FC Augsburg:Als Helmut Haller den Wembley-Tor-Ball stibitzte

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Bub aus Augsburg: Helmut Haller erzielt im WM-Finale 1966 gegen England das 1:0 für die deutsche Mannschaft. Am Ende verlor das Team 2.4. (Foto: dpa)
  • In der Europa Leage trifft der FC Augsburg auf den FC Liverpool
  • Es ist der vorläufige Höhepunkt einer wundersamen Entwicklung.
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Von Kathrin Steinbichler

Als der Tross des FC Liverpool am Mittwochnachmittag im Augsburger Stadtzentrum eintraf, hatte die Belegschaft des Mannschaftshotels für die Gäste einen langen, roten Teppich ausgerollt. Der englische Premier-League-Klub mitsamt Trainer Jürgen Klopp, der diesen Donnerstag (21.05 Uhr/ Sport1 und Sky) im Europa-League-Hinspiel beim FC Augsburg antritt, soll sich wohlfühlen während seines Aufenthalts. Zumindest abseits des Fußballplatzes.

Als Helmut Haller vor 20 Jahren in London landete, nahm man ihn und sein wertvolles Mitbringsel nervös und aufgeregt zugleich entgegen. Schließlich sah die englische Öffentlichkeit in dem Augsburger den Verantwortlichen dafür, dass die Nationalelf von der Insel seit 1966 keinen Titel mehr gewonnen hat. Damals, am 30. Juli 1966, hatte der Offensivspieler Haller im Londoner Wembley-Stadion Deutschland im Endspiel 1:0 in Führung gebracht. Er, der gelernte Feinmechaniker aus Augsburg-Oberhausen, der es inzwischen als einer der ersten deutschen Fußballer in die italienische Profiliga geschafft hatte, wo er mit dem FC Bologna und Juventus Turin jeweils auch die Meisterschaft gewinnen sollte.

Als die Verlängerung abgepfiffen war und der 4:2-Sieg der Engländer feststand, klemmte Haller sich den - damals noch üblicherweise einzigen - Spielball aus Leder unter den Arm, schüttelte damit auf der Ehrentribüne der Queen die Hand - und ging. Erst als 1996 die Europameisterschaft in England bevorstand, bedrängten ihn Reporter eines Londoner Boulevardblatts, das historische Relikt endlich herauszurücken. Sogar die Deutsche Botschaft in London schaltete sich ein, um außenpolitische Turbulenzen zu verhindern. Schließlich setzte Haller sich in ein Flugzeug - auf dem einen Platz neben ihm sein Sohn Jürgen, auf dem anderen Platz neben ihm der braune Lederball - und übergab das Spielgerät in einem symbolischen Akt an Geoffrey Hurst, den englischen Dreifach-Torschützen des WM-Endspiels.

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(Foto: dpa)

Im WM-Endspiel von 1966 trifft Helmut Haller zum 1:0 gegen England, er nimmt den Ball mit nach Hause und gibt ihn erst 30 Jahre später zurück.

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(Foto: imago sportfotodienst)

2011 sichert Stephan Hain Augsburg mit seinem 2:1 gegen den FSV Frankfurt den Aufstieg in die Bundesliga.

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(Foto: imago/Krieger)

Vier Jahre später hilft Sascha Mölders (Mitte, mit Trainer Markus Weinzierl), den FCA in die Europa League zu schießen.

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(Foto: Andrej Isakovic/AFP)

Von Anfang an wünschte sich der FCA dort den FC Liverpool. Dass es nun so kommt, ist dem 3:1 von Raul Bobadilla bei Partizan Belgrad zu verdanken.

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Solche Abende wollen sie in Augsburg noch öfter haben: große Kulisse mit Flutlicht, große Choreografie, große Gegner.

Heute ist der Ball, geschützt von einer Glasvitrine, als nationales Kulturgut im National Football Museum in Manchester ausgestellt. Nur knapp 55 Kilometer entfernt von der Anfield Road, dem Stadion des FC Liverpool. Dass es nun 50 Jahre nach Hallers Finalauftritt nicht nur ein Augsburger Fußballer, sondern gleich der gesamte FC Augsburg geschafft hat, sich in einem internationalen Wettbewerb mit dem englischen Fußball zu messen, ist für FCA-Trainer Markus Weinzierl "der gefühlte Höhepunkt der Entwicklung der letzten Jahre". Torhüter Marwin Hitz pflichtet ihm bei: "Das darf man schon als Belohnung für die letzten Jahre ansehen." In denen nämlich legte der FCA einen sportlichen wie infrastrukturellen Aufstieg hin, wie er einem deutschen Klub in dieser Geschwindigkeit noch nicht gelungen ist.

Am 8. Mai 2011 bebten die Zuschauertribünen der erst zwei Jahre zuvor eröffneten Arena in Augsburg ein erstes Mal, als Stürmer Stephan Hain am vorletzten Spieltag der zweiten Bundesliga in der 85. Minute der 2:1-Siegtreffer gegen den FSV Frankfurt gelang. Mit den drei Punkten stand der FC Augsburg unter Trainer Jos Luhukay als Bundesliga-Aufsteiger fest - nur elf Jahre, nachdem der FCA aus finanziellen Gründen vom Deutschen Fußball-Bund zwangsrelegiert worden war und in der viertklassigen Bayernliga noch mal ganz von vorne anfing. Mit dem Einstieg des Unternehmers Walther Seinsch als Präsident und Mäzen gelang den Schwaben erst die Sanierung, dann der Stadionbau und schließlich der Weg in die Bundesliga.

Nachdem der FCA mit Weinzierl als Trainer und durch ein 3:1 über Greuther Fürth am letzten Spieltag 2012/13 den Abstieg verhindern konnte, gelang der Mannschaft zwei Spielzeiten später ein Coup, der das Fußball-Establishment zum Staunen brachte: Am letzten Spieltag 2014/15 in Mönchengladbach geriet der FCA zunächst in Rückstand, ehe Pierre-Emile Höjbjerg, Tim Matavz und Sascha Mölders die Partie in ein 3:1 drehten - der FCA konnte als Tabellenfünfter den direkten Einzug in die Europa League feiern. "In Europa kennt uns keine Sau", stand damals zur Feier des Tages auf den T-Shirts. Das hat sich spätestens mit dem Tor von Raul Bobadilla beim "Wunder von Belgrad" geändert.

"Traumspiele" gegen Liverpool

Vor dem letzten Spieltag der Gruppenphase am 10. Dezember standen die Chancen aufs Weiterkommen nicht gut, die Schwaben mussten bei Partizan Belgrad mit zwei Toren Unterschied gewinnen. Wieder geriert der FCA zunächst in Rückstand, wieder kam die Mannschaft zurück. Eine Minute vor dem Abpfiff war es Bobadillas Kopfballtor zum 3:1, das den FCA in die K.o.-Phase hievte. Die beiden Duelle gegen den FC Liverpool jetzt nennt FCA-Manager Stefan Reuter "Traumspiele". Weinzierl betont: "Wir sind klarer Außenseiter, aber diese Rolle liegt uns eigentlich."

Helmut Haller, der 2012 verstorben ist, wurde vom FCA 2015 mit einer Bronzestatue vor der Arena geehrt. Die Statue setzt zum Torschuss an - und hat als Gruß an England einen Ball unter dem Arm.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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