DFB-Sieg in Spanien:Alle Wünsche erfüllt

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Anführer einer gereiften Elf: Toni Kroos (Foto: dpa)

Nach den Schluffi-Momenten gegen Irland und Gibraltar unterstreicht die DFB-Elf im letzten Länderspiel des Jahres ihre Reife. Nach dem WM-Triumph besiegt die Nationalmannschaft sogar das große Vorbild Spanien - auch wegen eines Taktik-Kniffs von Bundestrainer Löw.

Von Jonas Beckenkamp, Vigo

Es ließe sich wunderbar über das Stadion Balaidos berichten, ein Konstrukt von solch anrührender Baufälligkeit, dass es einem das Herz erwärmt. In dem eine Dose Bier 1,50 Euro kostet, in dem die Aufgänge jeder Brandschutzverordnung spotten und das seit seiner Premiere als WM-Arena (!) im Jahr 1982 munter vor sich hinmodert. Man könnte den Regen würdigen, denn es schüttete so dermaßen, dass im Himmel über Galicien alle Wasservorräte alle sind. Oder man beginnt einfach mit dem Ende dieses Spiels, das für die deutsche Nationalelf trotz aller Widrigkeiten einen feierlichen Jahresabschluss bildete.

Mit dem 1:0 (0:0) gegen Europameister Spanien endete ja nicht irgendein Fußballjahr. 2014 erfüllte sich die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw sämtliche Wünsche. Der WM-Titel überstrahlt alles, natürlich. Aber als sich im Matschkick von Vigo Toni Kroos in vorletzter Minute daran erinnerte, "dass der spanische Ersatztorwart schon zuvor einen Schuss abklatschen ließ", erlebten die deutschen Weltmeister noch ein Bonus-Highlight: Nach 14 Jahren und einigen bitterlich missratenen Versuchen glückte endlich wieder ein Erfolg gegen die großen Spanier.

"Ich habe einfach geschossen. Zurzeit läuft es eben sehr gut bei mir", sagte Kroos, der bei Real Madrid gerade Spaniens Liga zum Staunen bringt. Sein Hieb mit rechts titschte so gefährlich auf, dass Francisco Casilla (er war in der 77. Minute für Iker Casillas gekommen) der Ball um die Ohren sauste.

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Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gewinnt zum Abschluss des WM-Jahres erstmals seit 14 Jahren wieder gegen Spanien. Toni Kroos erzielt an einem ungemütlichen Abend in der 89. Minute per Fernschuss den einzigen Treffer.

Damit war gewiss: Deutschland besiegt Spanien, etwas glücklich, aber wen kümmert das noch unter dem Weihnachtsbaum. Auch das noch in diesem Wahnsinnsjahr. Selbst, wenn es nur ein Test war, dessen Relevanz sich sogar der Bundestrainer gut hinbiegen musste, verfestigte sich der Eindruck: Diese DFB-Elf macht auch mit einer Startformation aus dem Zauberwürfel vieles richtig.

"Spanien und Deutschland haben in den vergangenen Jahren den Weltfußball dominiert. Auch wenn einige Spieler fehlten, war es ein Prestigeduell, ein wichtiges Spiel", stellte Löw klar. Der Bundestrainer wirkte nach den gibraltarischen Grummeltagen bemüht, das Erreichte positiv zu würdigen. Er hatte ja recht: Wer diese Spanier bezwingt, muss fußballerisch auf hohem Niveau agieren.

Das tat seine Mannschaft, Rumpfelf-Tendenzen auf beiden Seiten hin oder her. Die Deutschen lieferten tatsächlich eine reife, aufgeweckte Vorstellung ab. "Wir haben es hervorragend geschafft, uns zu organisieren. Vor allem in der zweiten Hälfte konnten wir unser Spiel von hinten raus gestalten", sagte der Bundestrainer, "insofern bin ich sehr, sehr zufrieden mit dem Abschluss dieses Jahres."

Dass es phasenweise so aussah, als würde man die Spanier richtig nerven, lag an einem Taktik-Kniff Löws. Gegen die variablen, technisch begabten Tiki-Taka-Typen des Gegners ließ er hinten mit der Dreierkette Antonio Rüdiger, Shkodran Mustafi und Benedikt Höwedes spielen. Aus dem 3-4-3 wurde bei Ballbesitz des Gegners aber schnell eine Fünferreihe in der Defensive, indem Erik Durm und Sebastian Rudy außen mithalfen. "Wir mussten das Zentrum gut besetzen, weil Spanien das Spiel durch die Mitte macht und immer mit zwei hohen Außenverteidigern spielt, die eine Viererkette auseinanderziehen würden", sagte Löw, "die drei haben das sehr gut gemacht, sie waren immer wachsam, immer hochkonzentriert."

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Mit dieser Analyse lag Löw richtig. Mustafi gab mit lautstarken Kommandos eine Art Libero, Rüdiger warf sich lustvoll in jeden Zweikampf und Höwedes vermied mit geschickter Positionierung unnötige Duelle gegen Dribbelrenner wie Isco oder Raul Garcia. Löws Systemrochade ging erstaunlich gut auf - kein Wunder, dass seine Vorgaben besten Anklang beim Personal fanden.

Höwedes sprach von "spielintelligenten Leuten auf dem Platz" und durfte sich dabei ruhig selbst mit einbeziehen. Mustafi sagte: "Wir haben auf diese Art noch nie zusammen gespielt, aber wenn es so funktioniert, macht es Spaß." Und Toni Kroos richtete ausdrücklich Lob an den Trainer für den "guten Plan".

So geht die deutsche Auswahl mit zweierlei Gefühlen in ein eher ereignisarmes Übergangsjahr 2015. Erstens: An der Identität dieser Mannschaft ist auch nach Schluffi-Momenten wie zuletzt gegen Irland oder Gibraltar nicht zu rütteln. Die Ausrichtung passt, denn Löw versteht es, Veränderungen feinfühlig zu implementieren. Und zweitens: Es kann noch so viel regnen, am Ende gewinnen die Deutschen.

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