Dopinggeständnis des Ex-Radprofis:Ullrichs absurdes Abstreiten hat ein Ende

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Jan Ullrich: Sieht sich nicht als Betrüger (Foto: ddp)

Er hat geschimpft, geklagt und teilweise sogar Recht bekommen: Jan Ullrich wehrte sich jahrelang gegen Dopingvorwürfe, mit einer Vielzahl von Dementis und gerichtlichen Verfügungen. Sein Geständnis, Blutdoping begangen zu haben, führt diese nun ad absurdum. Eines bleibt dem gefallenen Radprofi: seine eigene Überzeugung, trotz allem kein Betrüger zu sein.

Von Saskia Aleythe

Jan Ullrich hat einen Satz, den er liebt und gerne wiederholt. "Ich habe nie betrogen", lautet dieser Satz, den er einverleibt hat und vermutlich selbst im Delirium noch wiedergeben könnte. Auch auf sein Geständnis im Interview mit dem Magazin Focus, er habe Blutdoping unter dem spanischen Sportmediziner Fuentes betrieben, folgt dieser Satz. "Betrug fängt für mich dann an, wenn ich mir einen Vorteil verschaffe. Dem war nicht so. Ich wollte für Chancengleichheit sorgen." Das ist Ullrichs Realität.

Es ist ein halbherziges Bekenntnis, das Ullrich abgibt, und für die, die dem Tour-de-France-Sieger von 1997 viele Jahre lang ein Doping-Geständnis abringen wollten, löst es mehr Empörung als Genugtuung aus. Bestritten hat Ullrich die letzten Jahrzehnte etliche Vorwürfe, gegen einige geklagt und einstweilige Verfügungen bewirkt. Gegen den Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke etwa, der Ullrichs Beichte nur belächeln kann. "Das ist ein neuer Europarekord der Lüge. Er hat ja 2006 oder 2007 in vier Sprachen geschrieben, dass er Herrn Fuentes gar nicht kenne. Er hat damals vor Gericht eine Unterlassung gegen mich erwirkt, die ich erst nach viereinhalb Jahren umdrehen konnte", sagt der Heidelberger Molekularbiologe.

Die ersten Dopingvermutungen liegen schon länger als ein Jahrzehnt zurück, 1999 berichtete der Spiegel über systematisches Doping im Team Telekom, dem Ullrich damals angehörte. Der Rennstall zeigte sich empört, die Klage folgte, das Magazin musste eine Gegendarstellung abdrucken. "Gegen uns wurde in den vergangenen Wochen eine regelrechte Hexenjagd inszeniert, das Urteil macht mich glücklich", sagte Ullrich damals und weiter: "Ich habe nicht gedopt, dope nicht und werde nicht dopen. Geht es nicht mehr mit Spitzenleistungen, greife ich nicht zur Spritze, sondern höre auf."

"Die Ärzte wissen Bescheid"

Es ist der Beginn einer Reihe von Dementi, die in ihrer Anhäufung und dem jetzigen Geständnis immer bitterer klingen. 2001 erfolgt eine Doping-Razzia am Rande der Giro d'Italia, die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen gegen Ullrich auf. Telekom-Arzt Lothar Heinrich bestätigt, dass Ullrich Asthma-Mittel verabreicht bekommt, seit 1998 steht die Krankheit in seinem Gesundheitsbuch. "Es ist nicht glaubhaft, dass so viele Kader-Athleten Asthma-krank sind", sagte Klaus Müller, Leiter des Doping-Kontrolllabors in Kreischa, damals der SZ. Die Inflation der Atteste erklärte sich Müller mit der "Gefälligkeit" der unterzeichnenden Ärzte. Für Ullrich gibt es kein Problem, er wiegelt entsprechend ab: "Ich bin Asthmatiker und brauche Sprays und Tabletten, und wenn es ganz schlimm kommt, Kortison. Aber das ist alles kein Problem, das steht in meinem Gesundheitspass, die Ärzte wissen Bescheid."

Den vorzeitigen Tiefpunkt erreicht Ullrich 2002: Er hat mit Knieproblemen zu kämpfen, er muss die Tour de France absagen. Mit 1,4 Promille begeht er Fahrerflucht, wenige Wochen später fällt er in einem Dopingtest auf. In seinem Reha-Quartier in Bad Wiessee wird er positiv auf Amphetamin getestet. Seine Begründung: eine Partynacht, in der er Ecstasy genommen habe. Ullrich bezeichnet die Einnahme als "Riesendummheit", sagt aber auch: "Ich habe noch nie eine verbotene Substanz probiert, um meine Leistung zu verbessern." Ullrich wird für ein halbes Jahr gesperrt und von seinem Team suspendiert.

Der wohl größte Dopingprozess in der Geschichte des Radsports kommt 2006 ins Rollen - und mit ihm verhärtet sich auch der Verdacht gegen Ullrich. Zusammen mit etlichen anderen Sportlern taucht sein Name auf einer Liste des spanischen Arztes Eufemiano Fuentes auf, bei dem bei einer Razzia unter anderem Blutkonserven sichergestellt werden. Einen Tag vor dem Start der Tour de France wird Ullrich von seinem Team suspendiert. "Ich bin ein Opfer, weil ich hier in Bombenform angereist bin", sagt Ullrich, "ich könnte heulen".

Sieben Monate später gibt Ullrich seinen Rücktritt bekannt. Er bestreitet weiter alle Doping-Vorwürfe und sagt den bleibenden Satz: "Ich habe nie jemanden betrogen." Die Ermittlungen gegen Ullrich laufen weiter, bis im Februar 2012 der Internationale Sportgerichtshof Cas sein Urteil im Fuentes-Prozess spricht. Er sieht es als erwiesen an, dass Ullrich von 2005 an Kunde von Fuentes gewesen ist und Doping betrieben hat. Nach dem Urteil gesteht Ullrich, Kontakt zu Fuentes gehabt zu haben. Mehr aber auch nicht.

Es ist nur wenige Wochen her, dass Ullrich einen weiteren Einblick in seine Welt gegeben hat. In einem Interview mit der Sportbild sagte er über seinen überführten Kollegen Lance Armstrong, es sei schade, "dass durch diese Armstrong-Geschichte dem Radsport wieder ein Riesenschaden zugefügt wurde, besonders in Deutschland".

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