Karl-Heinz Rummenigge ist 1,82 Meter groß, auch das muss einmal erwähnt werden in diesen Tagen, in denen sich beim FC Bayern so viel um die Frage nach der Größe dreht. Als Rummenigge noch Fußballstürmer war, gab es andere die größer waren, aber es gab nur wenige, die so wie er Europameister, Europapokalsieger und Europas Fußballer des Jahres wurden; wie unwichtig der eine oder andere Zentimeter mehr oder weniger manchmal sein kann, das weiß Rummenigge also sehr genau.
Und so steht er am Montagmittag mit seinen ganzen 182 Zentimetern am Münchner Flughafen, hinter ihm eine gelbe Werbebande, und wenn Rummenigge am Flughafen vor einer gelben Werbebande steht, dann heißt das: Es steht eine Champions-League-Reise an. Da die Reise diesmal eine ist, bei der es um Größe und Größeres geht, sagt Rummenigge, er habe "Vertrauen" in die Abwehr. Und er fügt hinzu: "Sie haben das zuletzt gut gemacht - unabhängig von ihrer Größe."
Früher Kohler, Reuter und Salihamidzic, heute Vidal und Coman: Dass die beiden Topklubs so gute Handelsbeziehungen haben, liegt auch an einem legendären italienischen Spielerberater.
Wenig später steigen der Vorstandsboss und seine Spieler in die Maschine des Sonderfluges LH 2750 nach Turin, wo der FC Bayern an diesem Dienstag gegen Juventus zum Hinspiel des Champions-League-Achtelfinales antreten wird. Ob das eine erfolgreiche Reise werden wird, da sind sie sich im Klub sicher, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob der eine oder andere Zentimeter mehr oder weniger am Ende vielleicht doch entscheidend war.
21 Spieler sitzen in der Maschine, darunter auch die voraussichtlichen Verteidiger, die alle von Rummenigge überragt werden: David Alaba (1,80 Meter), Joshua Kimmich (1,76 Meter) sowie Kapitän Philipp Lahm und Juan Bernat, die beide genau 1,70 Meter groß sind. "Das wird sicher keine einfache Aufgabe morgen", sagt Alaba, "aber wir müssen versuchen dagegenzuhalten."
Das einfachste Mittel, um den einen oder anderen Zentimeter mehr oder weniger erst gar nicht zum Thema werden zu lassen, sei es, ganz auf Duelle in der Luft zu verzichten, rät Trainer Pep Guardiola. Immerhin wird Juventus entweder mit einer 1,87 Meter großen Sturmspitze (Mario Mandzukic) oder gar mit einer 1,90 Meter großen Sturmspitze (Alvaro Morata) auflaufen.
"Wir können da nicht kämpfen, wir müssen uns auf den zweiten Ball konzentrieren", sagt Guardiola, für den Juventus die "vielleicht beste Mannschaft Europas bei Standardsituationen" ist, denn in ihr sind "alle Spieler richtig, richtig groß". Auch Lahm gesteht: "Bei Kopfballduellen oder defensiven Ecken und Freistößen haben wir ein bisschen Nachteile."
Mit einer Abwehr, die geschwächt ist durch die Ausfälle der Innenverteidiger Jérôme Boateng (1,92 Meter), Javier Martínez (1,90 Meter) und Holger Badstuber (1,90 Meter), will Guardiola ganz besonders auf den eigenen Ballbesitz setzen: "Die beste Idee, um zu gewinnen, ist es, nach vorne zu gehen." Der Trainer weiß, dass die Spiele gegen Turin früh ein Urteil über seine letzte Saison in München fällen könnten.
All sein Streben gilt in diesen Wochen dem Champions-League-Titel, ein frühes Scheitern träfe ihn auch persönlich. "Normalerweise", sagt er, "ist das ein Halbfinale", und selbst ohne die übliche Übertreibung des Katalanen bleibt ein Eindruck, den viele im Klub teilen: Dass sich dieses Achtelfinale zumindest anfühlt wie ein Viertelfinale.
Zu den 21 Spielern, die am Montagnachmittag im Flugzeug nach Turin sitzen, gehört daher auch Medhi Benatia. Der hat nach einer Oberschenkelverletzung zwar erst in wenigen Einheiten mittrainiert, aber Guardiola sagt: "Alle Spieler, die hier sind, können spielen." Denn auch ohne Spielpraxis hat Benatia einen Vorteil, der in diesen Tagen nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: Er ist 191 Zentimeter groß.