Interview mit Doping-Experte:"So dumm kann man gar nicht sein"

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Doping-Experte Fritz Sörgel wundert sich über Clenbuterol im Körper von Tour-Sieger Contador. Er glaubt eher an eine unprofessionelle Dopingszene als an verunreinigtes Fleisch.

Interview. David Binnig

Alberto Contador, dreifacher Gewinner der Tour de France, wurde positiv auf Doping getestet. Nicht auf Epo oder ein anderes modernes Wundermittel, sondern auf Clenbuterol. In der DDR wurde der Stoff einst als Kälbermastmittel eingesetzt, 1992 geriet er nach einem positiven Test der Leichtathletin Katrin Krabbe in die Schlagzeilen. So wie vergangene Woche - als den Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov dasselbe Schicksal ereilte. sueddeutsche.de sprach mit dem Doping-Experten Professor Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg, über den Fall Contador.

Der Nachfolger von Lance Armstrong, der neue Dominator der Tour de France: Alberto Contador wurde positiv auf Clenbuterol getestet. (Foto: REUTERS)

sueddeutsche.de: Herr Professor Sörgel, wir sind verwirrt: Wir dachten, Clenbuterol sei als Dopingmittel schon lange nicht mehr en vogue.

Fritz Sörgel: Dass sich Contador damit erwischen lässt, hat uns alle überrascht. Man sollte meinen: So dumm kann man gar nicht sein, sich mit Clenbuterol zu dopen. Es hat eine Halbwertszeit von etwa 35 Stunden - und ist also mit den heutigen Methoden noch mindestens eine Woche nach der Einnahme nachweisbar.

sueddeutsche.de: Wie erklären Sie sich dann die positive Dopingprobe des dreifachen Tour-de-France-Gewinners?

Sörgel: Ich denke ganz einfach, dass die Dopingszene weniger professionell ist als die meisten Leute annehmen. Ich habe andere Vorstellungen davon, was da abläuft. Denn die meisten Dopingskandale haben eines gezeigt: Die Sportler testen alles an sich aus. Was ihnen hilft, nehmen sie. Bei den Sportlern auf Intelligenz und Rationalität zu setzen - das mache ich schon lange nicht mehr.

sueddeutsche.de: Die Trial-and-Error-Methode im Profisport, in dem es um Millionen geht?

Sörgel: Die Athleten haben wohl entdeckt, dass ihnen Clenbuterol guttut - beziehungsweise ihrer Leistung. Und ich vermute, sie dachten, Clenbuterol sei in geringen Konzentrationen nicht nachweisbar. Zu ihrem Pech sind die neuen Testgeräte aber sehr empfindlich.

sueddeutsche.de: Was bringt Clenbuterol den Sportlern eigentlich?

Sörgel: Es hat eine beta-2-mimetische Wirkung. Es sorgt dafür, dass sich die Atemwege erweitern und die Atmung erleichtert wird. Zudem wird die Fettverbrennung angekurbelt und der Muskelabbau bei hohen Belastungen verlangsamt.

sueddeutsche: Aber die in Contadors Dopingprobe gefundene Konzentration lag bei nur 50 Pikogramm. Das klingt recht wenig.

Sörgel: Ist es auch. Andererseits sind das nicht nur Spuren von Spuren. Wir messen an unserem Institut heute Asthmamittel im Bereich von bis zu unter einem Pikogramm pro Milliliter. Das wäre etwa ein Fünfzigstel der bei Contador im Urin gefundenen Menge. Dopingsünder entwischen heute nicht mehr so leicht.

sueddeutsche.de: Wie steht es um die Wirkung einer solchen Mikrodosis?

Sörgel: Es gibt wohl Effekte auf die Leistung. Wir wissen nur nicht genau, welche. Die Suche nach ihnen wird mit dem Contador-Fall erst richtig beginnen.

sueddeutsche.de: In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass der deutsche Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov in China positiv auf Clenbuterol getestet wurde ( am Donnerstag wurde bekannt, dass auch Ovtcharovs B-Probe positiv ist; Anm. d. Red.). Er hatte die gleiche Erklärung dafür wie Contador: verunreinigtes Fleisch.

Sörgel: Die Portionen, die Sportler so essen, sind nicht ganz klein. Theoretisch könnte wohl eine Mahlzeit ausreichen, um auf einen solchen Wert zu kommen. Aber ich halte diese Erklärung für sehr unwahrscheinlich.

sueddeutsche.de: Warum?

Sörgel: Wegen der Lebensmittelkontrollen. In der EU sind die Richtlinien für Lebensmittel sehr streng. In China ist das was anderes, dort könnten solche Verunreinigungen vielleicht mal vorkommen.

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