Darmstadt und Hannover spielen 2:2:Die Show der Lilien

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Wie aus der Zeit gefallen: Nach 33 Jahren Absenz kehrt Darmstadt 98 im alten, maroden Böllenfalltor-Stadion mit einem 2:2 gegen Hannover und vielen kleinen Kuriositäten in die erste Liga zurück.

Von Tobias Schächter, Darmstadt

"Hier ticken die Uhren noch anders" hatten die Darmstädter Fans vor Anpfiff des ersten Bundesligaspiels ihrer "Lilien" nach 33 Jahren auf ein Transparent geschrieben. Im alten, maroden Stadion am Böllenfalltor, das von den Darmstädtern liebevoll "Bölle" genannt wird, hat man zwar noch immer den Eindruck, die Zeit sei stehen geblieben. Doch natürlich ging auch dort das Spiel am Samstag pünktlich um 15.30 Uhr los. Und als wollten die Darmstädter nach ihrer langen Erstligaabstinenz der Fußballwelt zeigen, was sie können, lieferte dieses verrückte 2:2 (1:0) gegen Hannover 96 so viele Episoden wie selten ein Bundesligaspiel.

Darmstadts kleiner Sprinter Marcel Heller zum Beispiel war mit zwei herausragenden Toren der Mann des Tages. "Lilien"-Torwart Christian Mathenia hielt beim Stand von 2:1 einen von Hannovers Mittelstürmer Mevlüt Erdinc kläglich geschossenen Elfmeter und verhagelte dem türkischen Nationalspieler, der aus St. Etienne kam, so den Einstand. Die Hannoveraner jedoch - und das gefiel ihrem Trainer Michael Frontzeck "so gut an diesem Tag" - schafften zwei Mal nach Rückstand den Ausgleich.

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(Foto: REUTERS)

Zwei Traumtore: Marcel Heller (rechts) war für Dirk Schuster, den Trainer von Darmstadt 98, der wichtigste Mann des Spieltags.

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(Foto: Simon Hofmann/Getty)

Kurz orientierungslos: Von Aytac Sulu (Nr. 4) springt der Ball ins Darmstädter Tor - Hannover bejubelt den 2:2-Ausgleich am Böllenfalltor.

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(Foto: Simon Hofmann/Getty)

Dennoch ist es ein Feiertag in diesem irgendwie aus der Zeit gefallenen Stadion.

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(Foto: Simon Hofmann/Getty)

"Hier ticken die Uhren noch anders" steht auf einem Plakat in der Fankurve - man ist sich in Darmstadt der Außenseiter- und Ausnahmerolle bewusst.

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(Foto: Simon Hofmann/Getty)

Gut, die Meisterschale ist sicher nur Ironie - die Ambitionen des Teams sind eher auf den ausreichend schweren Klassenerhalt gepolt.

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(Foto: Simon Hofmann/Getty)

Dennoch sind die Erwartungen bei den Fans groß: Sie wollen Kampf, Leidenschaft und vor allem endlich mal wieder Erstligafußball in Darmstadt sehen.

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(Foto: Kai Pfaffebach/Reuters)

Und sie werden nicht enttäuscht: Marcel Heller (Nr. 20) trifft gleich mal doppelt im Duell mit Hannover 96.

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(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Dazu gibt es Dramatik - Darmstadts Torwart Mathenia hält einen Strafstoß gegen Hannovers Erdinc - ...

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(Foto: Daniel Roland/AFP)

...und Emotionen pur: Jerome Gondorf lässt den Fehlschützen aus nächster Nähe wissen, wie sehr er sich über dessen Missgeschick freut.

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(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Am Ende heißt es 2:2. Die wenigsten sehen die zwei verlorenen Punkte. Es ist ein gemeinsam erstrittener Punkt gegen den Abstieg.

Der erste Einsatz für das Hawk-Eye in der Liga

Zunächst traf der in der Halbzeit eingewechselte Stürmer Charlison Benschop nur drei Minuten nach Wiederanpfiff zum 1:1. Und auch das ist eine besondere Geschichte, denn Benschop, der aus Düsseldorf verpflichtet wurde, hatte in der Vergangenheit in Liga zwei immer gegen Darmstadt getroffen. Das habe der Spieler ihm am Donnerstag berichtet, erzählte Frontzeck, und da habe er am Samstag gegen 16.15 gedacht, es sei keine schlechte Idee, den Niederländer einzuwechseln. Das 2:2 war schließlich ein Eigentor von Darmstadts Kapitän Aytuc Sulu - und auch das passte in dieser Kuriositätenshow, bei der die Darmstädter noch zwei Mal Pech mit Aluminiumtreffern hatten.

Zudem: Von wegen vormodernes Stadion! Die neue Hawk-Eye-Torlinientechnik kam erstmals in der Bundesliga ausgerechnet im alten "Bölle" zum Einsatz. Bei Kenan Karamans Kopfball an die Latte (28.) des Darmstädter Tores wurde mit dem Adlerauge nachgewiesen, dass der Ball anschließend vor der Linie aufgeprallt war.

Hannover sucht eine neue Hierarchie

Es stimmt, das Spiel war ein Aufreger. Doch nüchtern betrachtet bleibt beiden Teams das gemeinsame Fazit: Das einzige Ziel kann nur der Klassenerhalt sein. Die Darmstädter, bei denen in Konstantin Rausch, Peter Niemeyer und Luca Caldirola drei bundesligaerprobte Zugänge von Beginn an zum Einsatz kamen, spielen bewusst die Underdog-Rolle. "Stolz" war Trainer Schuster denn auch auf sein Team: "Wir haben gesehen, dass wir mithalten können. Wir haben ein Spiel auf Augenhöhe geboten." Zwar habe man erlebt, dass in der Bundesliga kleine Fehler zu Gegentoren führen, so Schuster, aber seine Mannschaft könne auf diese Leistung "aufbauen". Allerdings werden die Gegner stärker, kommende Woche auf Schalke folgt die erste große Bewährungsprobe.

Hannovers Trainer Frontzeck lobte zwar "die gute Moral" seiner Mannschaft, und 96-Vorstandschef Martin Kind nannte den Punktgewinn im ersten Auswärtsspiel "okay". Aber Hannover ist eine Elf, die nach einer Saison mit überzogenen Erwartungen und Abstiegskampf sowie dem Verlust ihres Kapitäns Lars Stindl (Gladbach) erneut eher nach unten als nach oben schielen sollte. Einen Mittelfeldplatz fände Kind okay, aber in Hannover muss erst wieder eine Hierarchie in der Elf wachsen. Überragende Einzelspieler gibt es kaum, in Darmstadt war die Elf in der Defensive leicht aus der Fassung zu bringen. "Wir haben noch viel Arbeit", weiß Frontzeck.

© SZ vom 16.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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