FC Bayern nach dem Freiburg-Spiel:Schleichweg Richtung Krise

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Auch in Freiburg schafft der FC Bayern nicht den ersten Auswärtssieg der Rückrunde. Der dritte misslungene Versuch des Jahres wird begleitet von alarmierenden Signalen. Zumal es am Mittwoch in der Champions League zum FC Basel geht.

Maik Rosner, Freiburg

Uli Hoeneß sagte nur, dass er nichts sagen werde. Toni Kroos brachte ein "heute nicht" über die Lippen. Und Thomas Müller schüttelte unmissverständlich den Kopf. Nein, jedes Wort wäre nun eines zu viel, sollte das wohl heißen. 0:0 hatte der FC Bayern beim Tabellenletzten SC Freiburg am Samstagabend gespielt. In der Tabelle ist Borussia Mönchengladbach vorbeigezogen. Meister Borussia Dortmund hat nun vier Punkte Vorsprung. Die Münchner sind nur noch Dritter.

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Manuel Neuer schlittert durch den Strafraum wie ein Frosch auf Brautschau, Philipp Lahm muss ständig die Hand am Schaltknüppel halten, Franck Ribéry macht die Schwalbe und selbst der FC Robben findet keinen Weg zum Tor. Der FC Bayern beim 0:0 in Freiburg in der Einzelkritik.

Maik Rosner, Freiburg

Diese Fakten allein würden bei den hohen Ansprüchen der Bayern schon genügen, um mittelschwere Turbulenzen auszulösen. Doch diesmal war es im Kern weniger das Ergebnis, das den Branchenriesen empfindlich irritierte. Es waren vor allem die alarmierenden Signale, die die Mannschaft des Trainers Jupp Heynckes während der 90 Minuten gesendet hatte.

Neben Arjen Robben bezog danach nur Kapitän Philipp Lahm Stellung, und es war wohl sein Amt zurück zu führen, weshalb er sich nicht auch schweigend verabschiedete wie die Kollegen. Warum also diese gefühlte Niederlage? "Weil vor allem in der ersten Halbzeit die Laufbereitschaft gefehlt hat, weil wir nicht aggressiv genug gespielt haben, weil wir keine zweiten Bälle gewonnen haben", sagte Lahm. Und warum habe es an all dem gemangelt? "Das weiß ich auch nicht", antwortete er.

Selbst auf die Frage, ob die Meisterschaft immer noch das Ziel sei, eine Frage, die Philipp Lahm normalerweise so tadellos beantwortet hätte, dass jeder Vereinspräsident und jede Schwiegermutter zugleich vor Stolz geplatzt wären, selbst darauf fand nun auch er keine überzeugende Antwort. "Jetzt haben wir es nicht mehr in der eigenen Hand", sagte er ungewohnt zögerlich, "das Ziel ist es natürlich, aber es war ein großer Rückschlag." So habe man am Mittwoch in der Champions League beim FC Basel "keine Chance".

Vor allem die erste Halbzeit wirkte verstörend. Freiburg stellte die deutlich aktivere Mannschaft und trat mit einer Verve auf wie bei jenem ersten Heimsieg gegen die Bayern überhaupt. Im November 1993 gelangen einem Mann mit vorbildlicher Vokuhila-Frisur alle drei Tore beim 3:1. Uwe Wassmer hieß der, und die Bilder seiner legendären Tore haben sie vor dem Spiel noch einmal vorgeführt, als wollten sie die Vergangenheit beschwören.

Nun stromerte der 21 Jahre alte Johannes Flum tatsächlich ähnlich selbstverständlich durch die halbe Defensive der Münchner, erst im letzten Moment wurde er von Jerome Boateng gestoppt, nun hatte Daniel Caligiuri kurz vor Schluss noch das 1:0 auf dem Fuß. Zwei von mehreren Szenen, die Lahms Bestandsaufnahme stützten. Es war sogar so, dass Freiburg wohl nur Spieler der individuellen Klasse der Bayern fehlten, dann hätte dieses Spiel ähnlich deutlich ausgehen können wie damals vor gut 18 Jahren.

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Den Münchnern wiederum fehlte die Freiburger Courage und klare Linie. "Wenn man deutscher Meister werden will, darf man so nicht auftreten. Man muss 100 Prozent auf dem Platz stehen. Das war nicht der Fall", sagte Lahm. "Sorge" bereite ihm das, es gebe "viel Gesprächsbedarf".

Daran änderte auch Thomas Müllers Volleyschuss kurz vor der Pause nichts, die beste Chance der Gäste. Genauso wenig wie die zweite Halbzeit, in der Heynckes umfangreiche Umbauten für den eingewechselten Robben unternahm und immerhin intensivere Bemühungen seiner Elf sowie eine Berührung Jonathan Schmids an Robben Fuß sah, was zu einem Strafstoß hätte führen können. "Wir müssen keine Ausreden suchen", empfahl Heynckes rasch. Ein Alibi in Form weiterer Beiträge zur Schiedsrichter-Debatte, vor dem Spiel angestoßen vom Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge und zugespitzt von Präsident Hoeneß, verbat sich der Trainer.

Zunehmend drängt sich ohnehin der Eindruck auf, dass den Bayern eine Idee und Strategie für ihr Spiel fehlt. In der Hinrunde hatten sie die Freiburger noch mit einem 0:7 nach Hause geschickt. Befreit von den Unbilden der Ära unter Louis van Gaal hatten sie da gewirkt, gestärkt durch die neue Harmonie unter Heynckes. Nun werden sie in München daran erinnert, dass menschliche Wärme allein keinen Erfolg garantiert, und die Störgeräusche nehmen zu.

Im dritten Auswärtsspiel der Rückrunde gelang kein Sieg, und es wirkt, als befinde sich der FC Bayern seit geraumer Zeit auf einem Schleichweg Richtung Krise. Denn seit den fröhlichen Seriensiegen der Hinrunde stimmten zwar zumindest größtenteil noch die Ergebnisse. Dennoch ist mehr verloren gegangen als der verletzte Bastian Schweinsteiger im defensiven Mittelfeld.

"Die Alarmglocken läuten. Alle grundlegenden Elemente haben gefehlt: Leidenschaft, Einstellung, Aggressivität, Laufbereitschaft, aber auch die notwenige Spielanlage, um beim Tabellenletzten dominant und überzeugend zu spielen", bilanzierte nun Sportdirektor Christian Nerlinger und lenkte damit den Blick vor dem Hinspiel in Basel auch auf Heynckes, "wir müssen schleunigst in die Gänge kommen, sonst wird es eine sehr enttäuschende und deprimierende Saison. Wir müssen uns anders präsentieren, sonst wird die deutsche Meisterschaft ein Zweikampf zwischen Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach." Es sei ihm auch "ein großes Rätsel", warum es an den grundlegenden Elementen fehle, Dortmund sei jetzt "natürlich Meisterschaftsfavorit".

Beim Tabellenletzten konnte man das unerwartete Unentschieden immerhin als Bonus im Abstiegskampf verbuchen. "Wir haben taktisch sehr gut gearbeitet, haben wahnsinnig gut gekämpft. Das war ein Punkt, der Gold wert ist", befand Torwart Oliver Baumann. "Wir können von der ersten bis zur letzten Minute stolz sein", sagte Flum. Und Cedrick Makiadi ordnete ein, wobei er den Bayern auch noch ihren Sonderstatus in der Liga nahm: "Man muss es so sehen: Es ist ein Punkt gewesen gegen eine Bundesligamannschaft, nicht mehr und nicht weniger."

Das Selbstverständnis der Bayern ist natürlich ein anderes, sie fühlen sich nicht als irgendeine Bundesligamannschaft, auch wenn sie zuletzt wiederholt so spielten. An dieses versuchte wohl auch Hoeneß zu erinnern. Direkt nach dem Schlusspfiff schritt der Präsident in die Kabine. Als er herauskam, wirkte er irgendwie befreit und verdrückte erst einmal eine Wurstsemmel. Vielleicht war es ja sogar so, dass sich Hoeneß längst deutlich geäußert hatte, als er wie die meisten Freiburg schweigend verließ.

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