Claudia Pechstein und ihr Buch:Schaumwein und Scheiterhaufen

Lesezeit: 2 min

In Berlin stellt die gesperrte Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ihr Buch vor. Dabei inszeniert sie sich als letzte Aufrechte - in einer Welt von böswilligen Medien und faulen Gerichten.

Boris Herrmann

"Bis gestern war sie vielfache Olympiasiegerin. Seit heute ist sie Buchautorin!" Mit diesen Worten wurde Claudia Pechstein am Montag im Barocksaal eines Berliner Hotels angekündigt, um ihre Autobiografie "Von Gold und Blut" vorzustellen. Neben dem Buch hatte die Autorin auch ein dünnes Faltblatt mitgebracht, das Anstalten machte, ihrem knapp 500 Seiten dicken Epos die Show zu stehlen.

"Was müssen das für Menschen sein": Claudia Pechstein stellt ihr Buch vor. (Foto: dpa)

Es war die Menükarte eines Dinner-Abends, zu dem der Eisschnelllauf-Weltverband ISU Mitte Oktober in den Münchner Olympiaturm geladen hatte. Als Aperitif gab es damals "Forster Pechstein Riesling Sekt brut mit Holunderblütensirup". Neben ISU-Präsident Ottavio Cinquanta haben dort auch Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), und Katarina Witt, die Chefin der Münchner Olympiabewerbung, mit Pechstein- Schaumwein angestoßen.

"Was müssen das für Menschen sein", verlas Pechstein aus ihrem Buch, "die zunächst alles daran setzten, auf höchst umstrittene Weise mein Leben zu zerstören, um dann mit einem Sekt anzustoßen, der meinen Namen trug?"

Wie immer es die edle Traube Pechstein, die auf pfälzischem Basaltboden reift, zu diesem Abendessen geschafft hat - ob es Zufall war oder ein schlechter Scherz - die Grundzüge der weiteren Argumentations-Strategie von Pechstein und ihrem Co-Autor Ralf Grengel waren anhand dieser Geschichte skizziert: In einer Welt von offenbar böswilligen Medien, faulen Gerichten und holunderblütigen Funktionären inszeniert sich Pechstein als die letzte Aufrechte; als eine strebsame Sportlerin, die aus heiterem Himmel heraus Opfer einer gigantischen Hetzkampagne wurde. Von Hexenjägern und Scheiterhaufen ist in dem Buch die Rede.

Es steht außer Frage, dass in Pechsteins Leben nichts mehr ist, wie es einmal war. Sie schreibt, sie habe zwischenzeitlich an Selbstmord gedacht. Auf der anderen Seite aber stehen ein paar Fakten, die nahelegen, dass weder der Weltverband noch seine Weinauswahl am Verlauf dieses Dramas schuld sein könnten, sondern die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin selbst.

Sie ist nach Lage der Dinge wegen Dopings von den zuständigen Sportrechts-Instanzen gesperrt. Zuletzt hat das Schweizer Bundesgericht Pechsteins Revisionsantrag zu ihrer vom Weltsportgerichtshof ausgesprochenen Zwei-Jahres-Sperre abgelehnt. Sind wirklich fast alle Juristen ungerecht? Ausweislich ihres Buches scheint Pechstein das zu glauben.

Der DOSB teilt zu dem Buch mit, dass bei Pechstein im Rahmen der allgemeinen Regeln dieselben Rechte und Pflichten wie für andere Athleten gelten. Diese Regeln geben ihr die Chance, es jetzt auch noch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu versuchen.Nach denselben Regeln ist sie allerdings bis Februar 2011 gesperrt. Und auf die Weinauswahl, sagt ein DOSB- Sprecher, habe Thomas Bach keinen Einfluss genommen.

© SZ vom 09.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Doping-Ausreden
:"Ich wollte für Chancengleichheit sorgen"

Jan Ulrich ist nicht der einzige Sportler, der Höchstleistungen in der Disziplin Doping-Ausreden liefert. Eine Galerie der Unschuldsbeteuerungen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: