DFB-Elf vor der Partie in Schweden:Hinspiel? Welches Hinspiel?

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Von Bremen über St. Pauli und Freiburg zu Mönchengladbach: Angreifer Max Kruse, 26, kehrt in die Nationalmannschaft zurück. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Das denkwürdige 4:4 in der WM-Qualifikation gegen Schweden sah der Stürmer Max Kruse noch auf dem Fernsehsofa - jetzt steht er in Stockholm in der Startelf. Seine Kollegen treten trotz der Erinnerung an den Schock von Berlin frei von Rachegelüsten an.

Von Philipp Selldorf, Stockholm

Wenn Max Kruse am Dienstagabend in der Friends Arena in Stockholm die deutsche Nationalhymne singt, dann werden sich daheim in Deutschland einige Leute zum wiederholten Male ärgern. Diese Leute sitzen zum Beispiel in Leverkusen und in Dortmund, und sie ärgern sich darüber, dass im Aufstellungsbogen der Nationalmannschaft hinter dem Namen Max Kruse als Heimatverein der Name Borussia Mönchengladbach steht - anstatt Bayer 04 Leverkusen oder Borussia Dortmund.

Denn inzwischen wissen die Verantwortlichen in Dortmund und Leverkusen, dass auch sie sehr gute Verwendung für den 25-Jahre alten Offensivspieler gehabt hätten. Kruse aber fühlt sich offensichtlich auch am Niederrhein wohl. In acht Bundesligaspielen für die Borussia hat er sein Soll als Neuling bereits übererfüllt, er hat fünf Tore geschossen und fünf Torvorlagen gegeben.

Deswegen trifft Joachim Löw keine exotische Entscheidung, wenn er Kruse beim letzten WM-Qualifikationsspiel nun in die Startelf nimmt. Dass ihm der Stil des in Reinbek bei Hamburg geborenen Angreifers gefällt, hat er seit der USA-Reise oft erzählt. "Er kann für uns sehr wichtig sein", betonte der Bundestrainer am Montag.

Kruse sieht seiner Beförderung furchtlos entgegen, obwohl ihm klar ist, dass seine Fußballerkarriere rasante Fortschritte gemacht hat. Das denkwürdige 4:4 beim Hinspiel in Berlin hatte er in Freiburg am Fernseher verfolgt, er sah das Spektakel mit Interesse, fühlte sich dem Ereignis aber nicht näher als die übrigen Deutschen, die staunend vor den Bildschirmen saßen.

"Damals war ich seit zwei Monaten beim SC Freiburg und hatte davor in der zweiten Liga gespielt. Da konnte ich noch nicht dran denken, dass ich ein Jahr später hier sitzen werde - davon war ich noch ganz weit weg", berichtete er im DFB-Teamhotel in Stockholm.

Schon gar nicht wäre ihm eingefallen, dass eines Tages ein schwedischer Handballheld und Vorzeigewikinger seine Aussagen für die heimische Presse in die Landessprache übersetzen würde. Denn als Dolmetscher auf der Pressekonferenz des DFB fungierte der schwedische Handball-Nationaltrainer Staffan Olsson, der nach elf Jahren in deutschen Diensten (unter anderem beim THW Kiel) des Deutschen mächtig ist.

Das Vergnügen, Löws badische Weisheiten in verständliches Schwedisch zu übertragen, hatte er seiner Tochter entwendet, die sonst für Schwedens Fußballverband dolmetscht. Löw zu treffen, sei "eine coole Sache" gewesen, ließ er später wissen.

100. Länderspiel von Bastian Schweinsteiger
:"Der ist ein Denker, ein Schachspieler"

Zwölfter Spieler im Klub der Hunderter: Bastian Schweinsteiger bestreitet im WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden sein 100. Länderspiel. Sein Ausbilder und langjähriger Begleiter Hermann Gerland spricht in der SZ über weiße Schuhe, schwarze Haare und warum er ihn bei den Bayern-Amateuren bisweilen nicht aufstellte.

Die einheimischen Berichterstatter wollten vor allem wissen, ob die Deutschen - die Schmach des 4:4 im Sinn - voller Zorn und Rachelust angereist wären. Aber darüber brauchen sich die Schweden keine Sorgen zu machen. Löw reagierte eher gelangweilt auf dieses Thema. Dieses Schock-Erlebnis, das vor allem seinem Ansehen Schaden zugefügt hatte, habe man "schon lange abgearbeitet", meinte der Bundestrainer.

Und dass Zlatan Ibrahimovic, der die Deutschen in Berlin so furchtbar erschreckt hatte, sich am Dienstagabend durch eine Sperre der Revanche entzieht, ist Löw ganz einfach "egal". Auf diesen Modus hat man sich geeinigt im deutschen Lager. Thomas Müller befand: "Ich weiß noch, wie das Hinspiel ausgegangen ist, aber es interessiert mich nicht."

Aber einerlei ist den Deutschen die Partie keineswegs. Es geht um die Ehre ("Wir müssen zeigen, dass wir zu Recht Gruppenerster sind", findet Toni Kroos); um den Nimbus, noch nie ein Auswärtsspiel in einer WM-Qualifikation verloren zu haben; es geht um Bastian Schweinsteigers Jubiläum - und für Manuel Neuer darum, dass kein anderer im Tor steht als er. "Ich will immer spielen", sagt der von früh bis spät und von Montag bis Sonntag ehrgeizige Torwart.

Für seine Berufung kennt er triftige Argumente: Schon in Stockholm müsse die Nationalelf damit beginnen, "sich gut auf die Weltmeisterschaft vorzubereiten. In Spielen gegen gute Gegner braucht man die Leute, die dann auch möglicherweise in einem Viertelfinale spielen werden. Und Schweden könnte ein möglicher Gegner im Viertelfinale sein."

Neuer konnte beruhigt in sein Stockholmer Bett steigen: Die Einsatz-Zusage vom Trainerteam hat er bereits erhalten. Auf Experimente will Löw verzichten. Max Kruses Nominierung sieht er, zum Verdruss der Leverkusener und Dortmunder, nicht mehr als Abenteuer an.

© SZ vom 15.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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