Dopingfall Contador:Nur allerfeinstes Kalbsfilet

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Die Schuld trifft ein Stück Fleisch: Der spanische Toursieger Alberto Contador führt seine positive Dopingprobe auf verunreinigtes Essen zurück. Dabei gibt es auch eindeutige Hinweise auf Eigenblutdoping.

Javier Cáceres

"Vamos, Alberto!", rief ein Fan, als die knapp einstündige Pressekonferenz des Alberto Contador aus dem Madrider Vorort Pinto zu Ende gegangen war, und in den Beifall, der aufbrandete, fielen auch die Journalisten ein. Der Ruf, der Beifall, das alles hieß: Halt durch, Alberto! Auch das wirst du meistern, wir stehen zu dir!

Er ist der Nachfolger von Lance Armstrong: Der dreifache Gewinner der Tour de France, Alberto Contador. (Foto: AP)

Jahr um Jahr hatte Contador diesen 20 Kilometer vor Madrid liegenden Vorort ein bisschen berühmter gemacht, er hatte das Gelbe Trikot des Toursiegers in diese anonyme Schlafstadt aus rotem Ziegelstein gebracht und den immer auffälligeren sportlichen Ruhm Spaniens gemehrt. Und sie alle hatten davon etwas abbekommen, irgendwie. Die Nachbarn, die Landsleute, die Sportjournalisten. So einem kehrt man nicht einfach so den Rücken. Auch jetzt nicht. Oder: gerade jetzt nicht. Jetzt, da die Nachricht in den sonnigen Tag platzt, dass Contador, der beste der überaus erfolgreichen Radfahrer der spanischen Gegenwart, dreimaliger Tourgewinner, positiv getestet worden ist. Gedopt war. Mit einem Mittel, mit dem sonst Kälber gemästet werden. Clenbuterol.

Weiß wie die Unschuld

Erschöpft hatte er ausgesehen, als er den Raum betreten hatte, um sieben Minuten nach zwölf. Seine Augen verrieten, dass er wenig, womöglich gar nicht geschlafen hatte, und seine heisere Stimme, dass ihm der Auftritt wohl nicht ganz einfach fiel. Er hatte, womöglich nicht ganz zufällig, ein Hemd gewählt, das so unbefleckt und weiß war wie ein Brautkleid, und er sagte drei oder vier Mal, stets die Stimme hinter einem Strauß aus Mikrofonen hebend, dass er "laut und klar" reden könne und wolle, weil er "nichts zu verbergen" habe, "jedem ins Gesicht schauen" könne: "Mein Drehbuch ist die Wahrheit."

Dann erzählte er, in freier Rede, seine Geschichte: dass er am 21. Juli abends, am Ruhetag in Pau, getestet worden sei und in der Analyse 50 Picogramm (0,000 000 000 05 Gramm pro Milliliter) Clenbuterol in seinem Blut gefunden wurden, er davon am 24. August erfuhr und zwei Tage später mit der medizinischen Abteilung des Radsportweltverbandes UCI zusammengesessen habe. "Die UCI selbst sagte, dass es ein Fall von Nahrungsmittelverunreinigung war, in dem ich das Opfer bin", sagte Contador.

Ausflug zum Metzger

"Welches ist die beste Person, die mir ein Gutachten erstellen kann?", habe er dann gefragt, und der Chef der medizinischen Abteilung, Mario Zorzoli, habe ihn an den Maastrichter Experten Douwe de Boer verwiesen. Dieser erstellte auch prompt eine zehnseitige Expertise, in der die These von der Nahrungsmittelverunreinigung verteidigt wird. Eine Erklärung dafür, wie das Clenbuterol in seinen Körper kam, hatte Contador ebenfalls parat. Demnach sei José Luis López Cerrón, Direktor der Vuelta Castilla y León, "so freundlich gewesen", den Koch von Contadors damaligem Astana-Teams erstens anzurufen, zweitens zu fragen, ob dieser irgendwas brauche, und drittens auch noch beim Metzger vorbeizufahren.

Wo, das wolle er für sich behalten, sagte Contador - er wolle ja nicht die ganze Fleischindustrie in Verruf bringen. Später ergänzte Cerrón allerdings, dass er das Fleisch bei einem Metzger im baskischen Irún gekauft und es sich um allerfeinstes Kalbsfilet gehandelt habe, das er vakuumverpackt über die Grenze gebracht habe. Zusammen mit dem obligatorischen spanischen Rotwein.

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Dass Contador das Fleisch überhaupt zu sich nahm, sei einer Häufung böser Zufälle zu verdanken gewesen, erklärte der Radprofi mit treuem Augenaufschlag. Denn eigentlich esse man als Radfahrer an Ruhetagen kein Fleisch. Um nicht zuzunehmen. Aber an dem Tag tat er es irgendwie doch, ebenso der Rest der Mannschaft. Zuerst sei eine Gruppe mit kasachischen Fahren rund um Alexander Winokurow ins Hotel-Restaurant gegangen und habe nach dem Genuss von viel zu zähem französischem Filet so sehr das Gesicht verzogen, dass man auf das Mitbringsel von López Cerrón zurückgegriffen habe.

Der Tour-de-France-Dominator kam in Weiß zur Pressekonferenz. "Er ist ein sauberer Sportler und Mensch", sagt der spanische Staatssekretär für Sport über Alberto Contador. (Foto: AP)

Der Koch habe es in der Küche des Teambusses angerichtet, weil der Hotelkoch niemanden an seine Herdplatten lassen wollte. "Das Fleisch war, ehrlich gesagt, zu gut, um zuzulassen, dass es im Abfall landet", sagte Contador. Er führte dann aus, dass zum Dopingtest aus dem Astana-Team nur zwei Fahrer gebeten wurden: Winokurow und er. Also ausgerechnet die beiden Männer, die von Kühen verschiedener Herkunft gegessen hatten, so dass kein Vergleichsfahrer herangezogen werden kann.

"Ein sauberer Mensch"

Schon 2006 war Alberto Contadors Name im größten Dopingskandal aufgetaucht, der Spanien bisher erschüttert hat. In den Unterlagen des Dopingarztes Eufemiano Fuentes war von einem "A.C." die Rede, der aus den Akten auf mysteriöse Weise verschwand. "Der Doktor Eufemiano steht abseits von all diesen Dingen", sagte Contador, als ihn jemand nach dem Gynäkologen aus Gran Canaria fragte. Szenegerüchten zufolge betreut Fuentes weiterhin oder wieder spanische Radfahrer, verurteilt ist er ja noch nicht, die Dopingaffäre mit dem Namen Operación Puerto harrt noch immer der juristischen Aufarbeitung.

Ein anderer Arzt, Rasmus Damsgaard, lieferte derweil gegenüber dem dänischen Sender TV2 eine andere Erklärung für den positiven Test von Contador. "Wenn das Datum stimmt, ist es mehr als wahrscheinlich, dass er (Contador) 'einen Landis' gemacht hat, also eine Transfusion von Eigenblut bekommen hat, das ihm Monate vorher, sprich: als er das Clenbuterol benutzt hatte, abgenommen worden war", sagte Damsgaard, der einst ein Antidopingprogramm für Saxobank erstellte - das künftige Team von Contador, das vom früheren (seinerzeit gedopten) Toursieger Bjarne Riis geleitet wird.

Riis trat seinem neuen Schützling zur Seite, er sprach lediglich von einem unglücklichen Befund. Auch der spanische Staatssekretär für Sport, Jaime Lissavetzky, fand bloß positive Worte. "Er ist ein sauberer Sportler und Mensch." Und überhaupt: Er habe ihm sein Ehrenwort gegeben.

© SZ vom 01.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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