Dreifache Olympiasiegerin Domratschewa:Die den Berg hinauftanzt

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Tänzerische Leichtigkeit: Darja Domratschewa bei ihrem Sieg im Biathlon-Massenstart (Foto: Getty Images)

Dreimal Olympia-Gold und die einzige "Heldin Weißrusslands": Darja Domratschewa dominiert die Biathlon-Rennen mit einer seltenen Leichtigkeit. Und hofft, dass die Siege ihrem deutschen Trainer beim Kampf gegen den Krebs helfen.

Von Carsten Eberts, Krasnaja Poljana

Gabriela Soukalová hat am Montagabend erzählt, wie es ist, hinter Darja Domratschewa den Berg hinaufzustapfen. Es waren erschütternde und wunderschöne Worte zugleich. Mit harter Arbeit habe das nur noch wenig zu tun, sagte Soukalová, "sie tanzt den Berg hinauf". Domratschewa hat gelacht, als sie von den Ausführungen ihrer zweitplatzierten Kollegin erfuhr. Sie tanze tatsächlich gern, das sei sogar eines ihrer liebsten Hobbys. Und irgendwie sei Skilaufen tatsächlich wie Tanzen. "Man kann", sagte Domratschewa, "auch in der Loipe tanzen."

Der Weißrussin fällt alles leicht dieser Tage in Sotschi. Das ist bemerkenswert, vor allem, weil keiner anderen Biathletin sonst etwas leicht fällt. Die Piste ist schwer und sulzig, vollgesogen mit Wasser, notdürftig präpariert mit Salz, das aber dennoch keinen festen Untergrund garantiert. Domratschewa fliegt über den Matsch hinweg, als wäre er gar nicht da. Im Sprint-Rennen landete sie noch auf Rang neun, dann ließ sie drei Olympiasiege folgen: in der Verfolgung, im Einzel, nun auch am Montagabend im Massenstart. Sie würde wohl auch noch Staffel-Gold holen, hätte ihr Land, Weißrussland, nur noch mehr solche Biathletinnen hervorgebracht.

Doch in Weißrussland gibt es nur Domratschewa. Der Orden als "Герой Беларусі" wurde ihr verliehen, als "Heldin Weißrusslands". Nur noch zehn anderen Landsleuten wurde diese Ehre bislang zuteil; sie ist die einzige Frau unter ihnen. Auch die Russen feiern sie, als sei sie eine von ihnen. Domratschewa ist 13 Jahre ihrer Kindheit in Sibirien aufgewachsen, in Njagan, in der Region von Chanty-Mansijsk. Sie habe die Leute schreien hören auf der Strecke, erzählte Domratschewa: "Sie riefen meinen Namen. Das passiert nicht jedem."

Drei Olympiasiege, damit gehört Domratschewa bereits jetzt zu den Gesichtern der Winterspiele von Sotschi. Die Zeiten des Unglücksmädchens, das 2009 in Oberhof statt liegend im Stehen schoss, fünf Fehler kassierte und von der ganzen Branche getröstet werden musste, sind längst vorbei.

Erbin von Magdalena Neuner

Und sie hat auch ein etwa zwei Jahre altes Versprechen ein gelöst: Als nach dem Rücktritt von Magdalena Neuner in der Öffentlichkeit ihr Erbe verteilt wurde, fiel der Name Domratschewa sehr häufig. Schon in Neuners letztem Jahr lieferten sie sich faszinierende Duelle. Beide gleichstark in der Loipe, Domratschewa galt als die etwas bessere Schützin. Neuner sprach stets voller Achtung von ihrer Konkurrentin. Anderen war die plötzliche Leistungssteigerung der Weißrussin in anderer Hinsicht aufgefallen. Der deutsche Bundestrainer Uwe Müßiggang bezeichnete ihre Steigerung als "ein Stück weit ungewöhnlich". Im Land, für das sie läuft, ist der Sport staatlich kontrolliert. Effektive Kontrollen kann es kaum geben. Müßiggang wollte dies aber nicht als Hinweis auf mögliche Dopingpraktiken verstanden wissen. Offiziell auffällig wurde Domratschewa nie.

Das erste Jahr nach Neuner lief schleppend an. Andere hatten aufgeschlossen, die Norwegerin Tora Berger, auch die Deutsche Andrea Henkel und die Finnen Kaisa Mäkäräinen. Der Gesamtweltcup ging an Berger. Erst zum Ende der Saison holte Domratschewa bei der WM in Nové Město eine Medaille, die Goldene im Massenstart.

Dass sie nun das Maß der Dinge ist, hat auch mit ihrem Trainer zu tun, dem Deutschen Klaus Siebert. Nach seinem Aus als deutscher Ko-Trainer 2002 war Siebert auf Weltreise gegangen, schloss sich erst dem österreichischen Verband an, dann dem chinesischen, schließlich wechselte er nach Weißrussland. Insbesondere Domratschewa nahm er unter seine Beobachtung. Sie sagt, Siebert sei "wie ein zweiter Vater". Siebert spricht von "meiner Dascha".

Die Bilder der Eröffnungszeremonie
:Geschichtsballett auf Russisch

Fliegende Inseln, großes Kino, vier Ringe mit Sternchen und jede Menge Feuerwerk - die olympische Eröffnungsfeier lebt auch in Sotschi vor allem von starken Bildern. Eindrücke von der Zeremonie.

Dass Siebert trotz Krankheit den Weg nach Sotschi fand, rechnet ihm Domratschewa hoch an. Sie hoffe, ihre Medaillen täten ihm gut, sagte Domratschewa. Siebert, 58, steht kurz vor einer erneuten Krebs-OP.

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