DFB-Pokal:Lotte vermisst seinen Acker

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  • Der Drittligist hat daran zu knabbern, dass das Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund im benachbarten Osnabrück stattfindet.
  • Der Klub ärgert sich über den DFB. Mäzen und Manager Wilke sagt, der Platz in Lotte sei in einem guten Zustand.
  • Die Mannschaft steht auf Platz drei der dritten Liga und zeigt eine Tendenz nach oben.

Von Ulrich Hartmann, Lotte

Im Ristorante vom Pizzabäcker Hakki Hamidanoglu ist wieder Ruhe eingekehrt. Dabei steht das Pokalspiel gegen Borussia Dortmund erst noch bevor. Doch die Anekdoten aus dem Städtchen Lotte sind schon vor zwei Wochen erzählt worden, auch die aus dem Stammlokal des örtlichen Fußballklubs. Alles gesendet, alles gedruckt. Vorletzten Dienstag schon hätten die Sportfreunde ihr Jahrhundertspiel gegen den BVB bestreiten sollen, doch nach der witterungsbedingten kurzfristigen Absage muss der Drittligist die Champions-League-Fußballer aus Dortmund an diesem Dienstag im benachbarten Osnabrück empfangen. Das schmeckt in Lotte niemandem. Der Pizzabäcker verköstigt zumindest die Daheimgebliebenen während der Live-Übertragung im Ersten.

Die Vorfreude in Lotte ist getrübt. Auch beim Obmann Manfred Wilke. Der 66 Jahre alte Ingenieur ist Mäzen und ehrenamtlicher Manager bei den Sportfreunden. Der Provinzklub war vor 20 Jahren noch siebtklassig und steht jetzt an der Schwelle zur zweiten Liga. Aber Wilke hat Stress, "negativen Stress". Er muss gerade sehr vielen Leuten erklären, warum er ihnen selbst nach dem Umzug ins größere Osnabrücker Stadion kein Ticket verkaufen kann. "Wir hätten 60 000 Karten loswerden können", sagt Wilke. Ins Stadion an der Bremer Brücke passen aber nur 16 677 Zuschauer.

Dass den Nordwestfalen das schönste Spiel der 88-jährigen Vereinsgeschichte negativen Stress bereitet, liegt mehr noch als an den limitierten Kapazitäten an der Spielabsage vor zwei Wochen. Der Platz war tief und weich, obendrauf hatte sich eine Schicht Schneeregen gelegt. Der Schiedsrichter Felix Brych beschloss, dies sei für die Spieler zu gefährlich. Die Dortmunder schienen froh darüber zu sein, die Lotter waren sauer. Sie hätten sich auf diesem Platz bessere Chancen auf eine weitere Pokal-Sensation ausgerechnet. Werder Bremen, Bayer Leverkusen und 1860 München hatten sie ja zuvor schon besiegt.

Wilke hat bis heute nicht verdaut, dass das Spiel abgesagt worden ist und dass man jetzt auch noch ins 15 Kilometer entfernte Osnabrück umziehen muss. Der Heimvorteil ist dort keiner mehr. "Der Pokal hat eigene Gesetze", sagt er, "dazu gehört für mich auch, dass mal auf einem Platz gespielt wird, der nicht gerade Topniveau erreicht." In der Zwischenzeit hat Lotte in der Liga schon zwei Mal wieder auf diesem Platz gespielt.

Trainer Ismail Atalan hat ihn zwar einen "Acker" genannt, aber Wilke ist trotzdem der Ansicht, dass man an diesem Dienstag auch gegen Dortmund darauf hätte spielen können. "Das wäre gegangen", sagt er, "der Platz ist in einem guten Zustand, aber man wollte beim DFB extreme Sicherheit, dass das Spiel nicht noch einmal ausfällt, und dafür will niemand die Verantwortung übernehmen." Schon gar nicht die kleinen Sportfreunde. Also stimmten sie zähneknirschend einem Umzug zu. "Scheiß DFB!", skandierten die Fans jüngst beim Heimspiel.

"In Lotte hätten wir gegen Dortmund eine Chance - wie es in Osnabrück ist, weiß ich nicht", sagt Wilke. Die vermeintliche Minderung der Chancen macht ihnen schon zu schaffen, schließlich geht es gegen Dortmund um zweieinhalb Millionen Euro an weiteren Pokalprämien sowie um ein Heimspiel gegen Bayern München. Es steht bereits fest, dass der Sieger im Halbfinale gegen Bayern München spielt, ein Heimspiel gegen die Bayern wäre für Lotte Ende April schon wieder das größte Spiel der Vereinsgeschichte. "An die Bayern", bremst Wilke, "denken wir jetzt aber erst mal gar nicht, wir denken an Dortmund und ab Mittwoch an Halle", den kommenden Gegner am nächsten Sonntag in der dritten Liga.

Unabhängig vom Ausgang der Partie gegen Dortmund stehen die Lotter so gut da wie nie. Nach zuletzt vier Siegen aus fünf Spielen mit einem Torverhältnis von 11:2 befinden sie sich auf Platz drei, sieben Punkte hinter dem MSV Duisburg und zwei hinter dem 1. FC Magdeburg. Weil ihr mauer Rasen auch in der Liga zu zwei Absagen geführt hatte, haben sie noch ein Spiel mehr zu bestreiten und gelten im Kampf um die Aufstiegsränge als ernster Bewerber. Dass ihr Saisonziel als Neuling in der Liga nach wie vor nur der Klassenerhalt ist und man soeben nicht nur die Lizenz für die zweite und dritte, sondern vorsichtshalber auch für die vierte Liga beantragt hat, darf als Formalie betrachtet werden. Lotte wittert die Chance, nach einem 20 Jahre währenden sukzessiven Aufstieg von der siebten bis in die dritte Liga nun den Durchmarsch in die zweite Liga zu bewältigen.

Die abzüglich aller Kosten bislang etwa zwei Millionen Euro Einnahmen aus dem Pokal könnten sie gut gebrauchen, denn sie müssten das Fassungsvermögen ihres 10 000-Zuschauer-Stadions auf 15 000 erhöhen. Wie viel Geld am Ende übrig bleibt von den Pokalwundern, auch nach Abzug der Prämien für die Spieler, lässt Obmann Wilke demonstrativ offen. Abgerechnet wird am Ende. Sein Stress würde zwar erheblich nachlassen, wenn die Lotter gegen Dortmund verlieren, aber das will er natürlich am allerwenigsten. Was für eine herrliche Krux.

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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