FC Barcelona:"Unser Ziel ist es, fünf Tore zu machen"

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"Wenn wir das erste Tor schießen, dann macht das Camp Nou das zweite, und das dritte fällt von selbst": Barcelona-Trainer Luis Enrique. (Foto: REUTERS)
  • 42 Tage nach dem 6:1 gegen Paris Saint-Germain versucht sich der FC Barcelona am nächsten Wunder in der Champions League.
  • Das Team von Luis Enrique verlor das Hinspiel 0:3 - der Coach glaubt dennoch an eine Wende.
  • Doch Juve ist defensiv ausgesprochen stark - und der FC Barcelona hat sich immer weiter von den Erfolgsmodellen der Vergangenheit entfernt.

Von Javier Cáceres, Madrid

In Rosario stand nicht nur die Wiege des Lionel Messi, sondern auch die einer anderen argentinischen Ikone: von Ernesto Che Guevara, des legendäre Guerrilleros mit der Baskenmütze. Er mischte nicht nur die Welt auf in den 50er und 60er Jahren, er hinterließ auch eine Reihe von Sinnsprüchen, von denen einer auf die Herausforderung passt, der sich Messi an diesem Mittwoch in Barcelonas Camp Nou gegen Italiens Rekordmeister Juventus Turin gegenüber sieht. Er lautet: "Lasst uns realistisch sein - und das Unmögliche tun."

Das Unmögliche, das ist in diesem Fall die Umkehrung der 0:3-Niederlage, die Barça gegen Juve vor einer Woche im Hinspiel des Viertelfinals der Champions League erlitt. Nur lassen sich die Begriffe "unmöglich" und "Barcelona" in dieser Saison nicht mehr so gut verbinden: Am Mittwoch werden gerade mal 42 Tage vergangen sein, seit der FC Barcelona Paris St. Germain mit 6:1 aus dem Stadion fegte - und damit im Achtelfinale eines der größeren Wunder der Fußballgeschichte schaffte, mit nicht völlig unerheblicher Hilfe des Bundesliga-Schiedsrichters Deniz Aytekin. Aber der Gegner hieß nun mal PSG, ein Klub, dem das Karma der ganz Großen des Kontinents fehlt. Juve hingegen strotzt nur so davon, und die Sache wird für Barça schon deshalb nicht einfacher, weil sich Wunder nicht beliebig wiederholen lassen.

"Die Situation ist ähnlich wie vor dem Spiel gegen PSG, aber das Gleiche zwei Mal zu vollbringen, ist schwierig", sagte Spielmacher Andrés Iniesta am Dienstag. "Diesmal müssen wir drei Tore schießen, nur drei", sagt Trainer Luis Enrique. "Da Juve aber ein Tor schießen wird, ist es unser Ziel, fünf Tore zu machen", fügte er hinzu. "Und wenn wir das erste Tor schießen, dann macht das Camp Nou das zweite, und das dritte fällt von selbst." Die Frage aber ist: Gilt das auch gegen die Turiner, die sich in dieser Spielzeit wieder einmal als Synonym defensiver Verlässlichkeit präsentiert haben?

Das Verfallsdatum einer sagenhaften Generation rückt näher

In der Champions League hat Juventus nur zwei Tore kassiert, in der ganzen Saison musste Torwart Gigi Buffon in 46 Spielen nur 30 Mal hinter sich greifen. In der Liga hat Juve in nur zwei Partien drei Treffer hinnehmen müssen, gegen Genua und Neapel - und in beiden Spielen trafen die Turiner. Überhaupt haben sie in der laufenden Saison ausschließlich Resultate erzielt, die ihnen am Mittwoch zum Erreichen des Halbfinales verhelfen würden.

Andererseits hat Barça in dieser Saison in der Hälfte seiner Spiele mehr als drei Treffer erzielt, darunter in vier Champions-League-Partien im Camp Nou. Celtic Glasgow wurde 7:0 geschlagen, Manchester City und Borussia Mönchengladbach kassierten in Barcelona je ein 0:4, PSG das erwähnte 1:6. Seit Tagen beschwört die Sportpresse in Barcelona ein neuerliches Wunder. Doch zwischen den Zeilen schimmert auch Skepsis durch, weil Juventus ein taktisch diszipliniertes, solide durchdachtes Konstrukt ist, und weil die aktuelle Konjunktur gegen Barcelona spricht - auch wenn Barça auf den im Hinspiel gesperrten Mittelfeldlenker Busquets zurückgreifen kann.

Sieben Tore hat Barcelonas deutscher Torwart Marc-André ter Stegen in den letzten drei Partien kassiert, am Wochenende siegte sein Team 3:2 gegen Real Sociedad San Sebastián. In den vergangenen Monaten hat sich der FC Barcelona immer weiter von den Erfolgsmodellen der Vergangenheit entfernt, der Fußball erinnert nur noch selten an jene Traumvorstellungen der letzten Jahre. In der Vorstandsetage hält man die Symptome des Niedergangs für unübersehbar, das Verfallsdatum einer sagenhaften Generation rückt näher. Und der unwahrscheinliche Erfolg gegen PSG hat nur zeitweise vergessen gemacht, dass Trainer Luis Enrique zur "Lame Duck" geworden ist, seit er ankündigte, den Job zum Ende dieser Saison niederzulegen.

Auch die Mannschaft scheint das zu spüren, es gibt unübersehbare Risse im Verhältnis zum Trainer. Nach dem Spiel in Paris hatte Luis Enrique noch alle Schuld auf sich genommen, nach der Partie in Turin lud er aber alle Verantwortung auf dem Team ab, warf seiner Elf beim Spiel ohne Ball einen Mangel an Intensität vor - was dort nicht gut ankam. Die Kameras erwischten Luis Enrique dabei, wie er in Turin Javier Mascherano mit derben Worten zurechtwies, anderntags folgte im Trainingszentrum eine ungewöhnlich lange Aufarbeitung der Partie, die von den Medien als Krisensitzung interpretiert wurde. Angeblich gab es heftige Kritik an der Taktik - die Luis Enrique gern zurückgab.

Auch in der Klubführung steht nicht alles zum Besten, die Lösung der Nachfolge Luis Enriques zieht sich hin - wobei Ernesto Valverde, zurzeit Trainer bei Athletic Bilbao, nun als deutlich favorisiert gilt. Und dass Lionel Messi noch immer nicht seine vorzeitige Vertragsverlängerung unterzeichnet hat, sorgt in der katalanischen Hauptstadt noch immer für Nervosität.

Messi selbst steht am Mittwoch vor einer persönlichen Herausforderung. Er ist noch zwei Tore von seinem 500. Pflichtspieltreffer für Barcelona entfernt - und Buffon ist immer noch der einzige unter den weltbesten Torhütern der Gegenwart, der noch nie ein Tor von Messi kassiert hat. Auch an ihn dachte Buffon, als er warnte, dass Barcelona immer imstande sei, sich sein eigenes Schicksal zurechtzubiegen.

"Messi spielt, und mit ihm ist alles möglich", schrieb am Dienstag ein anderer berühmter Sohn Rosarios, der Trainer des argentinischen Weltmeister-Teams von 1978, César Luis Menotti, in einer Kolumne für die Zeitung Sport. "Alles" heißt in diesem Fall: das Unmögliche als realistische Option zu denken.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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