Ex-Kugelstoßerin Petra Lammert:Vom Ring in den Kanal

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Die Weltklasse-Kugelstoßerin Petra Lammert musste 2010 wegen einer Ellbogen-Verletzung ihre Leichtathletik-Karriere beenden. Mit 26 Jahren. Dann vollzieht sie einen erstaunlichen Wechsel - und ist jetzt Anschieberin der schnellsten Bobfahrerin der Welt.

Matthias Kohlmaier

Viele Menschen suchen sich in ihrem ersten Lebensdrittel ein Berufsfeld, das ihren Neigungen und Talenten entspricht, und bleiben dann ein Leben lang dabei. Manchmal kommt dann aber alles ganz anders - wie bei der Kugelstoßerin Petra Lammert. Sie musste sich 2010 von ihrer ersten Karriere - von dem, was "lange Zeit mein Lebensinhalt" war, wie sie sagt - im Alter von nur 26 Jahren verletzungsbedingt verabschieden.

Neues Sportlerglück: Anschieberin Petra Lammert (rechts) zusammen mit ihrer Pilotin Sandra Kiriasis. (Foto: AP)

Dem Leistungssport ist sie trotzdem erhalten geblieben: Seit diesem Winter sitzt Petra Lammert als Anschieberin im Bob der Olympiasiegerin und siebenfachen Weltmeisterin Sandra Kiriasis.

Die deutsche Leichtathletik-Szene handelte sie als großes Talent, dem Werfer- und Stoßerland sollte eine neue Medaillengewinnerin erwachsen. Letztlich spielte aber die Physis nicht mit. "Bei der EM 2010 in Barcelona ging ohne Schmerzmittel schon gar nichts mehr", erklärt die gebürtige Freudenstädterin die letzten Zuckungen ihrer Laufbahn als Kugelstoßerin. Am Ende halfen selbst die vielen Spritzen in den lädierten Ellenbogen nichts mehr: "Ich konnte die nötigen Trainingsumfänge einfach nicht mehr machen." Bereits 2008 hatte sie sich bei einem Trainingsstoß das Ellenbogengelenk ausgekugelt, eine Operation und der Verzicht auf Olympia 2008 in Peking und die Heimweltmeisterschaften 2009 in Berlin waren die Folge.

Aufgeben wollte Lammert da aber noch nicht. Sie kämpfte sich nach der Operation zurück und feierte Ende 2009 mit dem Gewinn der Hallen-EM den ersten internationalen Titel ihrer Laufbahn - es sollte der letzte sein. Die Schmerzen wurden immer schlimmer, auch die Konsultation eines Ellenbogenspezialisten in Zürich konnte die Situation nicht merklich verbessern. Sie habe damals "alle Pro- und Kontrapunkte lange gegeneinander abgewogen", erzählt Lammert im Gespräch mit sueddeutsche.de. Am Ende eines langen Entscheidungsprozesses stand dann im November 2010 das Karriereende.

Fast zeitgleich mit dem Ende ihrer Laufbahn in der Leichtathletik bekam Petra Lammert ein Angebot, das ihr eine neue Perspektive im Leistungssport bieten sollte. Sandra Kiriasis, neunfache Gesamtweltcupsiegerin im Zweierbob, wollte die heute 27-Jährige als Anschieberin haben. Bereits 2003 war der Kontakt zu Kiriasis über Lammerts damaligen Trainer Peter Selzer entstanden, später traf man sich gelegentlich, wenn ein Trainingslager in der Sportschule Kienbaum anstand.

"Da kamen wir dann ins Gespräch und so habe ich das auch nicht mehr aus den Augen verloren", berichtet Lammert. Das Engagement im Zweierbob ist also keine Fügung des Schicksals, sondern am Ende das Ergebnis von Networking unter Leistungssportlern.

In die Weltcupsaison 2011/12 ging Lammert dann bereits als Stammanschieberin im vierköpfigen Team um Sandra Kiriasis - und holte bei ihrem allerersten Weltcuprennen in Innsbruck mit Pilotin Kiriasis gleich Rang zwei. Der Podiumsplatz war hart erkämpft, voran gingen viele Stunden Arbeit.

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"Es sieht halt immer ein bisschen gewöhnungsbedürftig aus, wenn man einen Werfer sprinten sieht", erklärt Lammert mit einer gewissen Selbstironie. Auf den ersten 20 bis 30 Metern sei ein Werfer zwar sehr schnell, es habe aber viel Training gebraucht, um auf "die Frequenz und Schrittlänge zu kommen, die benötigt wird, um einen Bob in kürzester Zeit zu beschleunigen." Die Umstellung im Krafttraining sei dagegen kein großes Problem gewesen, erinnert sich Lammert weiter.

Den wichtigsten Titel während ihrer Laufbahn als Kugelstoßerin gewann Lammert 2009: Sie wurde in Turin Halleneuropameisterin. (Foto: dpa)

Ein Ziel hat die 27-Jährige im Bobsport auch schon: die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi. "Mit der Olympiateilnahme könnte ich im Bob das nachholen, was im Kugelstoßen nicht geklappt hat", erklärt Lammert. Mittelfristig will sie sich aber auf die Weltcupsaison und auf die Weltmeisterschaft 2012 in Lake Placid konzentrieren - und zwar weiterhin als Anschieberin. Vorerst.

In Innsbruck musste sich das Team Kiriasis/Lammert Anja Schneiderheinze und ihrer Anschieberin Lisette Thöne geschlagen geben. Das ist insofern interessant, als Schneiderheinze ihre Karriere ebenfalls als Anschieberin von Sandra Kiriasis begonnen hat. "Vielleicht werde ich nächstes Jahr mal als Pilotin eine Bahn runterfahren", meint Lammert: "Dann wird man sehen, ob die Trainer sagen, dass ich dieses Ziel weiterverfolgen soll, oder lieber beim Anschieben bleiben sollte." Die Olympiavorbereitung wolle sie aber auf jeden Fall als Anschieberin absolvieren.

Petra Lammert wird also auch weiterhin Leistungssport betreiben, obwohl der Wechsel von der Leichtathletik in den Bobsport mit spürbaren finanziellen Einbußen verbunden ist. "Man kann das überhaupt nicht mit der Leichtathletik vergleichen", erläutert Lammert. Bei den ersten beiden Weltcupwettbewerben des Winters in Innsbruck und La Plagne habe es zum Beispiel überhaupt kein Preisgeld gegeben.

"Da gibt es einen Pokal, einen Blumenstrauß und vielleicht noch ein Souvenir - das war es dann aber auch", so die 27-Jährige: "Da bekommt man keine Umschläge in die Hand gedrückt."

Parallel zum Leistungssport studiert Lammert Psychologie an der Fernuniversität Hagen. "Ich muss mir wirklich ein gutes Zeitmanagement zurechtlegen, wenn ich das alles unter einen Hut bringen möchte", gesteht sie. Zumindest das hat sich im Leben der Ex-Kugelstoßerin und Jetzt-Bobanschieberin Petra Lammert nicht geändert.

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