Eintracht Frankfurt:Heulen um den jungen Wolf

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Marius Wolf spielt künftig beim BVB. (Foto: REUTERS)
  • Bei Eintracht Frankfurt gehen im Sommer neben Trainer Niko Kovac auch entscheidende Spieler.
  • Lukas Hradecky geht nach Leverkusen, Alexander Meier bekommt keinen neuen Vertrag.
  • Aus sportlichen Gründen ist es der Abschied von Marius Wolf zum BVB, der Frankfurt schmerzt. Kaum ein Spieler stand so sehr für Kovacs Werk der vergangenen Saison.

Von Sebastian Fischer und Frank Hellmann

Es war ein Abend im Oktober 2017, und die Zeiten bei Eintracht Frankfurt waren goldig. So sagte es der Trainer Niko Kovac, er hatte mit der Eintracht gerade einen Monat lang nicht verloren, eine besondere Saison deutete sich an. "Für uns war es insgesamt ein goldiger Oktober", sagte Kovac nach einem 1:1 gegen Mainz. Und dann lobte er noch jenen jungen Mittelfeldspieler, der dafür verantwortlich war, mit einem Tor und zwei Vorlagen in drei Spielen. Kovac sagte über Marius Wolf: "Wir werden in Zukunft noch viel Freude an ihm haben."

Nun, sieben Monate später, ist Eintracht Frankfurt DFB-Pokalsieger und spielt demnächst im Europapokal. Doch mit der Freude auf die Zukunft ist das so eine Sache. Am Montag teilte der Klub mit, Stürmer Alexander Meier nicht mehr zu beschäftigen, den Publikumsliebling, den sie in Frankfurt "Fußballgott" nennen. An Kovac' Stelle wird sich an diesem Mittwoch der Österreicher Adi Hütter als neuer Trainer vorstellen. Torwart Lukas Hradecky wechselt zu Bayer Leverkusen. Und seit Montag steht auch fest, dass Wolf, 23, den Verein verlassen wird. Für die festgeschriebene Ablösesumme von fünf Millionen Euro wechselt er zu Borussia Dortmund. Er soll dort bis 2023, so lange läuft sein Vertrag, sehr viele Millionen Euro mehr als in Frankfurt verdienen können.

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Der Abschied von Meier, 35, beschäftigt die Frankfurter vor allem emotional. Als er im letzten Heimspiel nach mehr als einem Jahr Verletzungspause eingewechselt wurde und ihm drei Minuten reichten, um ein typisches Meier-Tor mit der Innenseite zum 3:0 gegen den Hamburger SV zu schießen, drohte die Frankfurter Arena aus den Fugen zu geraten, so ekstatisch jubelten die Zuschauer. Sie fragen sich nun: Hätte Meier, der in 336 Spielen für die Eintracht 119 Tore schoss, nicht mit einem Einjahresvertrag noch helfen können, wo der Kader aufgrund der höheren Belastung durch die Europa League doch eigentlich viele Ergänzungsspieler verträgt, und auch über einen Weggang von Stürmer Ante Rebic schon spekuliert wurde? "Natürlich wissen wir, dass viele Alex auch in den kommenden Jahren im Eintracht-Trikot sehen möchten", wurde Sportvorstand Fredi Bobic in der Mitteilung zitiert, die der Klub am Abend verschickte: "Aber wir müssen sagen, dass wir hier aus sportlichen Gründen auf jüngere Spieler setzen."

Wolf steht stellvertrend für Kovacs Leistung in Frankfurt

Aus sportlichen Gründen ist es eher Wolfs Abschied, der Frankfurt schmerzt. Kaum ein Spieler stand so sehr für das Kovac-Werk der vergangenen Saison: unterschätzte, bereits abgeschriebene Profis in Bundesligaprofis zu verwandeln.

Wolfs Karriere begann vor ein paar Jahren in München mit einer Drohung: "Dann spielt halt der junge Wolf", sagte Ricardo Moniz im Sommer 2014, er trainierte den TSV 1860 München, der damals noch ein Zweitligist war, der in die Bundesliga aufsteigen wollte. Der Niederländer Moniz, ein Freund des offenen Wortes, sagte auch: "Marius ist ein fauler Drecksack, aber ein fantastischer Fußballer." Er wollte so den Klub dazu bringen, neue Spieler zu verpflichten, was schiefging: Moniz wurde kurz darauf entlassen. Unter Nachfolger Torsten Fröhling wurde Wolf mit 19 zum Zweitliga-Stammspieler.

In der Jugend des 1. FC Nürnberg aussortiert, hatte er sich in München in der Not empfohlen, ähnlich wie Julian Weigl, ebenfalls 1995 geboren. Weigl wechselte bereits im Sommer 2015 von 1860 zu Borussia Dortmund und spielte für die Nationalmannschaft. Wolf wechselte im Januar 2016 zu Hannover 96 und verschwand in der sportlichen Bedeutungslosigkeit.

"Ich hatte ein bisschen Bauchschmerzen wegen seiner Entwicklung in Hannover", sagt Trainer Fröhling, der den Kontakt mit Wolf hielt: "Marius braucht einen Förderer", sagt er. Doch Trainer Daniel Stendel schickte ihn in Hannovers Regionalliga-Mannschaft. Als Fröhling Wolf jedoch fragte, ob er Interesse an einem Wechsel zum Drittligisten Wehen-Wiesbaden habe, den Fröhling zu der Zeit trainierte, da habe Wolf abgelehnt und immer gesagt: "Trainer, das wird noch."

Im Januar 2017 lieh die Eintracht Wolf aus und verpflichtete ihn ein Jahr später, nachdem er in der Hinrunde vom sechsten Spieltag an immer in der Startelf gestanden hatte, mal im rechten Mittelfeld, mal in der Zentrale. Auf Empfehlung von Kovac arbeitete Wolf mit Krafttraining an seinem Gewicht, er wiegt nun bei einer Größe von 187 Zentimetern 79 statt 74 Kilogramm. Wolf ist schnell, dabei ballsicher, "er ist immer unterwegs, hoch und runter, den kriegst du nicht tot", sagte Bobic mal. Und Kevin-Prince Boateng, der mit Wolf befreundet ist, sagte: "Wenn der nicht Nationalspieler wird, dann höre ich auf."

Nun sollte man vielleicht trotzdem nicht vergessen, dass hier immer noch vom jungen Wolf die Rede ist, von einem Spieler, sagt sogar Fröhling, bei dem er früher manchmal den Eindruck hatte, er höre nicht immer so aufmerksam zu, wenn ihn jemand kritisierte. Und klar: "Er hat auch mal andere Sachen Kopf." Neulich ließ er sich vom Sender Sky in seiner Frankfurter Wohnung besuchen, es sollte wohl eine Art Reality-Show über sein glamouröses Leben darstellen, Wolf präsentierte seine Tattoos und seine Schuhsammlung. Doch Fröhling sagt: "Ich denke, dass er den Schuss gehört hat." Sich auf den Job zu konzentrieren, meint er. In Dortmund zu spielen, das sei Wolf schon zuzutrauen.

Bliebe noch zu klären, wie es in Frankfurt weitergeht. Der Umbruch im Sommer wird größer ausfallen als gedacht. Spekuliert wird über die Zugänge des Franzosen Jonathan Bamba aus St. Etienne (als Ersatz für Wolf) und des Angreifers Christian Fassnacht, den Hütter von den Young Boys Bern mitbringen könnte. Frankfurt kann alle Einnahmen in den Kader investieren, dank der Europapokal-Teilnahme steigt das Personalbudget erstmals auf mehr als 50 Millionen Euro. Der Vorstand hat einen Zehn-Millionen-Transfer in Aussicht gestellt. Niemand müsse seine Dauerkarte zurückgeben, "weil er Angst hat, dass keiner der Leistungsträger mehr da ist", sagt Aufsichtsrat Wolfgang Steubing.

Ein paar Fans werden sie aber trösten müssen: 1335 Anhänger hatten eine Online-Petition für einen neuen Vertrag für Alex Meier unterstützt.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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