DFB-Pokalaus des HSV:Kollabiert in Jena Paradies

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Ekstase pur: Carl Zeiss Jena feiert das Tor zum 3:2 gegen den HSV. Nach doppelt verlorener Führung bedeutet die dritte den Sieg. (Foto: Ralph Orlowski/Reuters)
  • Der Hamburger SV scheidet in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen den Viertligisten FC Carl Zeiss Jena aus.
  • Jena gewinnt trotz einer krassen Fehlentscheidung und Hamburger Last-Minute-Dusel mit 3:2 nach Verlängerung.
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Von Javier Cáceres, Jena

"Im Pokal geht es ja manchmal ulkig zu", hatte Jenas Verteidiger René Klingbeil vor der Partie des Hamburger SV beim FC Carl Zeiss geunkt. In diese Worte war vor allem eins gekleidet: die Hoffnung, dass der Viertligist aus Jena, dem der frühere Hamburger nun angehört, dem Erstligisten zum Pokal-Auftakt ein Bein stellt.

Manchmal geht es aber nicht nur "ulkig" zu. Sondern auch turbulent - und gerecht. Und so begab es sich, dass der HSV im Jenaer Stadtteil Paradies aus dem Pokal ausschied. Nach einer 2:3-Niederlage nach Verlängerung, die umso peinlicher ausfiel, weil sie trotz einer krassen Fehlentscheidung zugunsten der Hanseaten und trotz Last-Minute-Dusels zustande kam. Der Ausgleich zum 1:1 hätte nie anerkannt werden dürfen, und das 2:2 durch HSV-Zugang Michael Gregoritsch fiel tief in der Nachspielzeit (90.+4). Doch Außenseiter Jena blieb standhaft und setzte den letzten Tusch: das entscheidende 3:2 (106.), bei dem Johannes Pieles die HSV-Abwehr nach einem weiten Einwurf mit einem Kopfball düpierte.

" Jena ist verdient weitergekommen", gestand HSV-Trainer Bruno Labbadia unumwunden ein. In seiner Mannschaft schien nicht der unbedingte Wille da gewesen zu sein. Jeder hatte zu viel mit sich selbst zu tun. Es hatte allerdings auch eine positive Seite, dass ein Hamburger Sieg ausblieb: Er wäre mit einem dramatischen Makel behaftet gewesen. Denn in der 48. Minute ereignete sich ein großer Aufreger: HSV-Flügelmann Ivo Ilicevic erlief auf der linken Außenbahn einen Ball, der dermaßen klar hinter der Grundlinie war, dass sich eigentlich alle Beteiligten guten Gewissens anderen Aufgaben zuwenden konnten. Die meisten taten das auch. Allerdings nicht Ilicevic, der den Ball doch noch in den Strafraum passte. Und auch nicht Stürmer Ivica Olic, der den Ball der Form halber flach ins Tor schoss. Der Schiedsrichter pfiff - jedoch nicht, um auf Abstoß zu entschieden. Sondern um zum Mittelkreis zu zeigen - Tor, 1:1! Die wilden Proteste der Jenaer halfen nichts, ebenso wenig die "Fußball-Mafia-DFB"- und "Ohne Schiri-habt-ihr-keine-Chance"-Rufe von den Rängen.

Umso größer fiel der Jubel der 13 800 Zuschauer aus, als Jena-Stürmer Velimir Jovanovic danach aus kurzer Distanz das 2:1 erzielte - nach einem Flachpass von Mittelfeldspieler Maximilian Schlegel. Die Hoffnung des HSV, mit frischer Zuversicht in die neue Saison zu starten und die Zitterei der vergangenen Spielzeit zu vergessen, schien dahin zu sein - bis bei der letzten Ecke der regulären Spielzeit Torwart René Adler mit nach vorne kam und half, den Ball zu Gregoritsch zu verlängern - der hämmerte ihn ins Netz zum 2:2. Wieder ein schmeichelhafter, erlösender Ausgleich für den HSV, wie zuletzt schon in der Abstiegsrelegation: "Da dachte ich, Bruno Labbadia und den Liga-Dino kriegst Du einfach nicht in die Knie", sagte Jenas Trainer Volkan Uluc. Aber dann folgten die Verlängerung und der dritte Führungstreffer für den Underdog. Als die Partie vorüber ging, kündigten die Fans an, bei Erreichen des Pokalfinales einen Umweg machen zu wollen: "Über Hamburg fahr'n wir nach Berlin!"

"Erste Liga, keiner weiß, warum": Schon am Freitag in München könnte des HSV das wieder hören

Der HSV hatte bereits vor dem Anpfiff eine schlechte Nachricht verdauen müssen: Johan Djourou stand auf dem Aufstellungsbogen, als Abwehrchef und Kapitän. Dann jedoch musste der Brasilianer Cléber für den Schweizer einspringen, Djourou hatte sich beim Warmmachen verletzt. Cléber war allerdings mit seiner Rolle mental und physisch überfordert, sorgte mit Fehl- pässen für Unruhe und wirkte bei Sprints gegenüber Jenas Stürmern behäbig. Abstimmungsprobleme mit dem zweiten Innenverteidiger, dem Ex-Leverkusener Emir Spahic, kamen hinzu. Sie führten nach einer Viertelstunde zum 0:1-Rückstand: Cléber stellte Spahic mit einem waghalsigen Pass derart auf die Probe, dass der Kroate sich nur mit einem taktischen Foul zu behelfen wusste. Das spielte sich weit vor dem HSV-Tor ab, ziemlich genau 32 Meter. Die Jenaer ließen sich einen uralten Trick einfallen: Zwei Spieler täuschten an, sprangen über den Ball und zur Seite, ehe Innenverteidiger Justin Gerlach flach abzog. Der Ball sprang vom linken Pfosten ins Netz zum 1:0 (15.). Bis dahin hatten die Hamburger keine nennenswerte Aktion zustande gebracht. Die Mannschaft wirkte, wie in den meisten Phasen der Partie, unkreativ. Erst nach gut einer halben Stunde hatten die Hamburger überhaupt eine Torgelegenheit: Spahic köpfte gefährlich aufs Tor, Jenas Sören Eismann konnte die Bogenlampe gerade noch von der Linie bugsieren.

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Dann kam der Anpfiff zur zweiten Halbzeit - und die Schiedsrichterhilfe, die zum Ausgleich führte. Die Zuversicht der Jenaer aber wurde nicht gebrochen. Sie schufteten getreu dem Motto, das ihre Fans auf einem Banner verewigt hatten: "Niemals aufgeben!" Auch deshalb hatte es der FC Carl Zeiss verdient, die zweite Runde des DFB-Pokals zu erreichen - erstmals seit 2007/2008, als der dreimalige DDR-Oberliga-Meister noch in der zweiten Liga und nicht in der vierten spielte. Damals war das Halbfinale Endstation, Jena unterlag Dortmund.

Die Hamburger hingegen mussten sich schon wieder Spott anhören: "Erste Liga, keiner weiß, warum", hallte es im Ernst-Abbe-Sportfeld von den Rängen. Erstklassigkeit muss der HSV nun ausgerechnet in München nachweisen: Am Freitag trifft er zum Liga-Auftakt auf den FC Bayern.

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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