DFB:Praktikant Klose könnte bald ein echter Trainer sein

Lesezeit: 4 min

Miroslav Klose: Neuer Job beim DFB (Foto: dpa)

Pilotprojekt beim DFB: Miroslav Klose ist jetzt der zweieinhalbte Assistent von Trainer Löw. Das ist für den Verband ein Blick in die Zukunft, Klose selbst hat schon Pläne für weitere Hospitationen.

Von Christof Kneer

Dienstagabends ist Miroslav Klose immer noch Spieler. Man sieht ihn dann so, wie er immer war, leicht drehender Oberkörper, leicht angewinkelte Arme, torgefährlich, beweglich, mannschaftsdienlich. Das sind Eigenschaften, die Klose schon immer ausgezeichnet haben, aber am Dienstagabend sind diese Eigenschaften neuerdings besonders wichtig. Torgefährlichkeit ist erforderlich, weil sonst Jörg Butt die Bälle hält. Beweglichkeit ist ebenfalls unerlässlich, um den Grätschen von Christian Wörns ausweichen zu können. Und mannschaftsdienlich sollte man schon deshalb sein, damit Jens Lehmann hinten drin nicht wieder schimpft.

Wer nicht zufällig noch Fritz Walter miterlebt hat, kann sich den deutschen Fußball ohne Miroslav Klose eigentlich gar nicht vorstellen, aber es ist ja tatsächlich so: Klose, 38, hat vor kurzem offiziell und unwiderruflich sein Karriereende bekannt gegeben - Ausnahme eben: Dienstagabend. Da trifft er sich mit Jens Lehmann, Jörg Butt, Christian Wörns, Thomas Hitzlsperger, Marco Kurz, Benny Lauth und ein paar anderen alten Helden auf dem Gelände des TSV 1860 München zur persönlichen Karriereverlängerung.

Dieser Dienstagabend liefert einen schönen Überblick über einige Aggregatszustände, die diese Branche zu bieten hat; da kicken Ex-Profis mit, arbeitslose Profis, Trainer mit Job, Trainer ohne Job sowie Teilzeit-Funktionäre mit Medienverpflichtungen. Und natürlich Miro Klose, dessen Jobbeschreibung aus einem einfachen Grund besonders ungewöhnlich ist: Weil es diesen Job bisher noch nicht gab. Klose ist etwas Neues.

Serge Gnabry im DFB-Team
:Löws neuer Luftikus

Serge Gnabry steht vor seinem Debüt in der Nationalelf. Mittelfristig heißt sein Ziel: Champions League. Doch warum wechselte er dann zu Werder Bremen?

Von Jörg Marwedel

Miroslav Klose ist ein erdverbundener Mensch aus Blaubach-Diedelkopf, er schmunzelt milde, wenn er die 1000 neuen Anglizismen in seiner Branche hört, und ausgerechnet er muss nun damit leben, dass man ihn Trainee nennt. Wenigstens sieht dieses Wort einem anderen Wort ähnlich, das ihm deutlich lieber wäre.

Trainee ist in Kloses Fall fast wie Trainer, nur halt irgendwie nicht ganz richtig.

Klose steht bei der deutschen Nationalmannschaft vor dem WM-Qualifikationsspiel in San Marino wieder auf dem Trainingsplatz, aber er steht nicht mehr bei den Spielern. "Wir sehen Miro als Mitglied unseres Trainerteams", sagt Thomas Schneider, 44, der zusammen mit Marcus Sorg, 50, das Assistenten-Duo des Bundestrainers bildet. Klose ist jetzt der zweieinhalbte Co-Trainer; der dritte darf er offiziell nicht sein, weil ihm noch sämtliche amtlichen Führerscheine fehlen, die ihn zum Fahren einer Mannschaft berechtigen.

Es sei "ein Pilotprojekt", das sie da starten, sagen sie beim DFB, und zwar eigentlich im doppelten Sinne. Zum einen haben sie noch nie versucht, sich einen Weltmeister direkt als Trainer heranzuziehen, noch nie haben sie einen Spieler im Grunde gar nicht von der Mannschaft weggelassen, obwohl er seine Karriere beendet hat. Und zum anderen werfen sie mit Kloses Einsatz schon mal einen Blick in die Zukunft.

"Eine Frage der Zukunft wird ja sein, in welche Richtung sich die Trainerstäbe entwickeln", sagt Thomas Schneider, "und der Trend ist ja schon zu erkennen: Die Stäbe werden größer, um individualisierter arbeiten zu können." Schon jetzt wird die A-Elf im Training oft von Joachim Löw gecoacht und die B-Elf von Thomas Schneider, schon jetzt coacht Schneider beim Standardtraining die Defensivspieler und Marcus Sorg die Offensivspieler.

Wenn das so weitergehe, brauche man bald "Gelenkbusse" für all die Experten, hat Uli Hoeneß zu Jürgen Klinsmanns Zeiten mal gespöttelt, aber inzwischen haben sie ja selbst im Teamgefährt des FC Bayern einen Platz für den Ernährungsberater reserviert. Und beim Nationalteam sind sie unter der Federführung des Sportdirektors Hansi Flick mehr denn je davon überzeugt, dass man eher eine Flotte von Gelenkbussen braucht, um den Weg in die Zukunft zu finden. Schneider sagt, künftig müsse es möglich sein, "dass ein Trainer auf dem Platz sich zum Beispiel nur um das Abwehrverhalten der Viererkette kümmert, während sich ein anderer zeitgleich den Stürmern widmet". Die Anforderungen seien "wesentlich komplexer geworden, dem müssen wir Rechnung tragen". Es fällt nicht schwer vorherzusagen, dass Miro Klose im Moment eher der ist, der sich um die Stürmer kümmert.

Klose war nie ein Verkäufer, er war immer ein geräuscharmer Star, dem eine intelligente höhere Instanz in weiser Voraussicht das Hobby "Angeln" zugeteilt hat, aber man sollte diesen leisen Menschen nicht unterschätzen. Klose war nie ein Stürmer, dem der Rest des Spielfelds wurscht war, er ist mit jedem neuen Karrierejahr immer tiefer in dieses Spiel hinab getaucht. Er hat die Schulter- und Drehbewegungen seiner Gegenspieler mit demselben heiligen Ernst analysiert wie die Spielsysteme ganzer Teams, gern auch im stillen Kämmerlein, nur so für sich. Klose hat einen radikalen Drang, das Spiel zu verstehen, er wendet es hin und her, und so hat er zuletzt alle Angebote, noch mal ein Jahr als Spieler dranzuhängen, ausgeschlagen.

Klose soll auch Erfahrungen in den Junioren-Teams sammeln

Er wollte nicht mehr tingeln, rumkicken auf dem Niveau von Ligen, in denen es sich nicht lohnt, die Schulterbewegungen von Gegenspielern zu analysieren. Zwar gab es auch in Deutschland Vereine, die ihn gerne gehabt hätten und ihm angeboten haben, hinterher bei ihnen in die Trainerlehre zu gehen - aber lieber hat sich Klose an jene Worte erinnert, die sie ihm beim DFB nach dem WM-Sieg in Rio zugerufen haben.

Wer sich unter den Beteiligten umhört, trifft auf unterschiedliche Sprachregelungen; Klose habe in der Zeit des DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach "eine Zusage" für diesen doch sehr edlen Praktikumsplatz bekommen, sagen die einen; nein, eine feste Zusage sei das keineswegs gewesen, sagen die anderen, eher so eine Art Signal, dass man sich das vorstellen könne.

Aber weil die Parteien sich ohnehin aus Erfahrung schätzen, haben sie dem Ursprung der Idee nicht mehr hinterher recherchiert, sondern "ein umfangreiches Trainee-Programm entwickelt", wie Thomas Schneider sagt. Klose wird Löws Team auch bei den Spielen im März und beim Confed Cup im Juni assistieren, aber er soll laut Schneider "auch Erfahrungen bei unseren Analysten und unseren Junioren-Teams sammeln". Auch abseits des DFB wird Klose sich dem Spiel weiter nähern, er will bei Jürgen Klopp in Liverpool hospitieren und bei Jürgen Klinsmann in den USA.

Und irgendwann wird er dann alle jene Scheine machen, die er braucht, um kein Trainee mehr zu sein, sondern ein Trainer.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

DFB-Bundestrainer
:Löw dürfte umstandslos kündigen

Ausstiegsklausel für 2018? Was der DFB nicht bestätigen will, ist ein wahrscheinliches Konstrukt. Löw arbeitet schon länger auf dieser Basis.

Kommentar von Philipp Selldorf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: