EM-Achtelfinale:Xhaka versagen die Nerven

EM-Achtelfinale: Verschoss seinen Elfmeter: Granit Xhaka.

Verschoss seinen Elfmeter: Granit Xhaka.

(Foto: AFP)

Im ersten EM-Achtelfinale besiegt Polen die Schweiz im Elfmeterschießen, allein Granit Xhaka verschießt. Dabei hatte es nach einem Traumtor von Xherdan Shaqiri so gut ausgesehen.

Von Ulrich Hartmann, Saint-Étienne

Neun Minuten hatten den Polen nur noch gefehlt zum Einzug ins Viertelfinale, als sich der Schweizer Xherdan Shaqiri am Samstagnachmittag in der 82. Minute nicht mehr anders zu helfen wusste, als per Seitfallzieher aus 16 Metern ein Traumtor zu erzielen. Mit 1:1 ging das aufregende erste Achtelfinalspiel dieser Europameisterschaft erst in die Verlängerung und dann ins Elfmeterschießen.

Gleich die erste K.o.-Partie des Turniers schuf einen herrlichen Präzedenzfall. Vor dem Schweizer Fanblock schoss dann nur Granit Xhaka als zweiter Schweizer Schütze neben das Tor, so dass die fünf Mal treffsicheren Polen am Ende doch noch als Sieger vom Platz tanzten. Das 6:5 (1:1, 1:1, 1:0) bringt sie ins Viertelfinale am Donnerstagabend in Marseille.

"Es war ein großer Kampf", sagte Polens überragender Torhüter Lukasz Fabianski, "am Ende war es sehr emotional, zum Glück haben wir gewonnen." Sein Gegenüber Yann Sommer dagegen beklagte fehlendes Glück: "Das ist unglaublich bitter. Wir hätten es verdient gehabt."

Die Schweizer haben die besseren Chancen

Die Polen hatten die Partie mit einem enormen Elan eröffnet, als fürchteten sie ihren eigenen Minimalismus. 1:0, 0:0, 1:0 waren ihre drei Gruppenspiele ausgegangen, was aber immerhin die respektable Punktzahl von sieben eingebracht hatte. Diesmal wollten die Polen die Sache schneller und klarer entscheiden. Sie attackierten bereits in den ersten Sekunden dermaßen aggressiv, dass der Schweizer Torwart Yann Sommer nach 20 Sekunden einen gefährlichen Ball zu seinem bedrängten Verteidiger Johan Djourou warf, so dass dieser den Ball gleich wieder zurückspielte und damit Sommer in die Bredouille brachte.

Er musste knapp vor Robert Lewandowski retten und hatte danach Glück, dass Arkadiusz Milik den Rebound über das polnische Tor drosch. Die Schweizer waren sichtlich überrascht von so vehementer anfänglicher Attacke der Kontrahenten und brauchten lange, um ins Spiel zu finden. Während auf polnischer Seite Lewandowski (13.), Grzegorz Krychowiak (29.), Kamil Grosicki (31.) und Milik (33.) mehr oder weniger weit am Tor vorbeischossen, hatten die Schweizer weniger, aber bessere Chancen. Fabian Schärr köpfelte in der 35. Minute dem polnischen Torwart Lukasz Fabianski den Ball in die Arme, und einen abgefälschten 20-Meter-Schuss von Blerim Dzemaili lenkte Fabianski gerade noch über die Latte.

Sechs Minuten vor der Pause gingen die Polen in Führung, weil die Schweizer Valon Behrami, Granit Xhaka, Admir Mehmedi und Stefan Lichtsteiner gemeinsam nicht in der Lage waren, den auf Links vorpreschenden Grosicki an einer Hereingabe zu hindern. Sein Ball ging mit etwas Glück durch bis auf die andere Seite, wo Polens Rechtsaußen Jakub Blaszczykowski Zeit und Raum hatte, den Ball anzunehmen und unter dem herausstürmenden Torwart Sommer hindurch ins Tor zu schießen. Es war das zweite Turniertor des zuletzt an Florenz ausgeliehenen Dortmunders.

"Hopp, Schwyz!" - aber es hilft nichts

Als die Partie neuerlich angepfiffen wurde, waren es diesmal die Schweizer, die ihren Motor aufheulen ließen und Polen zügig unter Druck setzten. Shaqiri war zwar nomineller Rechtsaußen, tauchte aber wie der Igel im Wettlauf mit dem Hasen stets an mehreren Stellen gleichzeitig auf und war es auch, der Fabianski in der 51. Minute mit einem Fernschuss zu einer Faustabwehr provozierte.

Polen hatte wegen der aufgerückten Schweizer Mannschaft nun mehr Platz vor dem gegnerischen Tor. Blasczcykowski prüfte Sommer (55.), Lewandowski wurde bei einem Konterversuch von Schärr übel abgegrätscht. Lewandowski lag lange am Boden und hielt sich die Hände vors Gesicht, konnte aber weiterspielen. Schärr sah Gelb. Seine Sperre im nächsten Spiel ist hinfällig.

Derdiyok hat zweimal die Chance zum Siegtreffer

Der vermutlich künftige Schalker Breel Embolo kam nach 58 Minuten für Dzemaili. "Hopp, Schwyz!", riefen die Fans, aber das Schweizer Passspiel war bei hohem Tempo auf den letzten Metern vor dem Tor oft zu ungenau. Der durch die schwindende Zeit anwachsende Druck machte es ihnen nicht leichter. Der frühere Leverkusener und Hoffenheimer Eren Derdiyok kam 20 Minuten vor Schluss für den Leverkuser Mehmedi ins Spiel. Einen 20-Meter-Freistoß des Wolfsburgers Ricardo Rodriguez holte Fabianski in der 74. Minute aus dem Torwinkel. In der 79. Minute traf der Frankfurter Haris Seferovic aus 15 Metern nur die Latte.

Der Ausgleich lag nun in der Luft, aber wer hätte gedacht, dass Shaqiri dazu gleich das bislang schönste Tor der EM erzielen würde. Mit einem artistischen Seitfallzieher von der Strafraumgrenze bezwang er den fabulösen Fabianski in unwiderstehlicher und unhaltbarer Manier mit einem Schuss an den Innenpfosten, der von dort ins Tor prallte. Der 24-Jährige von Stoke City brachte die schon abgeschriebenen Schweizer zurück ins Spiel sowie in eine Verlängerung, in der dann aber mit weniger Risiko gespielt wurde. Vor allem auf polnischer Seite. Derdiyok hätte in der 113. und 118. Minute das Elfmeterschießen beinahe noch verhindert, doch Fabianski rettete zwei Mal.

Im Elfmeterschießen versagten dann bloß dem Mönchengladbacher Xhaka die Nerven. Er schoss am Tor vorbei und ließ seine Schweizer trauern. Mit 55 Prozent Ballbesitz und mehr Torchancen hatten sie versäumt, den Sieg zuvor zu sichern.

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