DFB:Brisante Widersprüche in der Causa Beckenbauer

German Football Association presents independent report it commissioned into 2006 World Cup and scandal involving payment to FIFA

Juristen unter sich: der frühere DFB-Chef Reinhard Grindel (von links), der ehemalige Vizepräsident Reinhard Rauball und der aktuelle „Vize“ Rainer Koch.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Der DFB und die Kanzlei Freshfields machen rund um die Zahlung von 5,5 Millionen Euro an Franz Beckenbauer unterschiedliche Angaben. Im Frühjahr kam es zu einem merkwürdigen Umgang mit wichtigen Informationen.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Der 4. März 2016 war der Tag, den der deutsche Fußball im Zusammenhang mit der Affäre um die WM 2006 gerne als gutes Datum in Erinnerung behalten wollte: als Tag der Aufklärung. Damals präsentierten der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die von ihm nach einer Spiegel-Publikation mit Untersuchungen beauftragte Kanzlei Freshfields der Öffentlichkeit ihre Erkenntnisse über den Skandal.

Nun steht plötzlich der Vorwurf im Raum, dass es an diesem 4. März zu einem fragwürdigen Umgang mit brisanten Informationen kam. Und zwar bezüglich einer jahrelang geheim gehaltenen Honorierung für Franz Beckenbauer in Höhe von 5,5 Millionen Euro, geleistet durch den DFB in den Jahren 2005 und 2006.

Die Darstellungen von Verband und Kanzlei sind dabei an einer zentralen Stelle widersprüchlich. Es geht im Kern darum, was auf einer Sitzung des DFB-Vorstandes am 4. März (kurz vor der öffentlichen Präsentation) genau dargelegt worden ist - und ob die DFB-Granden bereits damals hätten erkennen müssen, dass Beckenbauer direkt vom Verband seine vielen Millionen erhielt. Die DFB-Spitze erklärt, ihr sei das erst vor wenigen Tagen klar geworden. Freshfields hingegen teilt mit, der Sachverhalt sei schon damals vorgetragen worden.

Der DFB-Vorstand ist formal das zweitwichtigste Gremium des Verbandes nach dem DFB-Bundestag. Er besteht aus dem Präsidium, den Präsidenten der Regional- und Landesverbände sowie zwölf Liga-Vertretern. Am Donnerstag dokumentierte der Kicker Auszüge aus dem Protokoll jener Zusammenkunft am 4. März. Darin heißt es: "Andreas Rettig erkundigte sich nach Honoraren durch den DFB. Prof. Duve (Freshfields-Koordinator der Untersuchung, Anm. d. Red.) erklärte, dass Franz Beckenbauer für die Bewerbungs- und Organisationsphase kein Gehalt bekommen habe. Ein anderer Vorgang betreffe seinen Werbevertrag mit Oddset. Hierfür seien Zahlungen in Höhe von 4,5 Millionen Euro geleistet worden."

Drei Sätze mit, zumindest aus heutiger Sicht, drei fehlerhaften Darstellungen - wobei die Tatsache, dass nach Angaben von Freshfields nicht Koordinator Duve, sondern Steuerexperte Ulf Johannemann die Ausführungen tätigte, wohl das geringste Problem ist. Zwei andere Aspekte hingegen wiegen schwer.

Auffällig ist zunächst der Betrag von 4,5 Millionen Euro. Seit Kurzem ist bekannt, dass Beckenbauer insgesamt eine Million Euro mehr erhielt als damals dargestellt - nämlich 5,5. Den Anwälten war es damals aber noch nicht möglich, eine andere Summe zu nennen, weil lediglich 4,5 Millionen Euro von einem Konto des WM-Organisationskomitees abgebucht worden waren. Die erste Tranche jedoch floss an Beckenbauer von einem Konto, das zunächst nicht Teil der Freshfields-Untersuchungen war. Das bestätigte der DFB am Donnerstag.

Warum die damaligen DFB-Verantwortlichen das Konto wechselten, gehört nun zu den vielen offenen Fragen, die sich zum damaligen Ablauf stellen.

Zahlung des DFB an Beckenbauer - das hätte elektrisieren müssen

Noch wichtiger als die Zahl ist aber eine andere Formulierung dieses Protokolls. Es ist der Satz, in dem es heißt, der andere Vorgang betreffe "seinen Werbevertrag" mit Oddset und "hierfür" seien Zahlungen geleistet worden. Jedoch: Es gab keinen Werbevertrag zwischen Beckenbauer und Oddset, sondern nur einen Vertrag zwischen DFB und Beckenbauer. Der damalige Chef des Organisationskomitees (OK) warb für Oddset und erhielt dafür vom Verband Geld.

Zunächst war laut DFB eine Kopplung der Vergütung an die Umsatzentwicklung des Lotto-Blocks vorgesehen, später seien die 5,5 Millionen Euro als fixe Vergütung festgelegt worden. Inhaltlich macht das einen enormen Unterschied. Doch wenn man aktuellen Ausführungen von Freshfields folgt, stellt sich die Frage, ob das Protokoll vom 4. März das damals im DFB-Vorstand Gesagte überhaupt korrekt wiedergibt.

Es sei darauf hingewiesen worden, dass "Franz Beckenbauer Zahlungen durch den DFB im Zusammenhang mit Werbeleistungen für Oddset erhalten habe", sagt Freshfields-Partner Ulf Johannemann der SZ. "Die diesen Werbeleistungen zugrunde liegenden konkreten Vertragsbeziehungen wurden nach meiner Erinnerung hingegen wohl nicht im Detail dargestellt."

Zahlungen durch den DFB an Beckenbauer, das ist das eine entscheidende Stichwort. Solch eine Darstellung hätte elektrisieren müssen. Eine Zahlung aus DFB-Kassen an einen Funktionär, das hätte an die merkwürdige Zahlung über 6,7 Millionen Euro erinnert, die vor einem Jahr die Affäre auslöste. Und auch wenn die Kanzlei das Beckenbauer-Honorar ohnehin nicht in den Schlussreport aufnehmen wollte, weil es angeblich über den Untersuchungsauftrag hinausging, hätte es Nachfragen und weiterer Nachforschungen bedurft.

Die neue DFB-Spitze um Präsident Reinhard Grindel erklärt, sie habe erst zu Beginn dieser Woche erfahren, dass der Verband an Beckenbauer zahlte. "Es sieht jetzt so aus, dass 5,5 Millionen über den DFB liefen. Ich stelle fest, dass wir bisher von einem anderen Sachverhalt ausgegangen waren, als er sich jetzt darstellt", sagte Vize-Präsident Rainer Koch am Donnerstag.

Sollten Protokoll und Darstellung der DFB-Spitze zutreffen, würde sich die Frage stellen, warum Freshfields das anders darstellte. Ist andererseits die Version von Freshfields korrekt, müsste sich die neue DFB-Spitze fragen lassen, warum sie in den vergangenen sechs Monaten so dezent mit der Beckenbauer-Causa umging.

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