FC Schalke 04:Kracher gibt's woanders

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Der Dreikampf um den Platz im Tor ist die spannendste Neuheit beim FC Schalke 04. Zugänge sind nur Neustädter und Barnetta. Ein Nachfolger für Topstürmer Raúl wird intern gesucht.

Philipp Selldorf

Peter Peters, 50, hat während des Sommers in seiner Eigenschaft als Finanzvorstand von den Schalker Fans viel Lob für das Spar- und Konsolidierungsprogramm der Vereinsführung empfangen. Sparen und Konsolidieren sei selbstverständlich der einzig richtige Weg, um die hohen Schulden abzubauen und Schalkes Zukunft zu sichern, stimmten die Fans zu; Peters hat das wirklich oft gehört in den vergangenen Wochen. Fast ebenso oft haben ihn dieselben seriösen Fans allerdings noch um eine vertrauliche Auskunft gebeten: "Aber nu sach ma", hieß es dann, "welchen Kracher holt Ihr denn jetzt noch?"

Die einzigen Zugänge auf Schalke: Roman Neustädter (l) und Tranquillo Barnetta. (Foto: dpa)

Für einen Champions-League-Teilnehmer des mittleren internationalen Schwergewichts wie Schalke 04 hält der Markt ein ausreichendes Kontingent interessanter Kracher bereit. Soeben hat zum Beispiel José Mourinho in Madrid entschieden, dass er den ehemaligen Weltfußballer Kaká nicht länger benötigt, und wäre der 30-jährige Kaká nicht ein geradezu maßgeschneiderter Ersatz für Raúl, der 2010 denselben Weg nahm? Damals brachte Christoph Metzelder seine Kontakte aus den gemeinsamen Tagen in Madrid zum Einsatz, auch ein Anruf bei Kaká wäre nur eine Kleinigkeit für ihn - 2009/2010 haben sie bei Real zusammen gespielt. Was hindert Peters und seine Kollegen also noch daran, die Bergmannskapelle zur Begrüßung des Brasilianers zu ordern?

Der FC Schalke hat in den 108 Jahren seines Bestehens schon mehr Spar- und Konsolidierungsprogramme ausgerufen als Klaas-Jan Huntelaar für den Klub ins Tor getroffen hat, die Anhänger brauchten sich bisher von solchen Gelöbnissen nicht beunruhigen zu lassen. Es sind zum Beispiel erst knapp zwei Jahre vergangen, seit der damalige Schalker Generaldirektor Felix Magath aus einer gepflegten ledernen Aktentasche einen Stoß von Papieren hervorholte und anhand penibel erstellter Tabellen und Vergleichslisten den Nachweis führte, dass Schalke unter seiner Herrschaft bedeutende Fortschritte bei der Senkung des Gehalts- und Kostenniveaus im Lizenzspielerkader gemacht habe.

Allerdings vergaß Magath an jenem sonnigen Tag vor zwei Jahren zu erwähnen, dass er gegen Ende des Monats noch ein wenig einzukaufen gedenke. Er besorgte dann in einem Anfall von Kaufwut, der an den Blutrausch weißer Haie erinnerte, für ein paar Millionen Euro in Rumänien einen Spieler namens Deac, in Madrid für 13 Millionen Euro den Mittelfeldspieler Jurado und in Mailand für 14 Millionen den Mittelstürmer Huntelaar. Nie war eine Schalker Mannschaft so teuer wie die Sparmannschaft von Felix Magath.

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An der Bewältigung dieser Ausgaben und deren Folgekosten arbeitet der Verein immer noch. Ciprian Deac etwa, der keine zwei kompletten Bundesligaspiele für Schalke bestritt, konnte erst in diesem Sommer von der Gehaltsliste gestrichen werden, er hat sich wieder in Rumänien niedergelassen. Dafür sind andere Profis aus der Ära Magath, die Manager Horst Heldt zwischenzeitlich anderweitig untergebracht hatte, wieder zur Arbeit in Gelsenkirchen erschienen. Zum Beispiel der Ghanaer Anthony Annan, der angeblich um ein paar Ecken mit dem UN-Diplomaten Kofi Annan verwandt ist, was sich bisher als sein spektakulärster Vorzug erwiesen hat. Oder der Brasilianer Edu, den Schalke in der vorigen Saison an Besiktas Istanbul ausgeliehen hatte. Edu hat am Freitag beim jüngsten Schalker Testspiel drei der fünf Tore geschossen (beim Regionalligisten FC Magdeburg), er ist beliebt und hat seine Verdienste. Ein Kracher ist er allerdings nicht.

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Ob Roman Neustädter und Tranquillo Barnetta - die einzigen Neuerwerbungen dieses Sommers - dieses Etikett verdient haben? Dem Publikum bleibt nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden, dass ihnen diesmal statt eines Raúl oder eines Kaká lediglich die Innovation eines dramatischen Dreikampfs ums Tor geboten wird - Hildebrand, Fährmann und Unnerstall haben laut Trainer Huub Stevens die gleichen Chancen, zur Nummer eins ernannt zu werden. Weitere Attraktionen spart sich Schalke.

Als die Mannschaft in der vorigen Woche zum Testspiel gegen den AC Mailand antrat, gab es bloß zwei nennenswerte Neuerungen zu bewundern. Das waren aber nicht Neustädter und Barnetta, sondern die veränderten Ansichten von Mittelfeldspieler Lewis Holtby und Trainer Huub Stevens. Der eine scheint im Sommer kräftig ab-, der andere kräftig zugenommen zu haben. Wobei es gut für Schalke ist, dass es nicht umgekehrt gelaufen ist, denn ein übergewichtiger Holtby wäre ein Unglück für Schalke. In allen Expertisen spielt der 23-Jährige eine Hauptrolle, er soll Raúl als Schaltfigur im offensiven Mittelfeld ersetzen - vorausgesetzt, dass nicht der Neu-Nationalspieler Julian Draxler, 19, mit dieser Aufgabe betraut wird.

Holtby scheint in diesem Wettbewerb ein Stück Vorsprung zu haben, er arbeitete in den Ferien mit einem Privattrainer, während Draxler sein Fachabitur absolvierte und sich dann ein paar Tage erholte. Der dritte Kandidat ist Magaths Luxusanschaffung José Jurado, ein exzellenter Fußballer, dem bisher aber die nötige Robustheit fehlte. Er hat Besserung gelobt und schaffte es gegen Mailand immerhin, einen Zweikampf gegen Kevin Prince Boateng zu gewinnen. Gegen einen echten Kracher also.

© SZ vom 31.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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