FC Schalke 04:Wie Christian Heidel Schalke umkrempelt

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Der neue Schalke-Manager hat mit einigem Geschick die Geheimtipps Nabil Bentaleb und Benjamin Stambouli geholt - vor dem Saisonauftakt in Frankfurt ist im Verein vieles anders.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Christian Heidel hat viel Platz für Spekulationen gelassen, als er während der vergangenen Wochen an den Verstärkungen fürs Schalker Mittelfeld arbeitete. Die Verhandlungen mit den Wunschkandidaten und deren Arbeitgebern zogen sich länger hin als erwartet, umso mehr wucherten die Gerüchte. Es gehört ja zu den Phänomenen des Profifußballs, dass auf unerforschlichen Wegen Nachrichten über angeblich unmittelbar bevorstehende Geschäftsabschlüsse in Umlauf gelangen, die zwar keine reale Grundlage haben, das Publikum aber trotzdem verrückt machen.

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Unter anderem wurde Schalke mit Spielern aus Spanien, Polen, Argentinien, Uruguay und der Schweiz verheiratet, der iranische Messi war dabei, und auch ein gewisser Bastian Schweinsteiger sollte zu jenen Spezialisten zählen, denen der neue Manager Heidel und der neue Trainer Markus Weinzierl die Sicherung des defensiven Mittelfeldes anvertrauen wollten. Selbst Heidel war überfordert, als er mit all den fremden Personen konfrontiert wurde, mit denen er angeblich schon Abmachungen getroffen hatte. "Den einen oder anderen Spieler, mit dem ich einig war, musste ich erst mal googeln", sagt er.

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Ähnlich dürfte es dem Gros der Fans ergangen sein, als sie erfuhren, wen Heidel tatsächlich für das Mittelfeld angeworben hat. Die neuen Spieler stammen von renommierten Klubs, zählen hierzulande aber noch nicht zur Fußball-Prominenz: Der Franzose Benjamin Stambouli, 26, spielte zuletzt bei Paris St. Germain, wo er in der vorigen Saison der erweiterten Stammelf angehörte, nun jedoch offenbar nicht mehr so dringend gebraucht wurde. Auf Schalke erhält er einen Vertrag bis 2020, die Pariser kassieren - Angaben aus Frankreich zufolge - acht Millionen Euro.

Günstiger ist der zweite Neuling, was vor allem daran liegt, dass Nabil Bentaleb, 21, zunächst ein Jahr ausgeliehen wird. Gegen Saisonende kann Schalke entscheiden, ob Bentaleb bleiben soll - und dann würde eine Zahlung von annähernd zwanzig Millionen Euro an Tottenham Hotspur fällig. Behaupten jedenfalls "Quellen" in England. Heidel sagt, dass er zu Vertragsinhalten nichts sagen möchte.

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Beim Londoner Premier-League-Klub wurde der in Lille geborene algerische Nationalspieler seit seinem 17. Lebensjahr ausgebildet und in den Profifußball eingeführt. Bentaleb stieg zum Stammspieler auf, im Laufe der vorigen Saison war er jedoch vorwiegend verletzt, mal am Sprunggelenk, mal am Knie. Mancher besorgte Schalker mag sich da an Kevin-Prince Boatengs berüchtigtes Wackelknie erinnert fühlen oder an Ibrahim Afellay, dessen Krankenakte während seiner Zeit im Ruhrgebiet den Umfang eines Tolstoi-Romans annahm.

Andererseits ist Bentalebs Verletzungspech Schalkes Glück. Als Stammspieler der Spurs wäre er nicht bezahlbar gewesen - und wohl kaum für den Umzug nach Gelsenkirchen zu gewinnen. Um Bentalebs Gesundheit bräuchte sich jetzt aber niemand mehr zu sorgen, heißt es. Schon in der vorigen Woche hat er im Wattenscheider Lohrheidestadion die Fitness-Tests bestanden. Viele Schalker loben jedoch nicht seine laut Heidel "überragenden" Laktatwerte, sondern die Tatsache, dass er gänzlich unerkannt blieb, während er mitten im Pott trainierte. So viel Diskretion gab es selten. Liebend gern möchte man diesen Fall von Vertraulichkeit als Zeichen neuer Zeiten verstehen.

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Stambouli und Bentaleb sind Spieler nach dem Geschmack von Markus Weinzierl. Schalke erlebt in diesem Sommer nicht nur den personellen Wechsel, mit neuem Trainer und Manager, neuem Betreuer-Stab und einem halben Dutzend neuer Spieler, sondern auch den nächsten sportlichen Reformprozess. In den vorigen Jahren blieb es meistens bei der Ankündigung der Erneuerung.

Auch Weinzierls Vorgänger André Breitenreiter hatte häufig versprochen, das aggressive Pressing zum Stilmerkmal zu erheben, geschehen ist dann wenig. Breitenreiter scheiterte an den starken Beharrungskräften - und daran, dass seine Worte nicht mit den Taten übereinstimmten. Dem Schalker Fußball fehlten wie gewohnt die Elemente des einheitlichen Handelns, geprägt wurde das Spiel von den besonderen Momenten, die Leroy Sané und gelegentlich Max Meyer oder Leon Goretzka beisteuerten.

Die Defensivspezialisten Stambouli und Bentaleb sind somit zwei tragende Figuren im Konzept von Trainer Weinzierl, der seine rauen Methoden aus Augsburg aufgreifen und auf höherem spielerischen Niveau verwirklichen möchte. "Mehr Aggressivität im Spiel war von Anfang an hier das große Thema", sagt Heidel und klingt dabei wie ein Doktor, der einen neuen Fall übernommen hat und nicht glauben kann, was seine Kollegen bisher mit dem Patienten getrieben hatten.

Schon im April hatte Schalkes Johannes Geis vorhergesagt, dass Heidel - sein früherer Chef in Mainz - "den Laden rocken und aufräumen" werde. Und tatsächlich: Heidel reißt in Gelsenkirchen Wände ein - wenn auch bisher nur die Wände in den Arbeitsräumen der Physiotherapeuten. "Wie in einer Garage" hätten die Profis dort bisher gelegen, sagt der Manager, der prompt ein Umbauprogramm initiiert hat, um die "mehr als verbesserungswürdigen Trainingsbedingungen" aufzumöbeln. Heidel packt's an - das ist die Botschaft, die man auf Schalke hören möchte. Und die er gern bedient.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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