Englands Tabellenführer FC Arsenal:Genugtuung in der Besenkammer

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Fäuste nach oben: Laurent Koscielny (links) und Per Mertesacker vom FC Arsenal. (Foto: Getty Images)

Mit dem Sieg im Spitzenspiel gegen Liverpool zerstreut der FC Arsenal letzte Zweifel an seiner Widerstandsfähigkeit. Das Team um Mesut Özil und Per Mertesacker hat sich zum echten Titelkandidaten entwickelt. Am Mittwoch wartet Borussia Dortmund in der Champions League.

Von Raphael Honigstein, London

Die Atmosphäre in dem winzigen Kabuff hinter dem Pressepodium war nach Spitzenspielen in den vergangenen Jahren zumeist sehr beklemmend. Arsène Wenger musste der kleinen Runde der Tageszeitungsreporter dort regelmäßig die Gründe für Niederlagen gegen die besseren Premier-League-Teams erklären, seine Gesichtsfarbe passte sich dabei nicht selten der grauen Schaumstoffverkleidung an.

Am Samstag aber strahlte die Zufriedenheit geradezu aus dem Franzosen, und zum ersten Mal seit dem Umzug ins neue Stadion vor gut sieben Jahren lag ein Hauch von Meisterschaftsgefühl in der Besenkammer. "Mit jedem Sieg wirst du stärker", sagte der Trainer des Tabellenführers nach dem überzeugenden 2:0 (1:0) gegen den FC Liverpool, "die Spieler glauben an sich, und wenn andere auch an das Team glauben, verstärkt das den Glauben nur noch mehr."

Der eine oder andere Arsenal-Fan war nach zwei Heimniederlagen in der Champions League (1:2 gegen Dortmund) und im Liga-Pokal (0:2 gegen Chelsea) womöglich ein wenig vom Glauben abgefallen, doch der souveräne Erfolg gegen die Überraschungsmannschaft von der Mersey bestätigte die Londoner endgültig als ernsthaften Titelkandidaten in der unberechenbaren Liga. Chelsea, das unter José Mourinho gerade wieder zu alter Stärke gefunden zu haben schien, leistete sich eine verblüffende 0:2-Niederlage bei Newcastle United, während sich die Klubs aus Manchester mit Siegen gegen Fulham (3:1, United) und Norwich City (7:0, City) zurückmeldeten.

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Wirkliche Konstanz zeigt nur der FC Arsenal. Fünf Punkte Vorsprung hatten die Gunners am Samstagabend auf die Konkurrenz, "wenn ich das nach der 1:3-Niederlagen gegen Aston Villa gesagt hätte, hätte ich aus dem Stadion rennen müssen", lachte Wenger, "ihr hättet mich umgebracht." Seit dem misslungenen Saisonauftakt haben seine Spieler in neun Partien 25 Zähler geholt.

Liverpool, das unter Trainer Brendan Rodgers ein sehr unenglisches 3-5-2-System spielt, stellte die Gästemannschaft nur in den Anfangsminuten sowie in einer Drangphase nach dem Seitenwechsel vor größere Probleme. Die Abwehr um den überragenden Per Mertesacker ließ im Verbund mit dem zentralen Mittelfeld kaum Torchancen des gefährlichsten Sturmduos auf der Insel - Luis Suárez und Daniel Sturridge - zu.

"Wir müssen unserer Defensive heute ein großes Kompliment aussprechen", sagte Wenger. Mertesacker und Torhüter Wojciech Szczesny drehten vor lauter Freude über das "clean sheet", also das Spiel ohne Gegentor, nach dem Schlusspfiff eine kleine Ehrenrunde. "Wir sind enttäuscht, aber manchmal muss man akzeptieren, dass die anderen die bessere Mannschaft waren", sagte Rodgers, 40.

Bis zum 1:0 von Santi Cazorla, der als kleinster Mann auf dem Platz zunächst mit einem Kopfball den Pfosten traf und den Abpraller volley ins Netz verwandelte (19.), war auch Arsenal nicht wirklich zwingend zum Abschluss gekommen, "wir waren nervös und zu vorsichtig", erklärte Wenger später. Mit zunehmender Spieldauer tänzelten Cazorla und Mesut Özil aber immer eleganter um das bleierne Mittelfeld der Gäste: Deren Veteran Steven Gerrard, 33, erlebte den Großteil der Partie als bedauernswertes Schweinchen in der Mitte.

Ein schöner Weitschuss in den Winkel von Aaron Ramsey (59.), der mit seinen nun schon zehn Toren eine der erstaunlichsten Faktoren für den Aufschwung der Nord-Londoner darstellt, brachte nach Vorlage von Mesut Özil die Entscheidung. "In den letzten Jahren sind wir oft schlecht gestartet und mussten dann hinterherrennen", sagte Ramsey, "dieses Mal läuft es anders."

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Wenger wusste, dass im Falle eines Misserfolgs gegen die als Dritte in der Tabelle angereisten Reds wieder die üblichen Zweifel an der Widerstandsfähigkeit seiner Technikertruppe gekommen wären ("Es war wichtig zu zeigen, dass wir diese Art von Spielen gewinnen können").

Aber damit ist es mit den Berechtigungsnachweisen in dieser wichtigen Woche noch nicht getan. Am Mittwoch muss der FC Arsenal in der Champions League bei Borussia Dortmund punkten - und dann am kommenden Sonntag zum Premier-League-Klassiker bei Manchester United antreten.

Wenger hatte am Freitagabend den 6:1-Sieg von Jürgen Klopps Mannschaft am Fernseher verfolgt, teilweise. "Ich habe die erste Hälfte geschaut, aber schon nach 20 Minuten gesehen, dass es ein zu leichtes Spiel für sie werden wird", behauptete der 64-Jährige, "mir wäre es lieber gewesen, wenn sie mehr gefordert worden wären. Leider war es ein schönes Freundschaftsspiel für sie."

Am Mittwochabend wird es wohl eine Spur unfreundlicher und enger zugehen.

© SZ vom 04.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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