Bayer war vom neuen Trainer Sascha Lewandowski passend eingestellt, wirkte hinten sicherer und entwickelte immer wieder Gefahr nach vorne.

Es vertiefte sich zunehmend der Eindruck, dass die Franken nur noch deswegen im Spiel blieben, weil Bayer sie leben ließ. Nürnbergs Bemühungen in der Offensive schliefen komplett ein, während die Gäste viele Räume genossen. Im Stadion machte sich bereits Resignation breit, auf dem Rasen war sie jedem Nürnberger anzusehen. Dann ging der Club endgültig K.o.: Eine Ecke des FCN fing Heung-Min Son vor dem Strafraum ab und legte los. Er rannte und rannte und rannte - es ging so rasant, dass Javier Pinola nur noch japsend hinterher hinkte. Son legte quer, wo Spahic locker einschob (80.).

Es passte zu diesem vermasselten Auftritt, dass kurz darauf auch noch ein ehemaliger Fürther das 1:4 erzielte: Wieder flitzte Son allen davon, so dass Roberto Hilbert der Ball vor die Füße trudelte. Der Drehschuss des eingewechselten Bayer-Profis zischte trocken über die Linie. Dieser Treffer besiegelte das Schicksal des 1. FC Nürnberg für diesen Tag. Und wenn die Götter nicht noch Beistand leisten, vielleicht auch für die Saison.

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