FC Schalke 04:"Ab jetzt geht's steil nach oben"

Lesezeit: 3 min

Schalkes Breel Embolo während des Spiels gegen Mönchengladbach. (Foto: AP)

Nach dem 4:0 gegen Mönchengladbach ist Schalke mehr als erleichtert. Stürmer Breel Embolo kritisiert die Kritiker und wird euphorisch. Manager Heidel ist vorsichtiger.

Von Ulrich Hartmann, Gelsenkirchen

Kindliche Trotzphasen sind schwierig für Eltern, aber wichtig für die Kleinen. Indem sie sich jeglicher Resonanz verweigern und dabei demonstrativ die Ohren zuhalten, trainieren sie ihren Willen, ihre Beharrlichkeit und etwas, das Psychologen Frustrationstoleranz nennen. Vielleicht werden sie später mal Fußballprofi. Sollten sie als Stürmer einst Tore schießen müssen und sich damit schwer tun, dann müssen sie Kritik und Frust tolerieren und beharrlich weiterarbeiten.

Breel Embolo ist neu im Kader des FC Schalke 04 und außerdem der Jüngste. Bis Sonntagabend hatte der 19 Jahre alte Schweizer fast fünf Stunden Bundesligafußball gespielt, ohne ein Tor zu schießen. Skeptische Beobachter begannen sich schon zu fragen, warum Schalke ihn im Sommer für die Vereinsrekordsumme von geschätzten 22 Millionen Euro aus Basel geholt hat. Embolo musste in Gelsenkirchen lernen, die Widrigkeiten des Fußballs auszuhalten. Im Heimspiel am Sonntag gegen Borussia Mönchengladbach hat er dann in der 54. Minute das Tor zur 2:0-Führung erzielt und sieben Minuten vor Schluss den Treffer zum 4:0 (0:0)-Endstand. Nach beiden Treffern hat er einem Millionenpublikum seinen Trotz gezeigt und sich im Zentrum des Jubels demonstrativ die Ohren zugehalten wie ein kleines Kind.

Bundesliga
:"Der Ball war heute ein Schalker Freund"

Durch drei Tore in sechs Minuten erlegt Schalke 04 trotz einer mauen ersten Halbzeit Borussia Mönchengladbach. Breel Embolo nutzt seine Tore zu einer Protest-Geste.

Von Ulrich Hartmann

"Ein Grund für eine Prozession durch die Stadt war dieser Sieg sicher nicht", witzelt der Manager

"Es wurde viel geschrieben und viel geredet", sagte Embolo nach dem ersten Liga-Saisonsieg seiner Schalker, "aber wir haben als Mannschaft zusammengehalten und die negative Stimmung von außen einfach ignoriert." Eine solche Kritik habe er in seiner Laufbahn noch nicht erlebt, berichtete Embolo empört. Mit dem FC Basel ist er drei Mal nacheinander Schweizer Meister geworden, aber auf Schalke geht es um andere Ziele. Der Klub fängt praktisch neu an mit dem Trainer Markus Weinzierl, dem Sportchef Christian Heidel und vielen neuen Spielern. "Trainer, Sportchef und Mannschaft haben hinter mir gestanden und mir Vertrauen gegeben", sagte Embolo. Kein Wunder, sie sitzen ja alle im selben Boot.

Fünf Ligaspiele ohne Punkt hatten die Schalker hinter sich, bloß zwei Treffer binnen mehr als neun Stunden hatten sie geschossen, als sie am Sonntag binnen sechs Minuten drei Mal trafen und in einem schwachen Spiel wie aus dem Nichts 3:0 in Führung gingen. Beharrlichkeit und Frustrationstoleranz werden in einschlägigen Gazetten nie benotet, aber vor allem dafür hatten die Gelsenkirchener diesmal eine Eins verdient. Fußballerisch bleibt Schalkes Performance stark verbesserungswürdig. "Ein Grund für eine Prozession durch die Stadt war dieser Sieg sicher nicht", witzelte Heidel: "Das war nur ein Anfang, in Augsburg müssen wir nachlegen."

Als Heidel im Sommer aus Mainz nach Gelsenkirchen gekommen war, sagte er in jedem dritten Satz, man müsse beim FC Schalke 04 die skeptische Grundstimmung lösen. Indem die Mannschaft ihre ersten fünf Ligaspiele verlor und ans Tabellenende rutschte, unterzog Heidel seinen Ansatz sogleich einer ernsthaften Prüfung. Bemerkenswert war dabei tatsächlich, dass das Publikum zwar oft raunte, sich aber nicht abwendete. Am Sonntagabend, während die Schalker gegen einfallslose Gladbacher ein gleichermaßen einfallsloses Spiel lieferten, zeigten sich die Heimfans wiederum tapfer, und nachdem der Mannschaft der Dreifachschlag gelungen war, sangen die Fans schon inbrünstig: "S04 ist wieder da."

Von dieser Mitteilung inspiriert, weil er seine Gehörgänge zwischenzeitlich wieder freigab, verkündete Embolo nach dem Spiel überschwänglich: "Ab jetzt geht's steil nach oben." Doch bevor sie in Gelsenkirchen ihren steilen Aufstieg umsetzen können, reist Embolo zu zwei Spielen der Schweizer Nationalmannschaft. Dort trifft er zwei Gladbacher wieder. Das sind in dem Torwart Yann Sommer und dem Abwehrspieler Nico Elvedi ausgerechnet zwei Defensive, denen die Schalker einen schönen Schrecken eingejagt haben.

Gladbach riss das Spiel nämlich an sich, kam am Ende laut Statistik auf 72 Prozent Ballbesitz - schaffte es aber nicht, dies in Tore umzumünzen. Mit ihren Defiziten werden beide Europapokal-Anwärter in den kommenden Wochen gut zu tun haben, den Anschluss an die Spitzengruppe herzustellen. Dass die Gladbacher im Falle eines Sieges auf Platz zwei gesprungen wären, so aber nur Neunter sind, ist - positiv formuliert - Ausdruck der tabellarischen Dichte. "Der Blick auf die Tabelle ist jetzt nicht so schön, wie er hätte sein können", sagte der Gladbacher Christoph Kramer. Die Schalker hingegen empfinden im Moment sogar ihren drittletzten Platz als Wohltat. Schließlich haben sie den demütigenden letzten Rang an den Hamburger SV abgetreten.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: