DFB-Team:Hummels grätscht sich zurück ins Spiel

Lesezeit: 2 min

  • DFB-Verteidiger Mats Hummels kehrt nach seiner Wadenverletzung beim Spiel gegen Polen in die Startelf zurück - und zeigt nach Anlaufschwierigkeiten, warum er dort hingehört.
  • Am Ende agiert er sogar aufgeräumter als der ohnehin starke Jérôme Boateng.
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Von Thomas Hummel, Saint-Denis

Man dachte eigentlich, dass der Maulwurf aus der deutschen Nationalmannschaft vor langer Zeit verbannt worden sei. Seit der Europameisterschaft vor vier Jahren war keine Aufstellung mehr ans Tageslicht gekommen, bevor die Pressestelle der Nationalmannschaft sie - meist eine Stunde vor Spielbeginn - veröffentlichte. Doch an diesem Donnerstagmittag kehrte er zurück, der Geheimnisverräter: "Bereit für mein erstes Spiel bei dieser EM!", so stand es im Social-Media-Kanal Twitter. Der Maulwurf gab sich sogar zu erkennen, er hieß Mats Hummels.

Rundherum wurde diese Nachricht so verstanden, dass Hummels am Abend spielen würde. Vor 26 Tagen hatte er beim DFB-Pokalfinale einen Muskelfaserriss erlitten, im Gegensatz zu seinen früheren Dortmunder Kollegen Marco Reus und Ilkay Gündogan schaffte Hummels es zwar in den Kader, doch das erste Gruppenspiel der EM gegen die Ukraine hatte er verpasst. Shkodran Mustafi nahm seinen Platz ein. Mustafi spielte ordentlich bis gut und köpfelte auch noch das 1:0.

Mustafi hatte nicht die Leistung geboten eines Mannes, der unbedingt beim nächsten Mal draußen bleiben muss. Insofern markiert Hummels' Nachricht einen bösen Verstoß gegen die Benimmregeln der Nationalmannschaft. Maulwurf Mats merkte das wohl und schickte kurz darauf einen "Missverständnis-Alarm". Er kenne die Aufstellung noch gar nicht, er habe nur mitteilen wollen, dass er in Zweifelsfall fit sei.

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Vom Eröffnungsspiel am 10. Juni bis zum Finale am 10. Juli 2016: Der Spielplan mit allen Begegnungen, Spielorten und Anstoßzeiten der Europameisterschaft in Frankreich.

Es war dann aber doch keine Überraschung mehr, als Mats Hummels am Abend im Stade de France tatsächlich in der Startelf auftauchte. Bundestrainer Joachim Löw hatte noch am Tag zuvor erklärt, dass er auf keinen Fall ein Risiko mit Hummels eingehen werde. "Sollte er sich nicht hundertprozentig fit fühlen", würde er keinesfalls spielen. Aber das hatte sich ja dann erledigt.

Hummels agierte gleich gewohnt erhaben. Allein seine aufrechte Erscheinung flößt so manchem Gegner Respekt ein. Löw schätzt Hummels inzwischen wegen seines sicheren Passspiels, mit dem er von hinten die deutsche Kombinationsmaschine anwerfen kann. Der Bundestrainer hatte ihn sogar als möglichen Kapitänsanwärter genannt, als feststand, dass Bastian Schweinsteiger erst einmal nicht von Anfang an spielen könne. So musste auch Mustafi einsehen, dass ein fitter Hummels eben in der Startelf steht.

Doch allein mit schönem Aufbauspiel war es gegen diese Polen nicht getan, beim gefürchteten Sturmpaar Robert Lewandowski und Arkadiusz Milik rechneten die Deutschen auch mit heikler Defensivarbeit. Und da kamen nach 20 Minuten Zweifel auf, ob Hummels schon wieder im Wettkampfmodus war. Er ließ sich vom energischen Lewandowski den Ball stibitzen, die Kollegen Jérôme Boateng und Manuel Neuer halfen aus. Es war nicht das einzige Mal, dass Hummels leicht in Bedrängnis geriet gegen die ungemein flinken Polen.

Eingesprungene Grätsche gegen Milik

Was kaum verwunderlich war, hatte er doch bis zum Spiel nur dreimal mit den Teamkollegen trainiert. Kurz darauf kam Hummels gegen Lewandowski zu spät in einen Zweikampf und fällte den Polen regelrecht. Er bot allerdings auch starke Szenen wie eine eingesprungene Grätsche gegen Milik, wenngleich diese nicht halb so spektakulär war wie die anschließende Fluggrätsche von Boateng gegen Lewandowski.

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Mit zunehmender Spieldauer wurde Hummels sicherer. Als sich die Polen nach der Pause auf ihre Stärke des pfeilschnellen Konterspiels besannen, stand ihnen häufig Hummels im Weg. Mal überzeugte er mit klugem Stellungsspiel, mal mit kernigem Zweikampf-Einsatz. Die Wadenmuskulatur bestätigte damit das Gefühl ihres Herrn, dass sie wieder für ein Fußballspiel auf höchster Ebene hergestellt war. Und als gegen Ende Boateng emotional mit seinen Mitspielern haderte, gab Hummels eher den Ruhepol in der Abwehr.

Anlass zu einem neuerlichen Missverständnis-Alarm gab es auf dem Platz auch nicht mehr, was die Macher beim FC Bayern ebenfalls mit Wohlwollen registriert haben dürften. "In der zweiten Halbzeit hatten wir schon zweimal großes Glück. Wir können nicht ganz zufrieden sein", zog Hummels am Ende ein ambivalentes Fazit. Zu seiner eigenen Leistung fiel ihm ein: "Am Ende hat doch ein wenig die Kraft gefehlt."

© SZ vom 17.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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