DFB-Elf bei der Fußball-WM:Löws schmaler Grat

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Joachim Löw - kann er Weltmeister-Trainer werden wie Herberger, Schön oder Beckenbauer? (Foto: Getty Images)

Mit ihrer mangelnden Konstanz steht die deutsche Nationalmannschaft wie keine andere Elf für dieses Turnier. Joachim Löw muss die Stärken seiner Mannschaften großcoachen - und zeigen, dass er ein Titel-Trainer sein kann.

Ein Kommentar von Christof Kneer

Es ist ein ebenso beliebtes wie nutzloses Spiel, die Epochen miteinander zu vergleichen. Könnten die deutschen Weltmeister von 1990 heute noch mithalten? Wie konkurrenzfähig wären die Zidane-Franzosen von 1998 im Hier und Jetzt? Und hätten die Spanier von 2008 diesmal nicht locker die Vorrunde überstanden und die Spanier von 2014 locker aus dem Weg geräumt?

Es ist gut, dass niemand die Antworten kennt, vor allem ist es gut für die Legenden, die sich bei aller Legendenhaftigkeit doch ganz schön wundern würden, wenn eine Zeitmaschine sie im schnellen, athletischen Fußball der Neuzeit absetzen würde. Wobei: Bei der aktuellen WM sind sich die Experten nicht ganz sicher.

Finale: Deutschland Argentinien
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Das Championat in Brasilien schmeichelt sich beim Zuschauer mit leidenschaftlichen und zum Teil ungestümen Spielen ein, aber die Experten mahnen, man dürfe hohe Attraktivität nicht mit hohem Niveau verwechseln. In der Tat fehlt dem Turnier bisher zweierlei: eine wiedererkennbare, vielleicht sogar neue strategische Idee - und vor allem eine prägende Mannschaft.

So gesehen taugen auch Joachim Löws Deutsche zu einer stellvertretenden Elf dieses Turniers. Löws Elf beeindruckt und irritiert mal mit Kontrollfußball, mal mit dem Gegenteil von Kontrollfußball, aber diese Art von mangelnder Konstanz muss in diesem Turnier nicht zwingend ein Nachteil sein. Die Deutschen hätten genauso gut gegen Algerien ausscheiden können wie sie jetzt die Chance haben, Weltmeister zu werden.

Der Turnierverlauf hat keine Übermannschaft hervorgebracht, dieses Turnier hat anderthalb Wochen vor Schluss keinen natürlichen Topfavoriten. Alle Teams haben bereits hinreichend auf ihre Schwächen aufmerksam gemacht, mit Ausnahme vielleicht der Kolumbianer, denen aber erstens ihr verletzter Stürmerstar Falcao fehlt und die zweitens jetzt auf Brasilien treffen.

DFB-Sieg gegen Algerien
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Hinten wackelig, vorne trifft immerhin André Schürrle: Die deutsche Nationalmannschaft tappt im WM-Achtelfinale beinahe in die Falle und benötigt die Verlängerung für den 2:1-Sieg gegen Algerien. Die Partie hinterlässt Spuren - und einen schlecht gelaunten Per Mertesacker.

Von Thomas Hummel

Eine WM verzeiht Schwächen heutzutage eher als die Champions League, in der Champions League wären die offenen Räume der DFB-Elf gegen Algerien vermutlich mit einer Niederlage bestraft worden. Für die Trainer der WM-Viertelfinalisten wird es nun darum gehen, die Schwächen der eigenen Teams klein und die Stärken großzucoachen.

Wenn Löw jetzt straff führt, wenn er ein paar richtige Entscheidungen trifft, wenn er es schafft, den Strafraum heiß zu machen und gleichzeitig die Elf in der Balance zu halten - dann kann er ein deutscher Weltmeistertrainer werden wie Sepp Herberger, Helmut Schön oder Franz Beckenbauer. Sollten die Deutschen aber im Viertelfinale scheitern, werden dieselbe Elf und derselbe Trainer plötzlich eine enttäuschende WM hinter sich haben. Das ist er: der extrem schmale Grat, über den die Trainer ihre Teams bei diesem ausgeglichenen Turnier führen müssen.

© SZ vom 02.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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